Life & Art

Ein Auto ist Freiheit

Es gab da neulich wieder so eine Schlüsselsituation. Schneefall mit Blitzeis in Frankfurt. Das war an einem Sonntag. Am Montag ging ich zu Fuß. Am Dienstag auch. Und am Mittwoch. Und am Donnerstag. Das wäre mir mit meinem Auto nicht passiert.[divide]Schnee und  Eis zwangen mich dazu, tagelang zu Fuß zur S-Bahn zu gehen, bis die Verkehrsbetriebe es schafften, die Straßenbahnen wieder in Betrieb zu nehmen. Dafür zahle ich rund 100 Euro im Monat.

Ich liebe mein Auto, auch wenn ich Eiskratzen muss und über nicht gestreute Straßen schlittere. Mein Auto bringt mich von A nach B, ohne Umsteigen. Ich kann so viel Gepäck mitnehmen, wie ich möchte. Ich kann die Musik laut aufdrehen und singen. Mein Auto bedeutet Freiheit.

Wenn ich im Stau stehe, hab ich es wenigstens warm und muss nicht an einem luftigen Bahnhof rumstehen. Wenn ich im Stau stehe, kann ich wenigstens den Radiosender wechseln, nicht wie in der Bahn, wo einem von drei Seiten Musiker anschreien, durch die Ohrstöpsel der Sitznachbarn hindurch.

Die leeren Flaschen, die in meinem Auto rumliegen, sind von mir. Es ist bequem, es ist so viel bequemer. Wenn sich ein Stau ankündigt, kann ich ihn umfahren. Wenn ich spät dran bin, kann ich etwas mehr Gas geben.

Ich habe das Gefühl, alles selbst im Griff zu haben. Ich bin hier der Chef, ich habe die Verantwortung und ich bringe uns von A nach B. Ich bin der Herr in meinem Auto, wer mich nervt, fährt nicht mit.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich als Teenie kein Auto hatte und auf die S-Bahn, die einmal in der Stunde fuhr, warten musste. 20 Minuten Fußmarsch zum Bahnhof, einen Bus dahin gab es nicht. Wie viel Zeit ich schon gespart habe, in dem ich dann einfach das Auto nehmen konnte.

Mein Auto hat keinen Fahrplan. Es fährt los, wann ich möchte. Die Straßenbahn wartet nicht auf mich. Verpasst ist verpasst. Und die Bahn kommt schließlich immer nur dann pünktlich, wenn ich zu spät bin.Wie oft musste ich auf dem Heimweg von der Arbeit an den abenteuerlichsten Stellen zwischenhalten und umsteigen. Manchmal brauche ich eine Stunde länger nach Hause als geplant. Und man kann die Uhr danach stellen: Montagsmorgens kommt der Pendlerverkehr immer so unerwartet, dass die Bahnen verspätet sind.

Auch, wenn mein Auto mal unplanmäßig anhalten muss, weil etwa ein Stau ist, so ist es doch anders. Die Bahn möchte mich nicht informieren. Es ärgert mich, wenn um neun Uhr die Durchsage kommt, dass mein Zug, der um 8.50 Uhr fahren sollte, fünf Minuten Verspätung hat. Es ärgert mich, wenn mein Zug angezeigt wird, aber nicht kommt. Und nicht kommt. Und die nette Dame ihn nicht als verspätet durchsagt. All das spare ich mir, wenn ich mich einfach in mein Auto setze und die Freiheit genieße, die es mir bietet.

Nur an der Parkplatzsituation, daran muss Frankfurt noch arbeiten.

(Text: Miriam Keilbach)

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Miriam K.

Miriam war 2007 im Gründungsteam von backview.eu. Sie volontierte beim Weser-Kurier in Bremen und arbeitet seit 2012 als Redakteurin bei der Frankfurter Rundschau. Ihre Themen: Menschen, Gesellschaft, Soziales, Skandinavien und Sport.

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