Köln präsentiert sich nicht nur zu Karneval gerne als bunte, heterogene und dabei stets weltoffene Heimat. Doch wie vielfältig ist Köln tatsächlich? Greifen hier nicht dieselben Gentrifizierungs-Prozesse wie in vielen anderen Großstädten der Republik? Und wie reagiert eigentlich die Politik auf dieses neuartige Phänomen?
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Wer sich mit der Gentrifizierung in Köln beschäftigt, der kommt vor allem an einem Stadtteil nicht vorbei: Ehrenfeld. Das ehemalige Arbeiterviertel ist prädestiniert für die Entwicklung hin zum exklusiven, teuren Wohnen. Hippe, junge Anwohner, Künstler und Freigeister fanden hier ihren Ursprung, ihre Bleibe. Das zog beinahe zwangsläufig gehobenes Klientel und damit auch Investoren an.
Teurer Wohnraum in Köln
Die Mietpreise in Ehrenfeld gingen dementsprechend hoch, Immobilienscout24 hat in diesem Jahr für das Handelsblatt eine Analyse der Kölner Mietpreise vorgenommen. Zu Ehrenfeld heißt es dort:
„Der ehemalige Arbeiter-Stadtteil mit teilweise historischer Bausubstanz hat sich in den vergangenen Jahren gemacht. Immer mehr Gutverdiener entdecken das Viertel für sich, mittlerweile gibt es auch hochwertige Gastronomie. Als Investment ist das Multi-Kulti-Viertel mit großer Moschee einen Blick wert.”
Der durchschnittliche Mietpreis des Veedels liegt derzeit bei 9,60 €/qm. Auch immowelt.de zeichnet ein Bild der steigenden Mieten. Mit einer Durchschnittsmiete von 9,50 €/qm liegt Köln weit über dem bundesweiten Durchschnitt, der bei 6,30 €liegt. Grund ist auch hier die wachsende Nachfrage, die kein singuläres kölsches Phänomen ist.
Der Wohnraum, der zur Verfügung steht, wird dann meist auch möglichst ökonomisch verwendet. So zeigt wiedermal das Beispiel Ehrenfeld, dass eine Stadt scheinbar gar nicht genügend Shopping Malls im Portfolio haben kann. Große Einkaufszentren dienen der Wirtschaft und zahlungskräftigen Kunden, dabei zerstören sie oftmals sesshafte Kleinunternehmen wie den Tante-Emma-Laden von nebenan.
Widerstand gegen die x-te Shopping Mall
In Ehrenfeld sollte auf dem sogenannten Heliosgelände ebenfalls eine solche Shopping Mall errichtet werden. Dafür hätten kleine Läden und der Kölner Ur-Club Underground weichen müssen. Hier lautete die Devise also auch: Freie Flächen nutzen, bzw. Flächen freimachen, um sie möglichst effektiv, sprich gewinnbringend, zu nutzen. Gegen diese Entwicklungen regte sich in Ehrenfeld jedoch massiver Widerstand, vor allem die Bürgerinitiative Helios kämpfte für den Erhalt der Strukturen. Denn in Ehrenfeld würde eine Einkaufsmeile derart deplatziert wirken, dass die gesamte Aura des Viertels gestört wäre.
Der Protest der BI Helios zeigte Wirkung: Die Mall ist weitgehend vom Tisch, der neue Favorit für die Nutzung der freigewordenen Fläche ist eine Inklusive Universitätsschule (IUS). Hier sollen „behinderte” und „nicht-behinderte” SchülerInnen von der ersten bis zur 13. Klasse gemeinsam unterrichtet werden. In diesem Kontext sollen Studenten der Uni Köln eng an die IUS gebunden werden und dort wichtige Praxiserfahrungen sammeln.
In einer Pressemitteilung vom 2. April 2012 ließ die BI Helios verlauten, dass „die bestehende Kultur” erhalten bleiben und auf dem Heliosgelände die IUS angesiedelt werden solle. Weiter heißt es: „Das Helios-Gelände soll insgesamt ein urbanes Stadtquartier für alle Menschen werden – mit hoher Aufenthaltsqualität, kleinteiliger Nutzungsmischung, viel Raum für öffentliche Plätze und Grün.”
