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Präsident peinlich!?

Machtmissbrauch, Affären mit blutjungen Mädchen und kein Funke Taktgefühl – normalerweise sind solche Vorwürfe Gift für jede Politikerkarriere. Nicht so in Italien: Ministerpräsident Silvio Berlusconi ist trotz vieler Skandale populär wie eh und je. In Europa können viele Menschen nicht verstehen, warum das so ist.
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„Endlich ist der Spuk vorbei”, dachte die italienische Linke vermutlich, als Silvio Berlusconis Partei 2006 knapp die Parlamentswahlen verlor. Doch nur zwei Jahre später war das Gespenst wieder zurück: Der 1,64-Meter-Mann aus Mailand wurde zum vierten Mal nach 1994, 2001 und 2005 zum Ministerpräsidenten gewählt. Vielen ausländischen Beobachtern ist noch immer schleierhaft, wie das passieren konnte. Schließlich kennt man Berlusconi außerhalb Italiens weniger für politische Erfolge als vielmehr für Skandale und zweifelhafte Auftritte.

berlusconiAuftreten und Stil des 72-Jährigen, der für sein Alter erstaunlich viele Haare auf dem Kopf und wenig Falten im Gesicht hat – plastischer Chirurgie sei Dank -, sind vielen Menschen suspekt. Berlusconi vereint enormen Reichtum mit enormer Macht. Er ist heute der vermögendste und einflussreichste Mann Italiens. Als erfolgreicher Unternehmer hat er sich über Jahrzehnte ein wahres Firmenimperium zusammengekauft, mit dem er vor allem einen großen Teil der italienischen Medienlandschaft kontrolliert.

Ein wahrer Medientycoon also, der trotzdem ohne mit der Wimper zu zucken behauptet, 90 Prozent der Presse seines Landes seien „in den Händen der kommunistischen Linken”, wenn es Journalisten wagen, ihn zu kritisieren. In Wirklichkeit nutzt er die von ihm kontrollierten Sender und Zeitungen als persönliches Sprachrohr und besetzt die Redaktionen mit treu ergebenen Anhängern. Als zum Beispiel die Tageszeitung „La Repubblica” den Ministerpräsidenten Anfang des Jahres scharf angriff, forderte der kurzerhand Italiens Unternehmer dazu auf, keine Anzeigen mehr in dem linksliberalen Blatt zu schalten, das seiner Meinung nach „subversive Absichten” verfolgte. Der Verlag verklagte ihn daraufhin.

Missbrauch von Medienmacht für politische Zwecke könnte man das nennen, aber auch der umgekehrte Fall wird Berlusconi vorgeworfen: Als Chef des Unternehmens Mediaset soll er mehr als einmal die Bilanzen gefälscht, Steuern hinterzogen und Schmiergelder gezahlt haben. Warum kam es aber trotz vieler Anklagen nie zu einer Verurteilung? Der portugiesische Schriftsteller José Saramago drückt es so aus: „Er bricht die Gesetze und er macht sie selbst.” Berlusconi hat es immer verstanden, die Verfahren in die Länge zu ziehen und die Richter als befangen darzustellen, am liebsten als kommunistische „rote Roben”.
Mit eigenen Gesetzen macht er sich zusätzlich fast unangreifbar: Die so genannte „Lex Berlusconi” erlaubt es dem Angeklagten, sein Verfahren an ein anderes Gericht verlegen zu lassen, wenn er den Richter für befangen hält – was der Ministerpräsident oft und gerne tat. Seit letztem Jahr sind außerdem die vier höchsten Ämter des italienischen Staates gegen jede Strafverfolgung geschützt, trotz heftiger Proteste.

Aber nicht nur Berlusconis Weste ist nicht mehr die weißeste: Er umgibt sich auch mit äußerst fragwürdigen Gestalten. Sein Koalitionspartner ist die Lega Nord, eine Partei, die man durchaus als rechtsradikal bezeichnen kann. Am liebsten hetzen Umberto Bossi und seine Parteifreunde gegen Migranten oder die Zentralregierung in Rom – der sie ja eigentlich angehören. Enge Vertraute des Ministerpräsidenten sollen außerdem Kontakte zur Mafia pflegen – so wie Staatssekretär Nicola Cosentino, der das Müllproblem von Neapel mit Hilfe der Camorra gelöst haben soll.
Neben dem dubiosen Machtmenschen Berlusconi ist da aber auch noch eine andere Seite: Der Spaßmacher und Showman, bei dem man nicht genau weiß, ob man über ihn lachen darf oder lieber fassungslos den  Kopf schütteln sollte. Regelmäßig lässt Italiens Regierungschef öffentlich Äußerungen vom Stapel, die keine Fragen offen lassen – außer vielleicht: Ist das einem Staatsmann angemessen?

So bezeichnete er zum Beispiel den frisch gewählten US-Präsidenten Barack Obama als „jung, schön und braungebrannt” oder gestand Dänemarks Premierminister Rasmussen, dass er ihn für den „schönsten Regierungschef Europas” hält. Legendär ist auch sein Scherz beim deutsch-italienischen Gipfeltreffen 2008 in Triest: Berlusconi versteckte sich hinter einer Säule und als Angela Merkel vorbeiging, sprang er heraus und rief: „Kuckuck!” Merkel nahm es mit Humor, aber vielen Landsleuten ist sein Verhalten einfach nur peinlich. Die Europaabgeordnete Monica Frassoni bezeichnete Berlusconis letzten Wahlsieg gar als „Blamage”.

Oft lässt er auch ernsthafte Zweifel an seinem Taktgefühl aufkommen: Nach einer Serie von Vergewaltigungen beschwichtigte Berlusconi das aufgebrachte Volk. Man könne in Italien solche Verbrechen kaum verhindern, „weil unsere Frauen zu schön sind”. Wahrscheinlich fasste keine der Angesprochenen das als Kompliment auf, es hagelte harsche Kritik. Als im April 2009 ein Erdbeben die Region um die Stadt L’Aquila in den Abruzzen verwüstete, dachten manche, für Berlusconi sei endlich die Gelegenheit gekommen, sich als wahrer Staatsmann und Krisenmanager zu zeigen. Aber es kam anders.

Für die Menschen, die nun in einer Zeltstadt wohnen mussten, weil das Beben ihre Häuser zerstört hatte, hatte er einen zweifelhaften Rat auf Lager: „Man muss es eben nehmen wie ein Camping-Wochenende”. In Anzug und rotem Feuerwehrhelm stapfte er durch die Trümmer und konnte auch angesichts der puren Zerstörung das Flirten wohl nicht sein lassen: „Darf ich die Signora ein bisschen betatschen?”, soll Berlusconi eine Politikerin aus der Region gefragt haben.

Auch von der internationalen Politik hat Italiens Ministerpräsident seine ganze eigene Vorstellung: Mit ausländischen Staatschefs zu verhandeln, sei „wie einem Mädchen den Hof zu machen”. Und von Frauen glaubt Silvio Berlusconi schließlich eine ganze Menge zu verstehen.

Im zweiten Teil: Berlusconi und die Frauenwelt – und warum ihm all die Skandale scheinbar nichts anhaben können.

(Text: Timo Brücken / Zeichnung: Christina Koormann)

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