Menschen

Der Homo Technocus

Er hat eine ausgefallene Leidenschaft: laute, stets gleich bleibende, elektronische Musik mit dröhnendem Bass – der Techno-Fan. Leicht kann diese  außergewöhnliche Spezies Mensch zum Störenfried werden und schnell kommt die Frage auf, wie er diesen „Lärm” dauerhaft aushalten kann.
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Kennt ihr diesen Techno Song? : „Untz. Untz. Untz.”, richtig, so klingt jedes Lied. Aber genau das ist die Lieblingsmusikrichtung einer besonderen Gattung Mensch, dem Technofan (lat. Homo Technocus). Diese  Art Musik, die sich für den durchschnittlichen Homo Sapiens wahrscheinlich anhört, als wäre die CD hängen geblieben und vor der er nach ein paar Minuten ermattet kapitulieren müsste, ist die Leidenschaft des Technofans und er könnte diese den ganzen Tag hören.

Der Homo Technocus als Musikexperte
Doch der Begriff Musik ist mir für diesen „Lärm” doch etwas zu hoch gegriffen, da jegliche Instrumente, Gesang oder ähnliche Charakteristika meist vollständig fehlen. Alles entsteht am Computer und es scheint in einem Lied oft nur ein Grundbeat aufzutauchen, der sich gebetsmühlenartig immer wiederholt.

Schlimmer, man erkennt einige Techno-Künstler sogar nur daran, dass jedes ihrer Meisterwerke aus ein und demselben Grundthema besteht. Gerade besonders ausgefallene Technorichtungen, wie beispielsweise Minimal, unterscheiden sich für den Durchschnittshörer wahrscheinlich kaum von Alltagslärm.

Doch das alles stört den Homo Technocus nicht. Er sieht dies als künstlerische Genialität und Techno ist für ihn die einzig wahre Musikrichtung, gegenüber der alle anderen schnell verblassen. Er entwickelt sich dabei natürlich gleich zum absoluten Musikkenner und scharfen Kritiker aller DJs.
So äußerte sich ein besonders versierter Vertreter der Gattung Homo Technocus mir gegenüber zum Dubstep Album von Xavier Naidoo mit dem Satz: „Wer Mainstream-Pop macht, kann auch nur Mainstream-Dub machen”.

Der Unterschied zwischen Naidoo und anderen Dubstep-Künstlern wird mir wohl ewig schleierhaft bleiben. Die Technoszene entwickelt ihre ganz eigenen Stars, weswegen ich jedem, der den Nachnamen „Kalkbrenner” trägt, empfehle, sich sofort als verschollener Verwandter der berühmten Brüder auszugeben und den Weg als professioneller DJ einzuschlagen.
Er würde allein wegen dem Namen sofort eine riesige Fangemeinde bekommen, selbst wenn er nur „alle meine Entchen” mit einem lauten Bassbeat im Hintergrund spielt.

Das Sonar des Homo Technocus
Der Bass ist für den Technofan sowieso das wichtigste überhaupt. Besonders laut und dröhnend muss er sein, sodass man sich beim Hören der Musik Sorgen um die Statik der Wände des Gebäudes machen muss, in dem man sich gerade befindet. Geht es dem Homo Technocus dann um den Kauf der passenden Boxen oder Kopfhörer entwickelt er sich schnell zum absoluten Technikexperten.

Von den Details der Anschaffungen erzählt er dann auch gerne jedem der gerade in der Nähe ist, egal ob dieser es hören will oder nicht. Dann fallen Fachbegriffe wie „Hertz”, „Watt”, „Impedanz” oder ähnliches und der geneigte Zuhörer versteht dabei häufig nur Bahnhof und Abfahrt. Doch dem Technofan fällt das nicht auf, er ist viel zu stolz auf sein neues „Baby”.

Frühlingsrituale
Besonders im Frühling, wenn die ersten Sonnenstrahlen vom Himmel scheinen und der Homo Technocus aus seinem Winterschlaf erwacht, wird er gerne zum Ärgernis. Gleich einem jährlichen Brunftritual macht er auf sich aufmerksam, setzt sich in sein Auto und fährt spazieren.

Dabei wird natürlich die Lieblingsmusik in einer dröhnenden Lautstärke gehört, damit auch die Gemeinde rund herum an dem Vergnügen dieser wohltuenden Klänge teilhaben kann und sich die Umstehenden bei jedem Bassschlag Gedanken machen müssen, dass sie Zeugen des ersten großen Erdbebens in Deutschland sind.

Vor allem, wenn man selbst als Beifahrer an diesem Spektakel teilnimmt, wird eine Autofahrt zum Erlebnis der besonderen Art. Mögliche Nachwirkungen, wie Taubheit, unwillkürliches Zusammenzucken und Kopfschmerzen halten gerne auch mal wochenlang an.

Der Homo Technocus im Rudel
Ein- oder mehre Male im Jahr ist es dann so weit, der Homo Technocus wird zum Herdentier und trifft sich mit den anderen Vertretern seiner Zunft auf einem großen Festival.
Dabei genießt er mehre Tage lang laute Musik auf hoffnungslos überfüllten „Dancefloors”, die von einem Lichtspektakel durchzuckt werden, das bei dem Durchschnittsmenschen wahrscheinlich sofort epileptische Anfälle auslösen würde.

In dieser Zeit wird natürlich nicht geschlafen, man könnte ja den einen großartigen DJ verpassen und der Schlaf wird mit literweise Energy Drinks bekämpft. Die Schlafstörungen im Nachgang können dafür auch mal verschmerzt werden.

Letztlich sollten wir aber trotz dieser Ärgernisse der Natur für diese besondere Gattung Mensch danken, denn diese trägt auch zu unserer biologischen Vielfalt bei. Durch seine Eigenarten stellt der Homo Technocus wahrscheinlich sogar ein Fest für jeden Verhaltensforscher dar.
Wenn ich aber mal wieder genervt bin, bleibt mir immer noch der tröstende Gedanke, dass die Evolution ein sich entwickelnder Prozess ist und die Anpassung an die Umwelt (hoffentlich) auch vor den Homo Techoncus nicht Halt macht.

(Text: Maximilian Stenger)

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