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Die Todesstrafe in den USA und Co

Das Abendland ist für viele Staaten ein Vorbild im Umgang mit der Unantastbarkeit der menschlichen Würde und des menschlichen Lebens. Doch warum spielt eine mittelalterliche und menschenverachtende Bestrafung wie die Todesstrafe in Ländern wie den Vereinigten Staaten, Japan oder Weißrussland noch eine Rolle?[divide]

Die Vereinigten Staaten – Menschenrechte unter Einschränkungen

Die USA ist dabei der Fels der Unvernunft in der Brandung der Solidarität. Ausgerechnet das Land, das als Sinnbild für den Westen gelten sollte, muss sich auch noch im Jahre 2015 mit Begriffen wie Guantanamo Bay, den umstrittenen Anti-Terror-Maßnahmen des Patriot Act und der Todesstrafe auseinandersetzen. Gerade einmal 19 der 50 Bundesstaaten haben die seit 1976 wiedereingeführte Todesstrafe in den USA abgeschafft.

Im Jahre 2014 wurden in den Vereinigten Staaten insgesamt 35 Menschen hingerichtet, davon zehn allein in Texas. 80 Prozent aller Hinrichtungen in den USA finden in den Bundesstaaten Texas, Missouri und Florida statt. Im Jahr 2015 wurden bis Anfang September bereits 20 Menschen staatlich getötet, wie das Statistik-Portal statista berichtet.

Todesstrafe im Westen
Zwar haben die Hinrichtungen im Laufe der Jahre deutlich abgenommen (1999 wurden 98 Menschen hingerichtet), jedoch schütteln andere Vorfälle das ohnehin schon brisante Thema wieder auf. Seit sich europäische Pharmakonzerne weigern, die USA weiterhin mit Giftcocktails zu beliefern, greifen diese wieder auf andere Hinrichtungsmöglichkeiten wie Erschießungskommandos zurück oder mischen den Inhalt für Giftspritzen kurzerhand selbst – mit grausamen Folgen.

Im vergangenen Jahr musste im Bundesstaat Arizona ein 55 Jähriger 117 Minuten lang mit dem Tod ringen, bevor er verstarb. Es waren 15 Giftinjektionen nötig. Ähnlich verhielt es sich auch in Ohio, wo im Januar 2014 ein Mann 26 Minuten lang, unter Schmerzen, auf den eintretenden Tod warten musste. Und in Oklahoma im April 2014 wo der, wegen Mord und Vergewaltigung verklagte Clayton Lockett, 43 Minuten lang, auf einem Stuhl gefesselt, um sein Leben rang.

Fall Glossip

Aus Angst, dass sich diese Vorfälle wiederholen könnten, verschob die Gouverneurin von Oklahoma, Mary Fallin, vergangene Woche die Hinrichtung des 52 -jährigen Richard Glossip um 37 Tage, wie der paneuropäische Fernsehsender euronews berichtet.

Glossip wurde 1998 verurteilt, den Gelegenheitsarbeiter Justin Sneed dazu angestiftet zu haben, den Motelbesitzer Barry Van Treese zu erschlagen. Dem Fall wurde große Aufmerksamkeit geschenkt, da die belastenden Aussagen des 19-jährigen Sneed, die sich als häufig widersprüchlich herausstellten. Entscheidend dafür waren, dass Glossip, der seit nunmehr 17 Jahren auf den Tag seiner Hinrichtung wartet, zum Tode verurteilt wurde. Sowohl die prominente Schauspielerin Susan Sarandon als auch Papst Franziskus forderten dazu auf, dass die Strafe nicht vollstreckt werden sollte.

Todesstrafe in Europa

In Europa ist Weißrussland das einzige Land, in dem die staatliche Exekution bis heute noch nicht abgeschafft wurde und auch immer noch Anwendung findet. Fünf weitere Länder haben die Todesstrafe nur für Friedenszeiten abgeschafft:

  • Albanien
  • Armenien
  • Griechenland
  • Lettland
  • Türkei

Die übrigen europäischen 41 Staaten sind sowohl in Friedens- als auch Kriegszeiten von der Todesstrafe befreit. Grundsätzlich ist also in fast allen Ländern Europas der richtige Weg eingeschlagen worden, dem sie bis heute folgen.

