Brennpunkte

Acht Jahre warten auf ein neues Leben

Wie menschlich die „Reichen und Schönen” in Wirklichkeit sind, merken wir ganz schnell, wenn es um die Gesundheit geht. Denn da schützt auch der Promi-Faktor nicht. Eine Nierenkrankheit kann oft das Ende der Karriere bedeuten, wie bei Fußballer Ivan Klasnic (FC Nantes) und Ex-Formel-Eins-Fahrer Niki Lauda. Um lange Wartezeiten zu umgehen, wird die Lebendspende immer wichtiger.
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Ivan Klasnic war erst 25 Jahre alt, als bei einer Blinddarm-Operation eine Nierenkrankheit festgestellt wurde. Erst über ein Jahr später gelangte die Diagnose an die Öffentlichkeit: Niereninsuffizienz. Bei diesem chronischen Nierenversagen funktioniert die Niere nach einiger Zeit nicht mehr, die Leistung lässt ständig nach und liegt am Ende unter 15 Prozent.

Auswege gibt es nur durch eine Dialysebehandlung oder eine Nierentransplantation. Bei dem Stürmer, der damals für Werder Bremen spielte, führte kein Weg an einer Transplantation vorbei. Im Januar 2007 bekam er die erste Niere. Seine Mutter eignete sich als Spender, somit konnte er eine lange Warteliste umgehen.

Wenn das Organ abgestoßen wird
Doch der Körper des Fußballstars stieß den Fremdkörper ab, so dass eine zweite Transplantation notwendig war. Zwei Monate später spendete also Papa Klasnic eine seiner Nieren. Für viele Sportler hätte ein derartiger Eingriff das Karriereende bedeutet. Doch der Stürmer kämpfte sich wieder heran, stand erneut im Profikader bei Werder und war bei der Fußball Europameisterschaft der erste Stürmer, der mit einer Spenderniere ein Tor erzielte.

Gegen die Vereinsärzte von Werder hingegen ermittelt auf Anzeige von Klasnic inzwischen die Staatsanwaltschaft. Bei Medizinchecks hätten sie bereits 2002 die erhöhten Nierenwerten erkennen müssen. Aus diesem Grund wechselte Klasnic vor Beginn dieser Saison zum FC Nantes.

Wartezeit von acht Jahren
Ivan Klasnic hatte Glück, dass er früh einen geeigneten Spender fand. Anderen geht es da weniger gut. Etwa acht Jahre dauert die durchschnittliche Wartezeit auf eine Spenderniere – koordiniert und vergeben werden die Organe von Eurotransplant. Ausschlaggebend ist die Wartezeit und natürlich die Übereinstimmung der Gewebsverträglich von Spender und Empfänger – sprich: Passt die Niere oder ist davon auszugehen, dass sie abgestoßen wird.

Etwa 11.500 Deutsche warten derzeit auf eine Spenderniere, weitere 40.000 sind Dialysepatienten. Und sie alle haben die Hoffnung, dass irgendwann der Bescheid auf einen geeigneten Spender kommt, denn mit einer Spenderniere steigt die Überlebenschance rapide an. 48.927 Deutsche erhielten seit der Einführung der Transplantation 1963 eine neue Niere – somit ist die Niere das am meisten genutzte Organ für eine Transplantation.

Leben mit einer Niere
Jeder Mensch besitzt in der Regel zwei Nieren, von denen allerdings nur eine wird für das eigene Überleben notwendig ist. Nieren können also auch von lebendigen Menschen entnommen werden, ohne dass für sie eine Einschränkung besteht – allerdings die Gefahr, in einem späteren Unfall oder ähnlichem selbst eine Niere zu verlieren. Dennoch wurden in Deutschland im vergangenen Jahr nur rund 2.300 Nieren transplantiert.

Diese halten dann in der Regel für neun Jahre. Die Niereninsuffizienz-Daten zeigen, dass die Anzahl der Patienten pro Jahr um etwa fünf Prozent steigt. So stehen immer mehr Patienten immer weniger vorhandenen Nieren gegenüber.

Der Faktor Kompabilität
Hoffnung, dass die Wartezeiten bald kürzer werden, haben wohl alle Patienten und vor vier Jahren gab es auch einen Grund zur Zuversicht. Einem Team der Uni Freiburg gelang es, eine Lebend-Nieren-Transplantation durchzuführen, obwohl die Blutgruppen von Spender und Empfänger inkompatibel waren. Das Problem ist allerdings, dass nur zehn Prozent der Deutschen überhaupt einen Organspendeausweis haben, da helfen auch derartige Fortschritte in der Praxis nicht viel.

Die gespendete Niere wird beim Patienten nicht völlig akzeptiert, außer sie stammt von einem genetischen Gegenspieler wie einem Zwilling. Der Patient muss immer Medizin einnehmen, die das Immunsystem so dämpft, dass die Niere nicht angegriffen wird. Das macht es Sportlern schwer, den Weg zurück in ihren Beruf zu finden.

Spenden von Verwandten
Auch Niki Lauda konnte auf die Nieren von Verwandten zurückgreifen. 1976 ereignete sich sein schwerer Unfall am Nürburgring. Neben Verbrennungen im Gesicht zog er sich Lungenverätzungen durch das Einatmen von giftigem Rauch zu. Zwar saß er schon bald wieder im Rennwagen, dennoch ließ sich eine andere Krankheit nicht mehr aufhalten.

Nach seinem Unfall musste er Medikamente schlucken, die die Nierenfunktion beeinträchtigten. 1997 diente sein Bruder Florian als Spender, neun Jahre später spendete seine Lebensgefährtin Birgit Wetzinger. Da die Nieren zusätzlich eingepflanzt wurden, lebt der Ex-Rennfahrer heute mit insgesamt vier Nieren.

Ivan Klasnic und Niki Lauda – nur zwei prominente Gesichter unter den vielen namenlosen in Deutschland. Zwei unter 50.000, die es geschafft haben, auch ohne eigene funktionierende Niere zu überleben und sogar wieder Sport zu treiben und ihrem Beruf nachzugehen. Andere haben weniger Glück – dennoch geben sie die Hoffnung nie auf, dass vielleicht doch bald der passende Spender gefunden wird.

(Text: Miriam Keilbach)

Miriam K.

Miriam war 2007 im Gründungsteam von backview.eu. Sie volontierte beim Weser-Kurier in Bremen und arbeitet seit 2012 als Redakteurin bei der Frankfurter Rundschau. Ihre Themen: Menschen, Gesellschaft, Soziales, Skandinavien und Sport.

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