Russische Freundschaft
Eine Reise durch die Russische Föderation

Willkommen in Russland.Es gibt viele Klischees ĂŒber das russische Volk. Ob nun, das der abstrusen Autofahrten oder das der SĂ€ufer. NatĂŒrlich begegnen einem zu jeder Tageszeit Betrunkene oder zumindest Leute, die eine heftige Wodkafahne haben. NatĂŒrlich ist Russland nicht Deutschland.
Gastfreundschaft. Herzlichkeit. Russisches Essen. Guter Wodka, der so viel kostet wie der billigste Fusel in Deutschland. Und noch mehr Gastfreundschaft, so dass es einem unangenehm wird. Zuvorkommenheit. Humor.
Das ist eben auch Russland.

In Moskau gelandet, können wir auf dem Weg zum Hostel erst mal den russischen Verkehr betrachten. Russischer Verkehr bedeutet, dass man grundsĂ€tzlich mindestens 50 Stundenkilometer zu schnell fĂ€hrt, dass man da parkt, wo es eben gerade passt, ob nun auf einer SperrflĂ€che oder einfach so mitten auf der StraĂe oder eben, dass man aus einer dreispurigen Autobahn eine vierspurige StraĂe macht.
Fast den ganzen Tag sind wir unterwegs, das ist aber egal, wenn man bei Dunkelheit auf dem roten Platz steht. Wahrscheinlich ist der Kreml das schönste, was ich je gesehen habe. Den Abend verbringen wir bei ein paar Bier und Cocktails in einer kleinen Bar. Bald geht es schon weiter nach Wolgograd, dem ehemaligen Stalingrad. Es ist das eigentliche Ziel unserer Reise, hier lebe ich fĂŒr einige Tage in einer Gastfamilie. Und hier lerne ich die eigentliche Schönheit Russlands kennen.
Nein, bestimmt ist es nicht die Landschaft, die einen staunen lĂ€sst. Die StraĂen sind schlecht, die Stadt ist voller MĂŒll und streunender Tiere, nirgends ist es grĂŒn, ĂŒberall nur Steppe und hĂ€ssliche HĂ€user.
Sobald ich aber in meiner Gastfamilie bin, zĂ€hlt das nicht mehr. Am spĂ€ten Abend treffen wir in Wolgograd ein und als ich in meiner Gastfamilie ankomme, ist es wohl schon weit nach zehn Uhr. Trotzdem wird noch fĂŒr mich gekocht.
Meine Gastfamilie ist unbeschreiblich nett. Die Eltern sprechen kein Deutsch, kein Englisch. Und ich spreche kein Russisch. Trotzdem versuchen sie sich immer mit mir zu unterhalten. Meine AustauschschĂŒlerin, Daniya, spricht gebrochen Englisch. Der erste Abend ist schwierig, danach wird es besser, einfacher, wir werden gute Freunde, Sprachbarrieren zĂ€hlen da nicht.
Wir besuchen unsere Gastschule und bemerken hier gleich, dass die GĂ€ste aus Deutschland etwas ganz besonderes sind. Wir sehen die deutsche Siedlung Sarepta, die Innenstadt Wolgograds, das Museum zur Stalingrader Schlacht. Und der neunte Mai. NatĂŒrlich. Der Tag des Sieges.
An diesem Tag pilgern die meisten der BĂŒrger zum Mamajew-HĂŒgel, auf ihm thront die gigantische Statue âMutter Heimat“.
Wenn man um den neunten Mai in Russland ist – und dann auch noch in Wolgograd – dann merkt man, wie patriotisch die Russen sind und, dass Traditionen viel zĂ€hlen. Zumindest bei den Ă€lteren BĂŒrgern. Zu den Feierlichkeiten des neunten Mai wird die Stadt geschmĂŒckt: ĂŒberall sind Plakate und Schilder, die âDanke fĂŒr den Sieg“ sagen. Viele Russen tragen an diesen Tagen die orange-schwarz-gestreiften BĂ€ndchen und Russische MilitĂ€rmĂŒtzen.
Am Tag des Sieges selbst, regnet es stark. Trotzdem steigen wir und noch viel mehr Russen die 200 Treppenstufen zur Mutter Heimat hinauf. Man sieht ein paar Kriegsveteranen. Aber nicht viele. Sie werden schlieĂlich immer weniger und ein leichter Weg ist es auch nicht, wenn man alt und krank ist.
Im ersten Moment ist es vielleicht komisch als Deutscher an diesem Tag dort zu sein. Man wird auch komisch angeguckt, aber das wird man hier in Wolgograd als AuslĂ€nder ohnehin schon. Ich fand es dann aber irgendwie doch gut, an diesem Tag dort zu sein. So kann man signalisieren, dass die Vergangenheit hinter uns ist und, dass man in Zukunft gemeinsam fĂŒr die Frieden arbeiten kann. Es fĂŒhlte sich irgendwie ârichtig“ an.
Den letzten Tag in Russland verbringen wir wieder in Moskau. Abends sind wir wieder in der Bar, dann suchen wir eine Party. Leider vergebens. Am Ende landen wir mit ein paar Russischen Bieren auf einer Parkbank. Die NÀchte sind mild, so können wir hier noch bis nachts sitzen und erzÀhlen.
Danach verlagern wir das ins Hostel, wo wir die Reise mit – na klar – ein paar Bechern Wodka ausklingen lassen.
Russland ist anders. Die StraĂen sind eben schlecht, es ist dreckig und man sieht viele Besoffene.
Russland ist eben nicht Deutschland. Und Russland ist Àrmer. Und wenn man mal dort war, dann weià man plötzlich, wie gut es einem geht.
Aber nur, weil Russland anders ist – Ă€rmer, dreckiger, schlechter entwickelt – ist es nicht unschön oder ein Ort, an den man nicht reisen will. Nein, ganz im Gegenteil, denn diese Dinge sagen lange nichts ĂŒber die Menschen aus. Und gerade die machen Russland aus. Meine Gastfamilie gab mir das GefĂŒhl zu Hause zu sein, obwohl ich in einem so ganz anderen Land war, obwohl ich die Sprache nicht sprach und niemanden kannte.
Russland ist eben nicht Deutschland. Und deshalb ist es eben nicht schlimm, wenn die StraĂen mal so schlecht sind, dass man im marshrutka – dem Minibus – stĂ€ndig mit dem Kopf an die Decke knallt. Es ist nicht schlimm, einfach nur anders. Und viel interessanter.
(Text und Fotos: Miriam GrÀf)
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