Neben Hurricane Sandy sind gerade Barack und Mitt die Namen der Stunde in den USA. Alles wird vom Wahlkampf beherrscht, auch das Fernsehen. Welchen Stellenwert die TV-Debatten der beiden Politiker haben, analysiert back view-Redakteur Eric Elert.


In New York herrscht gerade das große Chaos. Hunderttausende Menschen verlassen die Stadt der Ostküste, Wasser, Batterien und Brot sind in den Supermärkten ausverkauft. Was wie eine Szene aus einem Blockbuster wirkt, ist real: NYC rüstet sich für den nächsten schweren Sturm.

Und während die Öffentlichkeit sich bereits mit Spitznamen wie „Frankenstorm” und Ironie (Twitter-Tweet: „Jetzt ist es ernst: alle Starbucks in Manhattan sind dicht.”) auf die Wetterlaune einstellt, bleibt auf einmal das alte, doch so wichtige Thema auf der Strecke: Wer wird neuer US-Präsident?

Ein paar Tage vor der ersten Erwähnung des Sturms fand eine andere Ankündigung statt: Die „Third-party-debate”, das Fernsehduell der kleineren Parteien findet am 05.11.2012 auf „Russia Today” statt, einem kleinem Sender, der in etwa der „Deutschen Welle” in den USA entspricht, nur eben für das ehemalige Zarenreich. Seltsam, fragt man sich, warum die kleineren Parteien, die das Zünglein an der Waage sind, eine so kleine Bühne bekommen. „America Today” wäre vielleicht passender.

TV-Duelle 2012
Dass die großen Fernsehduelle so besonders sind, haben wir auch in diesem Jahr wieder gesehen. 67 Millionen Menschen haben die erste Sendung mit Obama und Romney gesehen, was in etwa einem Drittel aller Wahlberechtigten der USA entspricht. Und was ist mit der Mehrheit der anderen Wähler, die die Redeschlacht nicht gesehen haben? Die erfahren spätestens am nächsten Tag in der Zeitung, wer von den beiden großen Herausforderern die Nase vorne hatte.

Umfragen werden sofort nach Ende der Sendung in Auftrag gegeben und interpretiert, jede große Zeitung schreibt seitenlange Artikel und bei Buchmachern kann man auf einen der beiden Politiker wetten. Romney ist gerade mit einer Quote von 3,2 nur der Verfolger von Obama (1,45).

Auch online geht es hoch her. In der dritten Debatte ging es um die Außenpolitik – Romney warf Obama vor, zu wenige Ressourcen für das Militär bereitzustellen. Die US-Marine sei kleiner als je zuvor seit 1916. Daraufhin entgegnete Obama: „Wir haben auch weniger Pferde und Bajonette, weil sich das Wesen unseres Militärs geändert hat.” Innerhalb von wenigen Minuten freute sich die Netzgemeinde unter dem Twitter-Hashtag #horsesandbayonettes diebisch über diese Schlagfertigkeit.

Die besondere Rolle der Wahlmänner
So stellen wir also fest: Die TV-Konversation der beiden Kontrahenten wird nicht nur sehr aufmerksam verfolgt; nein, sie wird geradezu zelebriert. Aber hat das verbale Geplänkel wirklich Auswirkung auf die Wählerstimmen? Hierzu muss man wissen, dass die 50 Bundesstaaten Wahlmänner wählen lassen. Gewinnt etwa Obama in Alabama, sendet Alabama alle neun Personen in das „Electoral College”. Dort wird dann mit den insgesamt 538 Wahlmännerstimmen gewählt.

Aufgrund der verschiedenen Kulturen und der individuellen Geschichten der einzelnen Bundesstaaten hat für gewöhnlich fast jeder Staat einen demokratischen oder konservativen Favoriten.

Aus diesem Grund hängt das endgültige Ergebnis von wenigen, unentschiedenen Bundesstaaten ab – den „Swing States”. Diese sind Colorado, Iowa, Wisconsin, Ohio, Virginia und Florida. Da der letztgenannte der viertgrößte Bundesstaat der USA ist, hat hier das Ergebnis besondere Relevanz.

Und hier kommen die Fernsehdebatten besonders ins Spiel: Wie lässt sich ein „Swing State”-Wähler am besten beeinflussen? Genau, mit dem typisch amerikanischen Medium, mit dem schon die Nürnberger Prozesse, die Mondlandung und der Irakkrieg gezeigt wurden: dem Fernsehen.

Das Parade-Beispiel aus 1960
Wie bedeutsam so ein öffentlicher visueller Dialog sein kann, hatte man 1960 zum ersten Mal gesehen. Nixon hatte einen Krankenhausaufenthalt hinter sich, wirkte durch seinen Bartwuchs ungepflegt – Kennedy war gebräunt, und schaute beim Duell direkt zum Zuschauer in die Kamera.

Womöglich wäre aber Nixon doch noch gewählt wurden, wenn am nächsten Morgen nicht die Medien eklatant Nixons Schwächen betont hätten. Nicht nur das Fernsehduell an sich – mit den Aussagen und Darstellungen der Politikern – sondern auch die darauffolgende Aufbereitung durch die vierte Macht Medien lässt einen Kandidaten zum Präsidenten werden – oder zum besiegten Gegenpart.

Diese Tendenzen sind auch in Deutschland erkennbar. Nicht nur bei Rededuellen werden die Makel von Merkel, Steinbrück, Trittin und Co. Ins Zentrum gerückt, die Ansichten des Bürgers werden durch „Heute Journal”, „Tagesschau” und die heute-show ebenfalls beeinflusst.

Nie zuvor war es deswegen so wichtig, sich unabhängig zu informieren, von verschiedenen Quellen. Die Möglichkeiten haben wir. Handeln und bilden müssen wir uns selbst.

(Text: Eric Elert)

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