Die Linke ist eine „chaotische Truppe von Ex-Sozialdemokraten, Gewerkschaftern und versprengten Kommunisten”. So beschrieb der Autor der Zeit Christoph Seils Ende Januar die Nachfolgepartei der PDS. Die Frage, ob „Die Linke.” als extremistisch einzuordnen ist, kann nicht eindeutig geklärt werden. Klar ist auf jeden Fall, dass auch in der heutigen Parteistruktur noch klare Ansätze der Ideologie des als extremistisch einzuordnenden Marxismus zu finden sind.
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Der generelle Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit, von dem Marx ausgeht, kann prinzipiell auch auf ein Deutschland von heute übertragen werden. Kennzeichnend für die heutige Gesellschaft sind Lohnkürzungen und eine in Deutschland wieder anwachsende Kluft zwischen Armen und Reichen. Großen Einfluss scheint dabei auch die fortschreitende Globalisierung zu haben. Darauf aufbauend ist der entfremdende Charakter der Erwerbstätigkeit im Kapitalismus auch für die heutige Linke ein wichtiger Grundsatz.
Der Aspekt des Klassenkampfes und die Grundsätze des Sozialstaates beeinflussen die ideologischen Vorstellungen demnach auch heute noch stark.So ist in den „Programmatischen Eckpunkten” der fusionierten Linken gleich zu Beginn von den ungleichen Verteilungen des Reichtums in der deutschen Gesellschaft die Rede. Die Partei verspricht jedoch eine Lösung, die im Moment noch von „zerstörerischen Prozessen” blockiert werden würde. So soll die herrschende Kapitalmacht überwunden und eine „konsequent demokratische Gesellschaft” entwickelt werden. Immer wieder ist die Rede von einem alternativen Entwicklungsweg, mit Hilfe dessen die kapitalistischen Einflüsse auf die Gesellschaft und Wirtschaft bezwungen werden könnten.
Diese Haltung und Sichtweise erinnert schon sehr an die von Marx beschriebene „Entfesselung der Gesellschaft” und der damit verbundenen Überwindung des Kapitalismus. Natürlich ist der Anspruch von Marx, die Wirklichkeit ernst zu nehmen und auf der Grundlage gründlicher Analyse über diese hinaus zu denken, generell nicht falsch und sollte auch von den Linken übernommen werden. Aber die Frage ist, was sie letztendlich aus diesem Ansatz macht.
Auch den Aspekt der Eigentumsverhältnisse greift die Linke auf. Gemäß ihren „Eckpunkten” wollen sie bestimmte Schlüsselbereiche der Wirtschaft „zum Wohle der Allgemeinheit” in ein öffentliches Eigentum überführen. Als Gründe dafür nennt die Partei vor allem eine vermeintlich bessere demokratische Kontrolle.
Die Linke scheint sich also keineswegs von Marx und seiner Analyse distanzieren zu wollen. Ganz im Gegenteil greift sie sogar konkrete Aussagen aus dem Kommunistischen Manifest – welches als Grundlage des Marxismus und Leninismus gilt – auf und beschreibt die gesellschaftlichen Zustände mit den Worten Marx`, „in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist”
Insgesamt rücken diese kommunistischen Gedankengänge jedoch allmählich immer weiter in den Hintergrund. Grund dafür sind vor allem die vielen negativen und erschreckenden Erfahrungen in der jüngeren deutschen Geschichte. Trotzdem betrachtet die Linke das kapitalistische System an sich als fundamental ungerecht und ausbeuterisch. Diese Botschaft versucht die Partei auch in ihren „Programmatischen Eckpunkten” zu vermitteln.
Grundsätzliches Problem
Ein sehr großes grundsätzliches Problem hat die Partei jedoch weiterhin in ihrer Glaubwürdigkeit. Aufgrund des Erbes einer Diktaturpartei, wie die SED sie war, hat auch die PDS nie besonders hohes Ansehen im Westen genießen dürfen. Auch wenn die spätere PDS bereits weit von der ursprünglichen SED entfernt war, so wehrte sie sich dennoch gegen eine völlige Anerkennung der westlichen Demokratie und der sozialen Marktwirtschaft. Damit stieß sie vor allem in alten Bundesländern auf Widerstand.
Letztendlich bleibt der Schluss, dass „jenseits aller theoretischen Verengungen Marx als Ökonom, als brillanter Denker und Analytiker für die neue Linke tatsächlich ein Muss” ist, so Katja Kipping, die stellvertretende Parteivorsitzende der Linken. Gewisse Ähnlichkeiten mit dem Marxismus dürfen aber nicht mit der ursprünglichen Doktrin verglichen werden.
Die Abgrenzung zwischen extremistisch und nicht extremistisch ist nicht einfach. Es geht immer um die Unterscheidung zwischen legaler Opposition und illegaler Staatsgefährdung. Dieser Übergang ist jedoch manchmal nur sehr schwer zu identifizieren. Die Linke scheint sich im Moment noch in einer Grauzone zwischen demokratisch und extremistisch zu bewegen. Die parteipolitischen Gegner, wie Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, treten dahingegen energisch gegen die Linken auf und wollen sie weiterhin vom Bundesverfassungsschutz beobachten lassen In Schäubles Augen gehe „von Teilen der Linkspartei eine klare extremistische Bedrohung aus und deshalb wird sie vom Verfassungsschutz beobachtet.”
Verhalten der Volksparteien
Außerdem sei darauf hingewiesen, dass die viel diskutierte Partei der Linken überhaupt erst durch die Große Koalition in der politischen Mitte zu derartiger Stärke im Westen finden konnte. Denn sie kann den oppositionellen Posten am linken Rand des Parteienspektrums vollkommen für sich alleine besetzen. Gerade diese Stellung scheint die umstrittene Partei in den letzten Wochen und Monaten nutzen zu können, um immer mehr Wähler zu gewinnen.
Allmählich gehört sie zum politischen Alltagsgeschehen in Deutschland dazu. Selbst wenn sie wirklich als extremistisch eingestuft werden könnte, wird es mit steigender Anhängerschaft und Anerkennung in der gesamten Bundesrepublik auch immer schwieriger, gegen sie anzugehen. Einen wichtigen Schritt hin zu einer westdeutschen Einbindung hat die SPD im hessischen Landtag selbst geliefert. Denn die losgetretene Diskussion, um eine mögliche Zusammenarbeit mit der Linken hat eines klar gemacht: Die Linke ist auch in Westdeutschland angekommen – ob sie nun extremistisch ist oder nicht. Und es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis sie auch in Westdeutschland in Landesregierungen beteiligt ist.
(Text: Konrad Welzel)