Afrikaner haben die Haare zu Zöpfen geflochten, mit Perlen verziert, denkt mancher Europäer. Doch die Realität sieht – zumindest in den Städten – heute anders aus. Dort sind glatte Haare das Schönheitsideal. Ein Ausflug zum „Wie” und „Warum”.
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Afrikanische Frauen achten sehr auf ihr Äußeres, ganz besonders, wenn sie in einer großen Stadt wohnen. Statussymbole sind neben Auto, Kleidung von Edel-Modemarken und Schmuck auch die Haare. Wer etwas auf sich hält, trägt sie glatt. Auf Wiedersehen, kunstvolle Flechtfrisuren – Willkommen, sanfte Locken.
Aber wie machen die Afrikanerinnendas? Stehen sie jeden Morgen zwei Stunden mit Glätteeisen und Haarwachs vor dem Spiegel? Das Ergebnis wäre nicht annähernd so perfekt wie die glatte Pracht, die einem auf der Straße begegnet.
Nein, die Lösung ist: Sie tragen Perücken, meist aus Kunsthaar. Ihre „echten” Haare werden eng an den Kopf geflochten und die Perücken werden mit ein paar Stichen an die Zöpfe genäht. So kann nichts verrutschen. Oft ist es so fachmännisch gemacht, dass man weder Ansatz noch Faden sieht, die geflochtenen Zöpfe unter der Perücke schon gar nicht.
Der Nachteil: Die Kunsthaare dürfen nicht nass werden, und so schützen sich in der Regenzeit selbst die schicksten Frauen mit einer Plastiktüte auf dem Kopf. Alle vier bis acht Wochen wird die Perücke erneuert und dazwischen gilt: bloß keinen Tropfen Wasser auf die Kunsthaare kommen lassen – und keine Haare waschen. Da ist eine kleine Erklärung vor dem ungläubigen Aufschrei nötig: Afrikanisches Haar ist anders beschaffen als europäische, daher muss es auch seltener gewaschen werden. Die „Pause” von vier bis acht Wochen ist also nicht so „krass”, wie es dem glatthaarigen, täglich Haar-waschenden Europäer erscheinen mag.
Warum wollen viele Afrikanerinnen überhaupt glatte Haare haben? Wahrscheinlich sind dafür die gleichen Gründe verantwortlich, die den Verkauf von Bleichmitteln ankurbeln: das europäische Schönheitsideal gilt auch in Afrika.
Verbreitet wird es vor allem über die Medien
Der Fernseher läuft in vielen Haushalten den ganzen Tag über. Geschaut werden häufig nicht die afrikanischen Programme – da sie als uninteressant und oft schlecht gemacht wahr- genommen werden. Spannend und beliebt ist zum Beispiel der französische Sender TF1. Die dortigen Akteure in Nachrichtensendungen oder Werbespots haben helle Haut und glatte oder nur leicht gelockte Haare.
Noch einflussreicher sind jedoch die Spielfilme. Beliebt sind amerikanische Hollywood-Streifen, aber auch die deutsche Serie „Verliebt in Berlin” fand in ihrer französischen Synchronisation viele Fans. Da die Hauptpersonen Europäer sind, identifizieren sich die Zuschauer auch mit ihnen und wollen dem vorgelebten Schönheitsideal und Lebensstandart so nah wie möglich kommen.
Afrikanische Filme sind rar und im TV so gut wie nicht vorhanden, sondern werden höchstens bei Filmfestivals einem Nischenpublikum präsentiert. Nur eine einzige afrikanische Serie gibt es, die tatsächlich sehr beliebt ist. Aber auch dort hatten die afrikanischen Protagonisten glatte Haare.
Das Aussehen der Stars spielt ebenfalls eine Rolle. Bewundert werden dunkelhäutige Sänger und Schauspieler wie beispielsweise Rihanna, Beyoncé, Alicia Keys und Halle Berry. Diese tragen meistens lange, glänzende und glatte Haare – und werden als Idole nachgeahmt.
Die kamerunische Musik-Queen Lady Ponce widerspricht dem Schönheitsideal häufig und trägt ihre Haare zu Zöpfen geflochten. Allerdings gibt es auch viele Fotos von ihr, die sie mit glatten Haaren zeigen – unter anderem auf Plattencovern. Aber auch der Wille, das zu haben, was man nicht hat, spielt sicher eine Rolle. Ähnlich wie in Deutschland auch Bräunungsstudios und Lockenwickler keine Seltenheit sind.
So lange der europäische Lebensstil in Afrika weiterhin als Idealbild angesehen wird, existiert auch ein Schönheitsideal, das sich an dem des Westens orientiert. Je mehr Einfluss und Reichtum eine Frau hat, desto mehr wird sie versuchen, diesem Ideal zu entsprechen. So lange die Prominenten das westliche Schönheitsideal vorleben und es auch in Deutschland Bräunungsstudios und Lockenwickler gibt, wird wohl auch in Kamerun der Wunsch nach glatten Haaren bestehen.
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(Text und Foto: Anna Franz)
wie kommst du darauf, in deinem artikel von “afrikanischen frauen” zu sprechen? mit dieser ausdrucksweise reduzierst du einen ganzen kontinent auf eine einzige mentalität, essenzialisierst afrikanische schönheitsideale und tust dies nicht mal wissenschaftlich fundiert. schade, denn “die” afrikanerin gibt es nicht. genauso wenig, wie es “die” europäerin gibt