Doch ein Regierungschef eines europäischen Landes machte vor einigen Wochen diese unmenschliche Bestrafung wieder zum Thema. Wer nun spontan an ein Land wie Tschetschenien denkt, liegt leider falsch. Der ungarische Präsident Viktor Orbán, der seit Anfang der Flüchtlingskrise jedem ein Begriff sein sollte, erklärte im Mai 2015 dem EU-Parlament, dass die Todesstrafe kein Tabu für ihn sei. Der rechtsgerichtete Ministerpräsident erklärte, dass die von der Regierung ohnehin schon verschärften Gesetze nicht ausreichend seien und die Todesstrafe auf der „Tagesordnung“ behalten werden sollte.

Auf die Kritik vieler Politiker anderer europäischer Länder, dass dies mit EU-Verträgen nicht vereinbar sei, antwortete Orbán folgendermaßen: „Aber Verfassungen sind keine göttlichen Gebote, sondern von Menschen gemacht“. Der Chef der rechten Fidesz-Partei hatte sich dadurch bei vielen Politikern äußerst unbeliebt gemacht und er zeigt, dass seine Vorstellungen sich in mehrerlei Hinsicht stark von den europäischen Werten unterscheiden, wie Die Zeit die Vorsitzende der Grünen-Fraktion Rebecca Harms zitiert. Orbán würde sein Land somit in das Jahr 1989 zurück versetzen .

Ein Lichtblick durch Stimmen der Vernunft

Bezüglich der Todesstrafe in den USA ist zwar seit 1. März 2005 (Abschaffung der Todesstrafe für unter 18-Jährige nach knapper Mehrheit der Richterstimmen im Obersten Gerichtshof) kein großer Fortschritt mehr zu erkennen, jedoch gibt es Stimmen der Vernunft in den Vereinigten Staaten. Barack Obama, der zwar grundsätzlich die Todesstrafe unter bestimmten Umständen als gerechtfertigt anerkennt, könnte jemand sein, der mit den richtigen Worten zu einem Umdenken in seinem Land anregen könnte.

So hat der Präsident der Vereinigten Staaten nach dem Amoklauf vergangener Woche in Oregon bewiesen, dass er durchaus in der Lage ist, Entwicklungen und Gesetzeslagen in seinem Land zu hinterfragen und an einem Gerüst zu rütteln, das für viele Amerikaner als selbstverständlich angesehen wird.

Obama, der in seiner Zeit als Präsident bereits 15 Amokläufe in seinem Land erleben musste und sich nach jedem vor die Kamera stellte, um Angehörigen sein Beileid auszusprechen, kritisierte zuletzt die Waffengesetze, die von vielen Verfechtern als wichtiger Bestandteil amerikanischer Kultur gesehen werden. Er kritisierte demütig, dass die Massengewalt in diesem Ausmaß in keinen der anderen fortschrittlichen Ländern so auftrete wie in den USA und führte dies unter anderem darauf zurück, dass in seinem Land inzwischen so viele Waffen existieren, dass jeder Mann, jede Frau und jedes Kind mit einer scharfen Waffe ausgestattet werden könnte.
Eine Stimme der Vernunft, zwar eine Stimme, die in einer noch tauben Masse untergeht, aber dennoch ein Lichtblick, dass irgendwann auch in den Vereinigten Staaten in Bezug auf Waffengesetze und Todesstrafe ein Sinneswandel stattfinden könnte.
In Bezug auf Ungarn ist jedenfalls zu sagen, dass es auch gute Nachrichten gibt. Laut dem öffentlich-rechtlichen Sender ARD ruderte der ungarische Präsident Viktor Orbán zurück und verkündete nach weiterer scharfer Kritik aus Reihen der EU, dass er nicht vorhabe, in Ungarn die Todesstrafe einzuführen. Diese Aussage des rechten Ministerpräsidenten ist vor allem als Reaktion auf die Drohung des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker zu verstehen, der Ungarn bei Einführung der Todesstrafe mit dem Ausschluss aus der Europäischen Union drohte.
Abschließend sollte gesagt werden, dass nicht nur die USA, sondern auch alle anderen Länder (unter anderem auch Japan), die immer noch an der Todesstrafe festhalten, etwas vollziehen, was nicht nur grausam und menschenunwürdig ist, sondern auch etwas fortführen, was das solidarische Niveau dermaßen reduziert, dass die Bezeichnung „fortschrittliches Land“ nur noch bedingt zutreffend sein kann.

Schlimm genug, dass immer wieder Leute im Gefängnis landen, die durch schlechte Beweislage zu Unrecht verurteilt wurden, ihnen dann aber noch das Recht auf Leben zu nehmen, sollte jede Regierung verhindern. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt (Art. 1 des Grundgesetz).

(Text und Foto: Konstantin Schätz)

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