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Am 15. Mai 2004 fiel in Zürich die Entscheidung für die 19. Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika. Mit 14 zu 10 Stimmen setzte sich das Land gegen seinen Mitbewerber Marokko durch. Das von der FIFA beschlossene Rotationsprinzip machte diesen Weg überhaupt erst möglich. Denn für die Vergabe der WM 2010 wurden nur afrikanische Bewerber zugelassen.
Den Verantwortlichen im Exekutivkomitee der FIFA war allerdings bewusst, dass im südafrikanischen Fußball Korruption und Gewaltausbrüche keine Seltenheit sind. Für Furore sorgte zur Zeit der Entscheidung besonders ein Fall: Als ein Schiedsrichter mitten auf dem Spielfeld einen Trainer erschoss. Und das nur, weil der Trainer eine gelbe Karte für seine Mannschaft nicht akzeptieren wollte und lautstark protestierte.
Keine gute Werbung für den Sport. Im südafrikanischen Fußball spielt die Polizei zwar eine wichtige Rolle, doch auch in Deutschland kam es in den vergangenen Jahren zu mehreren Fällen von Korruption und Bestechung im Fußball. Es ist also kein Problem, das nur dem afrikanischen Kontinent zugeschrieben werden kann.
Doch für die Menschen, für das Land und für den gesamten Kontinent erhoffte sich die FIFA nach dem WM-Zuschlag einen positiven Schub und einen großen Entwicklungsschritt hin zu westlichen Verhältnissen. 160.000 neue Jobs wurden im Mai 2006 prophezeit und damit ein wichtiger Impuls für die gesamte südafrikanische Wirtschaft vorhergesagt. Denn das Großereignis einer Fußball-Weltmeisterschaft ist längst nicht mehr nur ein sportliches Kräftemessen. Es geht um ein ganzes Land und dessen Kultur, Tourismus und Wirtschaft.
Zudem hat Südafrika im Vergleich zu den anderen Ländern des Kontinents eine recht stabile politische Lage. Erst 2009 wurde die Regierungspartei des Afrikanischen Nationalkongresses bestätigt, welche nun mittlerweile seit 16 Jahren an der Macht ist. Allerdings verstrickt sich die Regierung mehr und mehr in Machtkämpfe. Es gibt sogar Gerüchte, dass der Präsident der Republik, Jacob Zuma, nach der Weltmeisterschaft gestürzt wird. Aufgrund einiger Affären ist er mittlerweile höchst umstritten und verliert an Vertrauen sowie Unterstützung.
Die sozialen und gesellschaftlichen Probleme wie Armut, Kriminalität und AIDS sind nicht zu akut, aber Missstände, die das Land und den gesamten Kontinent Afrika weiterhin belasten. Im Zuge der Vorbereitungen auf die Fußball-Weltmeisterschaft in diesem Jahr wurde jedoch verstärkt auf Aufklärung der Bevölkerung und Bekämpfung der Kriminalität gesetzt. Auch während der Veranstaltung wird es erhebliche Sicherheitsvorkehrungen geben.
Für die anstehende Weltmeisterschaft wurden in den vergangenen Monaten 40 000 zusätzliche Polizisten geschult und auf die besondere Situation des Ereignisses vorbereitet. Außerdem stellt jedes der 32 Teilnehmerländer Polizisten, die den Kontakt und den Umgang mit den jeweiligen Fangruppierungen erleichtern sollen.
Ein großes Problem der Vergangenheit war die Stromknappheit in Südafrika. Notabschaltungen von ganzen Betrieben bremsten das Wirtschaftswachstum immer wieder aus und lähmten das gesamte Land. Derartige Probleme haben die Südafrikaner mittlerweile zwar einigermaßen in den Griff bekommen, so stabil wie der westliche Standard ist die Energieversorgung allerdings noch nicht.
Ein negativer Aspekt ist außerdem die Vertreibung von Menschen in Südafrika. Während der Vorbereitungen und den Baumaßnahmen zur Weltmeisterschaft wurden laut UNO 20.000 Menschen aus Armensiedlungen vertrieben und Straßenkinder in Camps verfrachtet – alles unter Missachtung der Menschenrechte und mit dem einzigen Ziel: Südafrika zur WM in einem möglichst positiven Bild darzustellen.
Die lange kritisierten Mängel im Telekommunikationsnetz, den Transportsystemen und der medizinischen Versorgung wurden in den vergangenen Jahren behoben und auf ein gutes Niveau versetzt. Die gesamte Verkehrsinfrastruktur wurde überholt und das öffentliche Personennahverkehrsnetz ausgebaut.
Dennoch herrscht bei Ausländern immer noch eine große Angst vor der Kriminalität auf den Straßen des Gastgeberlandes. Im ganzen Land könne man sich zwar relativ unbekümmert und frei bewegen, betonte die südafrikanische Regierung immer wieder, allerdings sollten die Townships und Rotlichtbezirke der großen Städte möglichst gemieden werden.
Die weltweite Aufmerksamkeit rund um Südafrika war und ist ein wichtiger Impuls zur Verbesserung der Infrastruktur des gesamten Landes, denn neben der Errichtung von Fußballstadien wurden auch Milliarden in den Ausbau von Bahnlinien und Straßen investiert. Wie sich auf lange Sicht dadurch auch die gesellschaftliche Situation und die Lebensbedingungen der Einheimischen verbessern, kann heute noch nicht gesagt werden. Auf jeden Fall bietet die Weltmeisterschaft eine einmalige Chance für den gesamten Kontinent, sich dem Rest der Erde zu präsentieren.
(Text: Konrad Welzel / Fotos: Lara Lewis-Schmalohr)