Fußball

Neues vom Trainermarkt

Schon im letzten Jahr drehte sich das Trainerkarussell wie verrückt – so als hätte sich jede Sicherung gelöst. Trainer wurden verschlissen wie junge Bordsteinschwalben, irgendwie zeichnete der Fußball ein perverses Bild. Keinerlei Kontinuität, überzogene Erwartungshaltung und unmenschlicher Druck kosteten insgesamt über 20 Trainer in der vergangenen Bundesligasaison den Job. Doch auch in der laufenden Spielzeit gibt es wieder Neues vom Trainermarkt.


Es ist in der Retrospektive schon irgendwie Ironie des Schicksals, dass Holger Stanislawski im Dezember 2011 nach einem 1:1 seiner TSG Hoffenheim den damals schwer in der Kritik stehenden Kollegen Markus Babbel scherzhaft fragte: „Herr Babbel, sind sie auch nächste Woche noch Trainer von Hertha BSC?”. Einen Tag später wurde Babbel entlassen. Nun, keine drei Monate später, ist es dann nämlich Babbel, der Stanislawski in Hoffenheim beerbt.

Wer eine Geschichte vom Trainerkarussell in dieser Saison schreiben möchte, kommt ohnehin nicht an Markus Babbel und Berlin vorbei. Bis zu jener Dezemberwoche war er noch recht erfolgreicher Trainer der „alten Dame” aus Berlin. Doch dann besann sich Manager Michael Preetz seines fragwürdigen Images. Und da sah dieser Preetz eben keine andere Möglichkeit, als Babbel zu entlassen. Immerhin hatte dieser sich auch erdreistet, den auslaufenden Vertrag nicht verlänger zu wollen.

Vom Heilsbringer zum Untoten
Es ist bereits die vierte Trainerentlassung in der Preetz-Ära seit 2009 bei Hertha BSC. Doch vor allem die Posse zwischen Babbel und Preetz warf ein schlechtes Licht auf den Hauptstadtklub. Da bezichtigte jeder den anderen der Lüge, es wurde tonnenweise mit Schmutz geworfen. Bis dann endlich Babbel nicht mehr in Berlin war und der Messias in Person von Michael Skibbe gefunden wurde. Eben jener Skibbe aber mutierte recht schnell – nämlich innerhalb von fünf Spielen – vom Heilsbringer zum Berliner Untoten. Er war der Prügelknabe für eine jahrelange Misspolitik im Verein. Letztendlich musste auch Skibbe gehen.

Und Babbel fand seinen neuen Klub in Sinsheim bei der TSG aus Hoffenheim, wo wiederum Stanislawski ebenfalls als einst gefeierter Held und Initialzündung nach nur einem halben Jahr geschasst wurde. Stanislawski aber kann nun Skibbe in Berlin beerben, wo ja auch Babbel war. Klingt komisch, ist es auch. Es erinnert schwer an Felix Magath aus der letzten Saison, der sofort nach seiner Schalke-Entlassung in Wolfsburg anheuerte. Vereinstreue, aber auch Glauben und Vertrauen in die Übungsleiter sind zu absoluten Rudimenten verkommen. Stetig wird der Maximalerfolg als Messlatte genommen, viel zu selten herrscht räsonables Wirtschaften und Denken in den Vereinen.

Verbales Nachtreten
Ebenfalls salonfähig ist auch das sogenannte Nachtreten geworden. Da trampelt beispielsweise in Hoffenheim der schwerreiche Klubeigner Dietmar Hopp nach der Entlassung Stanislawskis auf diesem verbal herum: „Es ist schwer, eine Linie zu erkennen”. Dabei war es grade Stanislawski, der die von Hopp präferierte Linie mit jungen Talenten umsetzte und radikal die Großverdiener entmachtete.

Hoffenheim war auf einem guten Weg, sich bald selbst zu finanzieren und nicht mehr auf derartige Millionen-Beträge von Hopp angewiesen zu sein. Doch damit einher ging natürlich auch eine langwierige Entwicklung mit Nachwuchsspielern und sukzessiven, aber langsamen Erfolgen. Das war dem Hoppschen Sonnenkönig aber wohl doch zu wenig Glamour, da musste der Trainer eben gehen. Getreu dem Motto, was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.

Anschi setzt dem Treiben die Krone auf
Doch dass in Deutschland immer noch Milch und Honig fließen, das beweist ein Beispiel aus Russland. Der neureiche Möchtegern-Superklub Anschi hat Anfang dieser Woche seinen Trainer Juri Krasnoschan entlassen, ohne dass dieser überhaupt ein Spiel auf der Bank saß. Er solle nicht mit ehemaligen Superstars wie Eto’o oder Roberto Carlos umgehen können, so heißt es in Russlands Medien.

Krasnoschan war damit keine anderthalb Monate im Amt und muss nun seinen Stuhl räumen. Da sollten sich die Trainer in der Bundesliga kaum beschweren. Im Vergleich zu ihrem russischen Kollegen haben die deutschen Übungsleiter die Halbwertszeit eines Dinosauriers. Die Nachrichten reissen jedenfalls nicht ab, es gibt ständig Neues, Verrücktes vom Trainermarkt.

(Text: Jerome Kirschbaum)

Jerome K.

Jerome schreibt am liebsten über Sport, wenn er denn nicht selbst auf einem Platz steht. Seit Oktober 2010 verdingt sich Jerome als Schreiberling für back view, neben den Leibesübungen widmet er sich sich auch politischen Themen. Im wahren Leben musste Jerome zahlreiche Semester auf Lehramt studieren, um dann schlussendlich doch etwas ganz anderes zu werden.

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