Fußball

Ein Klassiker, der selten Anlass zum Jubeln gibt

Wenn Deutschland auf Italien trifft, dann treten meistens zwei Begebenheiten auf: Erstens ist viel Brisanz in der Partie. Und zweitens gewinnt die deutsche Nationalelf nicht. Das Remis vom Mittwoch steht damit in guter Tradition. Denn vor allem bei Weltmeisterschaften erschreckt die negative Bilanz gegen die Südeuropäer.

Es gibt Fußballspiele, die einen ganz besonderen Klang in den Ohren der Anhänger haben. Deutschland gegen Italien. Fußball gegen Calcio. Filterkaffee gegen Espresso. Letzteres Heißgetränk gilt übrigens als das Geheimnis des italienischen Erfolgs von vor fünf Jahren, wie der damalige Mannschaftsbetreuer Nello di Martino preisgab. Seinerzeit setzte es für die deutsche Elf eine bittere 0:2-Niederlage im WM-Halbfinale. Austragungsort damals wie gestern: das Dortmunder Westfalenstadion, das mittlerweile – wenig puristisch, dafür formal korrekt  – Signal-Iduna-Park genannt wird.

Doch im Rückblick war es wahrlich nicht die einzige Pleite, die der deutsche Adler gegen die Squadra Azzurra erleben musste. Von epochalerer Bedeutung ist die Niederlage im Jahrhundertspiel anno 1970 in Mexiko. Bei brütender Hitze standen sich die Kontrahenten im Aztekenstadion zum WM-Halbfinale gegenüber. Zur Legendenbildung trug der deutsche Torschütze und Italien-Legionär Karl-Heinz Schnellinger bei, der die 1:0-Führung der Südeuropäer erst in der Nachspielzeit der zweiten Hälfte egalisierte. Dies bedeutete Verlängerung. Erst sie ließ die Partie zu etwas Großem werden, zumindest wenn man die Perspektive vertritt, dass der von den Italienern zuvor ausgeübte Catenaccio kaum Begeisterung auslösen mag.  Die nie aufgebenden Spieler mit dem Adler auf der Brust mühten sich vergebens, 3:4 hieß es aus ihrer Sicht bei Abpfiff. Somit jubelten nach sich überschlagenden Ereignissen letztlich die Tifosi.
Wie auch 1982. Dieses Mal trafen sich die Konkurrenten erst im Endspiel der Weltmeisterschaft. Trauer und Freude waren aber wieder gleich verteilt. Die deutsche Nationalelf hatte unter ihrem Übungsleiter Jupp Derwall den technisch versierteren Akteuren wie Paulo Rossi, Alessandro Altobelli oder Bruno Conti wenig Spielwitz entgegen zu setzen.

Der Eindruck täuscht nicht: Bei Weltmeisterschaften ist die Bilanz gegen die Südeuropäer negativ. Neben den genannten drei Niederlagen gab es noch zwei Remis bei Weltturnieren. Und auch bei Freundschaftsspielen verrät die Statistik nichts Gutes. Womit wir wieder bei der Begegnung vom Mittwoch in Dortmund wären. Es zeigte sich, dass bei einem Aufeinandertreffen der alten Rivalen der Term Freundschaftsspiel endgültig ad absurdum geführt wird. Und es zeigte sich auch, dass sich die Deutschen weiterhin schwer tun, den viermaligen Weltmeister zu besiegen. Zwar wurden der über viele Jahrzehnte vorherrschenden Kraftmeierei in der Nationalelf in letzter Zeit spielerische Akzente beigefügt. Joachim Löws Konflikt zwischen dem Wunsch nach einem Sieg und der Heranführung von Nachwuchskräften, wurde in Halbzeit zwei jedoch zugunsten letzterem gelöst. Dem Spielfluss war dies abträglich. Die 1:0-Pausenführung durch Kloses 59. Länderspieltreffer reichte nicht, auch wenn Italien erst spät durch Rossi zum Ausgleich kam. Doch schon zuvor brachte der giftige Cassano die nicht immer sattelfeste deutsche Hintermannschaft in Verlegenheit. Über mindestens einen Elfmeterpfiff hätte sich aus dem deutschen Lager niemand beschweren dürfen, auch wenn die Theatralik wie so oft Teil des italienischen Spiels war.

Es war ein Testspiel, das dank des zeitweise vorherrschenden Tempos, nicht in die Historie von grausamen Auftritten bei unbedeutenden Begegnungen eingeht. Unbedeutend soll hier in dem Sinne stehen, dass keine Punkte vergeben wurden. Denn die Bedeutsamkeit, verstanden als ausgeprägte Brisanz, war in vielen Zweikämpfen zu sehen. An eine Charakterisierung als Jahrhundertspiels kam die Begegnung freilich bei Weiten nicht heran. Wobei die Bezeichnung für die Partie von 1970 – mit den heutigen Maßstäben gemessen – nur noch wegen der damaligen Dramatik aufrecht zu erhalten ist. Die individuellen Fähigkeiten der Spieler haben sich mittlerweile doch zu stark entwickelt.

Auch nach 16 sieglosen Jahren wartet die Nationalelf nun also weiter auf den nächsten Erfolg im Klassiker. Deutschland gegen Italien? Deutschland gegen einen seiner Angstgegner würde wohl besser passen.

(Text: Tobias Wieland)

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