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Asexualität ist eine sexuelle Orientierung, bei der eine Person wenig bis kein Interesse an sexueller Anziehung verspürt. Während sexuelle Anziehung für viele Menschen ein bedeutender Teil von Beziehungen ist, empfinden asexuelle Menschen diesen Drang nicht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie unfähig sind, Liebe, Zuneigung oder tiefe emotionale Bindungen zu empfinden. Viele asexuelle Menschen führen erfüllende romantische Beziehungen und haben enge Freundschaften.

Es gibt eine breite Palette an Erfahrungen innerhalb des Spektrums der Asexualität, oft als “Ace-Spektrum” bezeichnet. Manche Menschen fühlen sich gelegentlich sexuell zu anderen hingezogen, jedoch nur unter bestimmten Bedingungen oder in sehr begrenztem Ausmaß. Andere empfinden niemals sexuelles Verlangen. Diese Vielfalt zeigt, dass Asexualität genauso komplex ist wie andere sexuelle Orientierungen.

Formen der Anziehung

Um Asexualität besser zu verstehen, ist es hilfreich, die verschiedenen Formen von Anziehung zu kennen:

  • Sexuelle Anziehung: Das Verlangen nach sexueller Intimität mit jemandem. Asexuelle Menschen empfinden dies entweder gar nicht oder nur sehr selten.
  • Romantische Anziehung: Das Verlangen nach einer engen, emotionalen Bindung, oft verbunden mit dem Wunsch nach einer Beziehung, die nicht sexuell ist.
  • Platonische Anziehung: Das Verlangen nach enger Freundschaft oder Kameradschaft.
  • Ästhetische Anziehung: Die Wertschätzung des äußeren Erscheinungsbilds einer Person, ohne dass dabei ein sexuelles oder romantisches Verlangen entsteht.

Asexualität ist kein Zölibat

Ein häufiger Irrglaube ist, dass Asexualität mit Zölibat oder Enthaltsamkeit gleichzusetzen sei. Dies ist jedoch nicht korrekt. Zölibat ist eine bewusste Entscheidung, auf sexuelle Aktivitäten zu verzichten, oft aus religiösen oder persönlichen Gründen. Asexualität hingegen ist keine Entscheidung, sondern eine sexuelle Orientierung. Asexuelle Menschen haben von Natur aus kein oder wenig Interesse an sexuellen Aktivitäten, unabhängig von religiösen oder moralischen Überzeugungen.

Missverständnisse und Vorurteile zu Asexualität

Leider gibt es viele Missverständnisse rund um das Thema Asexualität, was oft zu Vorurteilen oder dem Gefühl des “Nicht-Dazugehörens” führen kann. Hier einige gängige Mythen:

  • Mythos 1: Asexuelle Menschen sind krank oder haben ein Trauma erlebt: Asexualität ist keine Krankheit. Es ist keine Folge von Traumata oder psychischen Problemen. Menschen aller Geschlechter und Hintergründe können asexuell sein, unabhängig von ihrer persönlichen Geschichte.
  • Mythos 2: Asexuelle Menschen sind beziehungsunfähig: Asexuelle Menschen können genauso liebevolle, tiefe und engagierte Beziehungen führen wie alle anderen. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass sexuelle Intimität für sie keine Priorität ist. In vielen Fällen spielen emotionale Nähe, Freundschaft und romantische Verbundenheit eine viel größere Rolle.
  • Mythos 3: Asexuelle Menschen werden irgendwann ihre Meinung ändern: Einige Leute glauben, dass asexuelle Menschen “einfach noch nicht die richtige Person gefunden haben”. Asexualität ist jedoch keine Phase oder ein temporärer Zustand. Menschen, die sich als asexuell identifizieren, erleben dies als Kern ihrer Identität, vergleichbar mit anderen sexuellen Orientierungen.

