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“In Wirklichkeit ändert sich nichts”

Krieg und Frieden – darüber haben zahlreiche Gelehrte, Politiker und Künstler jahrtausendelang gegrübelt, gestritten und geschrieben. Für den 25-jährigen Niema Movassat, Bundestagsabgeordneter der Partei DIE LINKE, war es der Anstoß, in die Politik zu gehen. In einer neuen Serie stellt back view ihn und vier weitere der neuen “Jungen Wilden” vor.
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Als Deutschland 1999 im Kosovo zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg wieder an einem Kampfeinsatz teilnahm, begann Movassat nachzudenken: „Ist das richtig oder falsch, was da passiert? Und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es falsch ist.” Die PDS, die später zur LINKEN werden sollte, war damals die einzige Partei, die genauso dachte.

movassatDeshalb trat Movassat im Alter von 15 Jahren zunächst in deren Jugendverband „’solid”  ein und wurde ein Jahr später vollwertiges Parteimitglied. Movassat wurde am 22. August 1984 geboren und wuchs im nordrhein-westfälischen Oberhausen auf. Seine Eltern stammen aus dem Iran. Nach seinem Abitur 2004 studierte er in Düsseldorf Jura mit Schwerpunkt Wirtschafts- und Umweltrecht und legte 2009 sein erstes Staatsexamen ab. Seitdem darf sich Niema Movassat „Diplom-Jurist nennen.

Nach dem Eintritt in die Partei engagierte er sich zunächst sehr stark in der Jugendorganisation „’solid” und wurde 2002 deren Landessprecher. Seitdem liegen Movassat vor allem die Probleme junger Menschen am Herzen: Von 2003 bis 2007 war er jugendpolitischer Sprecher im Landesvorstand der PDS und später der LINKEN in Nordrhein-Westfalen.
Seit 2008 hat er das gleiche Amt im Bundesvorstand seiner Partei inne. 2009 kandidiert Niema Movassat schließlich in seinem Oberhausener Wahlkreis für den Deutschen Bundestag. Am 27. September dann die Gewissheit: Über die Landesliste hat der 25-Jährige es ins Parlament geschafft. In der neuen Serie “Junge Wilde” hat back view mit Niema Movassat über seinen neuen Job gesprochen.

movassat_fotoback view: Kommt Ihnen als einer der jüngsten Abgeordneten im Bundestag eine besondere Rolle zu, quasi als Stimme der jungen Generation?
Niema Movassat:
Ich denke schon, dass jüngere Abgeordnete eher einen Draht zu den Problemen und Sorgen junger Menschen haben. Wegen dieser besonderen Beziehung und dem persönlichen Kontakt mit den jungen Menschen hat man eben eine gewisse Verantwortung, deren Interessen auch in die Debatten hineinzutragen.

Wird man als 25-Jähriger von den größtenteils deutlich älteren Abgeordnetenkollegen in seiner Arbeit immer ganz ernst genommen?
Wir sind alle gleichwertig gewählte Abgeordnete. Insofern sehe ich schon, dass man dort auch in seiner Position gleichwertig ernst genommen wird. Aber dazu muss man eben auch vernünftig argumentieren. Wenn man gut begründet, warum man etwas so sieht, wie man es sieht, dann wird man auch ernst genommen.

Was sind Ihre persönlichen politischen Ziele für Ihre Zeit im Bundestag?
Mir geht es zuerst einmal darum, dass DIE LINKE eine gute Oppositionsarbeit gegenüber Schwarz-Gelb betreibt. Dann möchte ich natürlich, dass Jugendpolitik im Deutschen Bundestag eine wichtige Rolle spielt. Ich werde im Ausschuss für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit sitzen und mich dort auch mit der Frage beschäftigen, wie es Kindern und Jugendlichen weltweit geht. Dass in vielen Teilen der Welt immer noch Kinder an Unterernährung sterben oder Jugendliche oft keinen Zugang zu qualifizierter Bildung haben, das sind internationale Themen, denen ich mich widmen möchte.

Beim Bildungsstreik sind vor kurzem wieder tausende Schüler und Studenten auf die Straße gegangen. Viele von ihnen fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Was kann man Ihrer Meinung nach als Politiker gegen dieses Gefühl tun?
Beim Bildungsstreik haben ja viele Politiker aus allen Parteien eine gewisse Sympathie bekundet und vielen Forderungen zugestimmt. Das war allerdings oft ein Versuch, diesen sehr starken Protest zu vereinnahmen, denn real passiert da relativ wenig. Es gibt keine konkreten Schritte, sondern nur abstrakte Bekenntnisse. Viele Politiker sagen: „Es ist gut, dass die Schüler und Studenten ihr demokratisches Recht wahrnehmen und protestieren”, aber in Wirklichkeit ändert sich nichts.

Man hört immer wieder, die Jugendlichen und jungen Erwachsenen von heute würden sich nicht mehr für Politik interessieren. Wie sehen Sie das?
Es ist natürlich richtig, dass immer weniger junge Menschen wählen gehen. Aber man muss sich fragen: Warum ist das so? In der ganzen Gesellschaft interessieren sich immer weniger Menschen direkt für Politik. Ich glaube aber schon, dass junge Menschen an bestimmten Themen interessiert sind. Bekomme ich einen Arbeitsplatz? Rutsche ich in Hartz IV? Das sind ja auch politische Themen. Aber die Jüngeren fühlen sich durch die jetzigen politischen Verhältnisse einfach nicht ernst genommen und gehen deshalb auch zum Beispiel nicht wählen. DIE LINKE kann da zum Beispiel zeigen, dass sie Schritte tut, die Interessen junger Menschen zu vertreten. Zum Beispiel haben wir uns beim Bildungsstreik sehr stark mit den Protesten solidarisiert und wollen diese jetzt im Bundestag thematisieren. Ein anderer konkreter Schritt gegen die Politik- oder Politikerverdrossenheit bei jung und alt wäre mehr direkte Demokratie.

Gibt es Themen, bei denen Sie und die jüngeren Mitglieder der LINKEN vom älteren Rest der Partei abweichen?
Es gibt keine konkreten, größeren Streitfragen, aber natürlich immer wieder punktuelle Themen. Aber es gibt ja auch nicht „die Jungen” und „die Alten” in der LINKEN, wir sind eine sehr pluralistische Partei. Natürlich kann man es in Detailfragen immer mal wieder unterschiedlich sehen, aber vielleicht auch die Partei vom eigenen Standpunkt überzeugen. Zum Beispiel haben wir uns als Jugendverband auf dem Landesparteitag in Nordrhein-Westfalen größtenteils mit unseren Änderungsanträgen zum Thema Bildung für das Landtagswahlprogramm durchgesetzt.

Junge Wilde Teil 1:
Niema Movassat, jüngster Bundestagsabgeordneter der Linksfraktion
Junge Wilde Teil 2:
Daniela Kolbe, jüngste Bundestagsabgeordneter der SPD
Junge Wilde Teil 3:
Florian Bernschneider, der jüngste Abgeordnete des Deutschen Bundestages (FDP)
Junge Wilde Teil 4:
Nadine Müller, die jüngste Abgeordnete der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Junge Wilde Teil 5:
Nadine Agnes Malczak, die jüngste Abgeordnete der GRÜNEN-Bundestagsfraktion

(Text: Timo Brücken / Zeichnung: Christina Koormann / Foto: Niema Movassat)

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