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Liebe USA, das kann uns nicht passieren!

Was den geneigten Bürger wundert, ist dem Politologen wohlbekannt. Der Grund für die Möglichkeit dieses Ausmaßes an Blockade, welches in seiner schlimmsten Form derzeitig in den USA zu beobachten ist, liegt in der amerikanischen Verfassung begründet.

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Gegensätzliche Mehrheiten im Lager des Präsidenten und im Senat oder Abgeordnetenhaus verursachen einen sogenannten „Deadlock“. Dieser kommt zuweilen mit schöner Regelmäßigkeit vor. Ein Grund dafür mag sein, dass der Präsidentschaftskandidat im Wahlkampf Versprechungen macht und machen muss, um gewählt zu werden, die er dann in seiner Amtszeit nicht einlösen kann.
Weil in Amerika der Kongress häufig neu gewählt wird (Abgeordnete für eine zweijährige Amtszeit, der Senat wird alle zwei Jahre zu einem Drittel neu besetzt), strafen die Wähler den Präsidenten im Zuge dessen durch die Wahl des entgegengesetzten Lagers ab und machen ihn somit immer wieder handlungsunfähig.

Früher waren solche gegensätzlichen Mehrheiten ebenfalls lähmend für die Politik. Sie erreichten aber selten ein solch starkes Ausmaß wie in diesen Wochen. Selbst bei dem letzten Shutdown vor 17 Jahren gelang es Präsident Bill Clinton schnell, doch noch zu einer Einigung zu kommen.

Parallelen zu Deutschland
Wer nun als Deutscher denkt, hier eine besondere Perversion der ältesten Demokratie der Welt zu beobachten, sollte sich nicht zu sehr aus dem Fenster lehnen. Die aktuellen Versuche eine neue Regierung in Deutschland zu bilden, weisen hinsichtlich der politischen Kultur inzwischen Parallelen zur Situation in den USA auf.

USA Fahne back viewDie Politiker machen im Wahlkampf Versprechungen, die sie jetzt unbedingt einlösen wollen, weil sie sonst befürchten müssen, vom Wähler abgestraft zu werden. An dieser Stelle beginnt das Problem. Das Volk ist nicht nur gewählt, um dem Politiker als Stellvertreter der eigenen Interessen Macht zu verleihen. Das Volk als Souverän ist über die ganze Amtszeit hinweg weiterhin Träger der Macht. Dass zeigt sich momentan deutlicher denn je.

Im Gegensatz dazu ist dem Bürger jedoch das politische Gespür abhanden gekommen. Sicher, die Antworten auf drängende politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Fragen sind heute komplexer als noch vor 20 Jahren. Dass sollte jedoch kein Grund dafür sein, den Politikern festgefahrene Meinungen und unabrückbare Standpunkte abzuverlangen, um in dieser komplexen Welt Halt zu finden.

In den USA scheinen Polarisierung und Misstrauen gegenüber der Politik weit fortgeschritten zu sein. Mittelfristig wird sich daran offensichtlich nichts ändern. In Deutschland besteht noch die Chance eine in die Blockade führende Spirale zu verhindern. Dafür müssen die Politiker dem Bürger allerdings mehr zutrauen. Umgekehrt muss die Kompromissakzeptanz bei den Bürgern ebenfalls steigen, um eine Blockadehaltung zu verhindern.

(Text: Marcel Stübner)

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