Life & Art

Auf dem Beautytrip

Was ist ein Schönheitsideal? Gibt es eine „globalisierte Schönheit”? Wie wird eine Miss World auserkoren? Und welchen Schönheitsidealen laufen wir eigentlich hinterher? back view berichtet über einen gewissen Wandel in der Werbebranche und der Gesellschaft.


Auf einer lachsfarbenen Chaiselongue räkelt sich das russische Model Irina Shayk, Testimonial der italienischen Dessousmarke Intimissimi. In schwarzer Spitzenwäsche, mit geöffneten Lippen, herausforderndem Blick und verführerischem Strumpfband weckt sie Fantasien und Wünsche vieler Männer. Hierbei handelt es sich um eine im europäischen Raum durchaus legitime Dessouswerbung.
Würde besagtes Werbeplakat jedoch in Japan hängen, käme dies gar nicht an. Schwarze Unterwäsche symbolisiert dort eine verführerische Frau deren Rein- und Keuschheit in Frage gestellt wird. Somit ist schwarze Wäsche für die meisten japanischen Männer unattraktiv. Was in Europa also als attraktiv angesehen wird, kann in Asien verpönt sein.

Trotzdem schaffte es die globalisierte Medienwelt in den letzten Jahren ein Schönheitsideal zu kreieren, das zu einem Selbstläufer wurde. International verkaufte Modezeitschriften wie Elle oder Vogue und natürlich die Modeindustrie selbst suggerieren eine Angleichung der äußeren Erscheinung. Obgleich die westliche Welt nur ein Sechstel der Weltbevölkerung stellt, gelingt es ihr bei Menschen vieler Kulturkreise Begeisterung für die in der Fernseh- und Filmindustrie dargestellten Ideale hervorzurufen.

So versuchen vermehrt asiatische Frauen, ihre Epikanthus-Falte zu Augen westlicher Prägung umoperieren zu lassen. Diejenigen Kulturkreise und Völker, die nicht unter dem massiven Einfluss der westlich geprägten Medienwelt stehen, bewahren sich jedoch bis heute ihre eigenen, individuellen Schönheitsideale. So empfindet man in einigen afrikanischen Steppenvölkern einen sehr ausgeprägten metallischen Unterlippenschmuck als schön.

haare_textSteht nun die jährliche Miss-World Wahl an, so werden die Gewinnerinnen aus allen kontinentalen Miss-Wahlen nominiert und die Missen treten gegeneinander an. Die Jury, angesehen als überregionale Schönheitskommission, legt somit jedes Jahr ein neues aktuelles weibliches Schönheitsideal fest, bei dem eine weiße Hautfarbe nicht mehr Voraussetzung ist. (“Aristokratische Blässe oder Bauernbräune”)

Nicht nur bei Miss-World-Wahlen sondern auch im medialen Verständnis verfestigte sich in den letzten Jahren die Vorstellung, die Maße 90-60-90 bei einer Körpergröße von 168-180 cm und einem Gewicht von 50-65 kg sei die weibliche Norm globalisierter Schönheit. Der negative Trend zum Untergewicht verliert in letzter Zeit weiterhin an Bedeutung seitdem sich Prominente verstärkt dagegen einsetzen.
Volle Lippen mit nach oben geschwungenen Mundwinkeln, eine schmale, ebenförmige Nase, hohe Wangenknochen sowie blaue oder grüne Augen die von vollen Wimpern umschlossen sind. Dazu ein leicht gebräunter Teint und eine glatte, makellose Haut – das ist es: das Idealgesicht.

„Attraktivität entsteht im Kopf, nicht im Spiegel” (Günther Seipp)
Doch nicht nur für Frauen existieren derartige Normierungen globalisierter Schönheit. Auch Männer versuchen verstärkt in Fitnessstudios einem Ideal hinterherzujagen. Wo früher ein Bauch ein Zeichen für Wohlstand und eine bestimmte Klassenzugehörigkeit war, wird er heute größtenteils als unattraktiv angesehen. Der Waschbrettbauch ist das attraktive Gegenbeispiel, wofür viele hart trainieren [“Der Traum einer jeden Frau!?”].
Auch ein voller Bart und buschige Augenbrauen sind nicht mehr Zeugnis für Attraktivität: Ein voller Bart wird als ungepflegt angesehen, ein glatt rasiertes Gesicht oder ein Drei-Tage-Bart gelten als schick und auch sonstige Gesichtsbehaarung soll stark kultiviert werden, um die Schönheit des Mannes zu betonen.

Bei Männern einer Körpergröße von 180-195 cm werden ein Gewicht zwischen 75-95 kg und ein Body-Maß-Index von unter 25 als Eichwert festgelegt. Eine definierte Körpermuskulatur, breite Schultern und muskuläre Oberarme sind ein globaler Faktor, der Schönheit ausmacht. Ein markantes Kinn, leichte Grübchen und ein kantiges Wangenknochengerüst verleihen einem Männergesicht den optimalen Ausdruck.

Die britische Autorin und Gesellschaftskritikerin Susie Orbach nannte ihr 2010 erschienenes Buch „Bodies. Schlachtfelder der Schönheit”. Tagtäglich begegnen uns Models in Zeitschriften und auf Plakaten. Im Fernsehen wird Werbung für die neuesten Falten- oder Anti-Cellulitiscremes ausgestrahlt.
Für manche mag das überzogen klingen, doch über Folgen und Risiken des extremen Beauty-Wahns wird wenig berichtet. Zivilisationskrankheiten wie Magersucht oder Fettleibigkeit können als Reaktion auf ein immer unerreichbareres Körperideal verstanden werden: Wir reagieren mit Kränkung und Optimierungsdruck. Vergleichs- und Kontrollmechanismen fangen an, bei uns selbst zu greifen.

Wir sind umgeben von perfekten, vollkommenen Körpern. Seien sie auch nur durch PC-Programme manipuliert. Die Vielfalt menschlicher Formen droht angesichts eines sich immer mehr globalisierenden Schönheitsbegriffes zu verschwinden.

(Text: Lisa Brüßler / Foto: Juliane Guder by jugendfotos.de)

Schreibe einen Kommentar