In den vergangenen zwei Wochen sind alleine sieben Deutsche gefallen. Wie soll mit dem Thema Afghanistan und dem Krieg umgegangen werden? Die Bundesregierung drückt sich seit Jahren um eine Begründung. Herrscht in Afghanistan Krieg? Auch über das Umgangssprachliche hinaus?
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Afghanistan ist nicht nur ein Kampf um Macht und Ideologien, sondern auch ein Kampf um Worte. Das wird besonders in den letzten Monaten immer deutlicher. Seit der ISAF-Einsatz vor neun Jahren als Mission zum Erhalt des Friedens startete, weiß man nicht so recht, wie man mit dem Thema Afghanistan umgehen soll. Man spricht von einem Stabilisierungseinsatz, von Friedenssicherung, jedoch nicht von Krieg. Zu Guttenberg wagt sich erstmals die Zustände in Afghanistan als „kriegsähnlich” zu bezeichnen. Nun geht er noch einen Schritt weiter: Der Verteidigungsminister sagt, man könne „umgangssprachlich” von Krieg reden.
Umgangssprachlich.

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Umgangssprachlich? An dieser Formulierung ist zu erkennen, wie heikel das Thema ist. Oder wie heikel bereits das Formale ist. Noch immer wagt man sich nicht, die Situation am Hindukusch als Krieg zu bezeichnen. Wobei es nüchtern gesehen nichts anderes als eben das ist: Krieg. Stattdessen hilft man sich in der Bundesregierung mit Ausdrücken wie etwa dem internationalen bewaffneten Konflikt aus. Was eben auch nichts anderes als Krieg bedeutet. Doch dieses Wort will in Verbindung mit Afghanistan jedoch niemand in den Mund nehmen.

Die Regierung steht im Zugzwang. Nein, vielmehr noch: Der Balanceakt der Politik wird nun immer lächerlicher. Eben mit diesem kleinen Wörtchen – umgangssprachlich – zieht   die Regierung sich immer mehr in die Groteske.
Sie müssen langsam einen Weg finden den Einsatz zu begründen. Das ihnen dies wohl kaum gelingen mag, ist schon an diesen Formulierungsproblemen zu erkennen. Falls sie den Einsatz irgendwann mal als Krieg kennzeichnen, wird das ihnen zwar auch keine Rechtfertigung geben, doch wird es Klarheit schaffen und auch die Möglichkeit endlich eine Grundsatzdiskussion führen zu können.

Denn hier liegt schon das nächste Problem des Einsatzes. Ist er richtig oder viel eher noch: Ist er gerecht? War er das jemals? Als Außenstehender ist es schwer zu beurteilen, was am Hindukusch geschieht und wie das zu deuten ist. Man ist schließlich nicht Vorort.

Doch eins steht auch fest, nur weil die Ereignisse sich in den letzten Monaten überschlagen, ändert dies nichts an der Tatsache, dass man überhaupt einen solchen Auslandseinsatz der Bundeswehr legitimierte. Es ist eine Grundsatzfrage, die sich hier stellt. Benötigt man militärische Truppen – den Dienst der Waffe – für zivilen Aufbau?
Steht Militär nicht immer für Leid, Tod, Unterdrückung? Für Krieg? Und wenn man sagt, in Afghanistan herrscht Krieg, dann stellt sich auch die Frage, wie soll es möglich sein, mit Waffengewalt, mit einer Armee, Frieden zu schaffen? Ist es nicht ein Paradoxon an sich? Es sind die Gedanken des Pazifismus, die mit dieser Problematik einher gehen. Viele sehen den Pazifismus als nicht umsetzbar oder gar als naiv.

Vielleicht haben wir in unserer heutigen Welt wirklich noch keinen Platz für diesen Gedanken, vielleicht spielen ideologische Interessen oder Macht eine größere Rolle, aber das Prinzip eines gewaltfreien Existierens in einer großen Gemeinschaft ist alles andere als naiv. Es zeugt vielmehr von wahrem Idealismus, von dem Willen in einer besseren Welt leben zu wollen. Es ist ein Gedanke der Zukunft, eine Vision, die es wert ist verwirklicht zu werden.

Es geht hier auch und vor allem um ein Umdenken der Gesellschaft. Der Grund, warum viele den Pazifismus – oder nennen wir es schlicht die Kriegslosigkeit – als naiv sehen, ist doch, weil wir in einer Gesellschaft leben, die Krieg immer noch als legitimierte Lösung oder als gerechtfertigte Antwort auf Konflikte sieht. Dabei ist Krieg doch eigentlich nichts anderes als eine legitimierte Methode, Menschen zu töten. Gewalt als Basis für Frieden kann nicht gerecht sein. Auch nicht in Afghanistan. Auch nicht bloß umgangssprachlich.

(Text: Miriam Gräf / Foto: Lili Seidl by jugendfotos.de)

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  • Miriam G.

    Wenn Miriam nicht gerade durch Russland reist, dann schreibt sie darüber. Ansonsten erzählt sie noch gerne von der großen Liebe oder schreibt Hassreden gegen Schokonikoläuse. Miriam ist freie Journalistin für verschiedene Online Medien, darunter generationanders.com und to4ka-treff. Seit 2013 ist sie Mentee im Mentorenprogramm der Jugenpresse und Jungejournalisten.de

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Von Miriam G.

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