Trotz dieser Entwicklungen und dem bürgergerechten Konsens ist die IUS keine beschlossene Sache. Auch ein Abriss des oben genannten Undergrounds geistert weiterhin durch die Medien. Der Kölner Stadtanzeiger spekulierte Ende Januar beispielsweise über das Ende des Alternativclubs. Der italienische Supermarkt Parma-Delikatessen wie auch das Design-Quartier müssen wohl aus dem Stadtbild verschwinden.
Kalk – brave new Veedel?
Die Gentrifizierung in Köln lässt sich jedoch nicht auf ein Veedel reduzieren, denn die greifenden Prozesse sind stets dieselben: Ein Stadtteil entwickelt sich durch Künstler und junge Menschen weiter und zieht damit zwangsläufig zahlungskräftigere Mieter und Investoren an. Und da auch Köln eine Stadt im Wandel ist, tritt das Phänomen der Gentrifizierung nicht lediglich in Ehrenfeld auf.
Auch im rechtsrheinischen Kalk, das jahrzehntelang als sozialer Brennpunkt galt, zeigen sich deutliche Tendenzen in diese Richtung. Kalk wurde bereits in den 90ern ins NRW-Programm der „Sozialen Stadt” aufgenommen, was massive Investitionen nach sich zog, die jedoch meist in Steine flossen. So wurde beispielsweise 2003 der Bau der Kalk Arcarden initiiert. Soziale Projekte wurden dabei weitgehend vernachlässigt.
Im Viertel hat sich seit 2010 das Autonome Zentrum (AZ) in der ehemaligen Werkskantine der Klöckner-Humboldt-Deutz-Werke niedergelassen. Das Gebäude stand seit fast zehn Jahren leer und gehört über Töchterfirmen der Sparkasse Köln/Bonn.
Seit nun fast drei Jahren engagieren sich Künstler, Freigeister und andere junge Menschen im Rahmen des AZ. Die Themen sind vielfältig, sie reichen vom Antifaschismus über Musik und Kunst.
Doch wie finanziert sich so ein AZ denn überhaupt? Auf der Homepage heißt es dazu: „Das AZ finanziert sich ausschließlich selbst; durch Partys, Getränkeeinnahmen, Sach- und Geldspenden usw. Eine Förderung durch z.B. städtische Mittel ist nicht erwünscht – auch wenn das von Stadtseite immer wieder gerne behauptet (und abgelehnt) wird. Bis jetzt funktioniert das bestens.” Auch die Nebenkosten für das besetzte Gebäude war man bereit zu zahlen.
Politische Ohnmacht
Es bleibt interessant zu beobachten, wie sich die Gemengelage in Kalk weiterentwickeln wird, denn letztendlich macht auch ein solches AZ den Stadtteil nur lukrativer für mögliche Investoren. In Kölner Kreisen wird Kalk schon länger als das „neue Ehrenfeld” angesehen. Der Bezirksbürgermeister Markus Thiele von der SPD warnte in einem Gespräch mit der StadtRevue schon 2011 vor den negativen Folgen einer Gentrifizierung in Kalk: „Ich empfinde das als Gefahr. Wo sollen die Menschen hin? Steckt man sie noch weiter in die äußersten Randbezirke, werden die Ghettos dort immer größer.”
Hier offenbart sich eine generelle Problematik der Prozesse, denn die Frage bleibt: Wohin mit den Menschen, die sich den neuen, teuren Wohnraum nun nicht mehr leisten können? Entstehen dann neue Ghettos? So kann kommunale Sozialpolitik der Zukunft doch nicht aussehen.
Eine Mail-Anfrage von back view zum Thema der Gentrifizierung in Köln vor Ostern an die Kölner SPD, FDP, Grüne, Linke und CDU blieb weitgehend ergebnislos. Lediglich die CDU-Köln schrieb zurück. Man habe einen sehr aktiven Arbeitskreis zur Stadtentwicklung, ein Positionspapier solle im Mai/Juni folgen. Der Eindruck einer politischen Ohnmacht bleibt nicht alleine deshalb bestehen.
(Text: Jerome Kirschbaum)
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