Asexualität und romantische Orientierungen

Eine häufig gestellte Frage lautet: Können asexuelle Menschen verliebt sein? Die Antwort ist ein klares Ja. Viele asexuelle Menschen fühlen romantische Anziehung, ohne den Wunsch nach sexueller Intimität. Sie identifizieren sich oft mit verschiedenen romantischen Orientierungen, wie:

  • Heteroromantisch: Romantische Anziehung zu Menschen des anderen Geschlechts.
  • Homoromantisch: Romantische Anziehung zu Menschen des gleichen Geschlechts.
  • Biromantisch: Romantische Anziehung zu Menschen beider Geschlechter.
  • Panromantisch: Romantische Anziehung zu Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht.
  • Aromantisch: Keine romantische Anziehung zu irgendjemandem. Aromantische Menschen können dennoch enge Freundschaften und emotionale Bindungen pflegen.

Beziehungen ohne sexuelle Anziehung

Es gibt viele asexuelle Menschen, die in romantischen Beziehungen leben und dabei keine sexuelle Anziehung empfinden. Diese Beziehungen können genauso tief, bedeutungsvoll und liebevoll sein wie sexuelle Beziehungen. Der Unterschied liegt darin, dass die Intimität auf anderen Ebenen der Verbindung stattfindet, wie durch emotionale Nähe, gemeinsames Erleben oder tiefe Gespräche.

In Beziehungen, in denen ein Partner asexuell ist und der andere nicht, kann es zu Herausforderungen kommen, insbesondere wenn der sexuelle Partner regelmäßige sexuelle Aktivitäten erwartet. In solchen Fällen ist es entscheidend, offen und ehrlich über die Bedürfnisse, Wünsche und Grenzen zu sprechen. Es gibt keine “richtige” oder “falsche” Art, eine Beziehung zu führen – wichtig ist, dass beide Partner sich gegenseitig verstehen und respektieren.

Die Gesellschaft und Asexualität

Asexuelle Menschen erleben häufig Druck seitens der Gesellschaft, in sexuellen Beziehungen aktiv zu sein, da Sex oft als zentrale Komponente des menschlichen Lebens und sozialer Normen dargestellt wird. Medien, Filme und Literatur stellen Sexualität oft als unverzichtbaren Teil von Liebe und Partnerschaft dar. Asexuelle Menschen können sich dadurch ausgeschlossen oder missverstanden fühlen. Es kann eine Herausforderung sein, sich in einer Welt zu bewegen, die davon ausgeht, dass sexuelles Verlangen universell ist.

Eine zunehmende Sichtbarkeit von Asexualität in den Medien und der Populärkultur hilft jedoch dabei, mehr Verständnis und Akzeptanz zu schaffen. Organisationen und Gemeinschaften für asexuelle Menschen, wie z.B. AVEN (Asexual Visibility and Education Network), bieten Informationen und Unterstützung für Menschen, die ihre Identität erkunden oder nach Gleichgesinnten suchen.

Selbstakzeptanz und Gemeinschaft

Für viele asexuelle Menschen ist das Erkennen und Akzeptieren ihrer Identität ein befreiender Schritt. Zu verstehen, dass es in Ordnung ist, sich anders zu fühlen und dass es eine Gemeinschaft von Menschen gibt, die ähnliche Erfahrungen machen, kann sehr hilfreich sein. Online-Communities bieten eine Plattform zum Austausch und zum Finden von Unterstützung.

Wenn du dich fragst, ob du asexuell sein könntest, ist es wichtig, dir Zeit zu nehmen, um deine Gefühle und Erfahrungen zu reflektieren. Asexualität ist eine legitime sexuelle Orientierung, und es gibt keinen Druck, dich einer bestimmten Definition anzupassen. Jeder Mensch erlebt seine Sexualität anders, und was für dich richtig ist, kann nur von dir selbst bestimmt werden.

 

(Das Beitragsbild wurde mit Dall-E erstellt)

Autor

Von Janine Schulz

Janine schreibt seit 2012 für backview.eu.