Am 1. Juni 2011 sollte der neue FIFA-Präsident gewählt werden. Pünktlich zum Showdown hat der Fußballweltverband jedoch einen weiteren Skandal aufgetischt. Herausforderer Mohammed Bin Hammam trat zunächst zurück und wurde später zudem noch suspendiert. Auslöser war – ganz FIFA-typisch: Korruption.

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Mohammed Bin Hammam galt lange Zeit als aussichtsreicher Gegenkandidat zum Machtinhaber Joseph Blatter. Bin Hammam war Vorsitzender des Asiatischen Fußballverbandes (AFC) und ging mit Reformwillen in den Fußballverbänden der Welt hausieren. Offenlegung der Einkünfte, Begrenzung der Gehälter, mehr Transparenz und weniger Korruption. Einige Ideen klangen wie Gedichte in den Ohren der notorischen FIFA-Kritiker. Bin Hammam war der erhoffte Revoluzzer.

Bin Hammam – Mitglied des elitären Zirkels
Dabei war er stets ein Mitglied dieses elitären Zirkels, der 62-Jährige stand lange Zeit als enger Vertrauter an der Seite des umstrittenen Blatter. Die Fußball-WM 2022 in Katar wäre ohne ihn wohl auch nicht möglich gewesen. Dem AFC-Vorsitzenden haftete also auch der Geruch der Korruption an, der vorpreschende Neuling, der die FIFA umkrempeln würde, war er eventuell nie.

Nun die endgültige Gewissheit. Zusammen mit Jack Warner, dem Chef des Nord- und Mittelamerika-Verbandes (CONCACAF), wollte Bin Hammam Stimmen in der Karibischen Fußballunion kaufen, um selbst den Präsidententhron zu besteigen. Geschenke und mehrere Zehntausend Dollar sollen sie geboten haben. Bin Hammam trat überraschend selbst zurück, die FIFA setzte jedoch noch einen drauf und brandmarkte den vermeintlichen Robin Hood mit der Suspendierung.

Die vertagte Hoffnung
Die Hoffnung auf Besserung und Reformen in der FIFA sind damit nun erst mal zum St. Nimmerleinstag vertagt. Der Hoffnungsträger Bin Hammam entpuppte sich als Wolf im Schafspelz. Letztlich prahlte auch er mit mehr Schein als Sein. Zusammen mit einem der größten Schmiergeld-Verteiler, Jack Warner, hat er also auf eben jenes Mittel zurückgegriffen, das er selbst radikal bekämpfen wollte. Er hat die Korruption in der FIFA weiter forciert.

Doch geht es im Weltverband überhaupt anders? Die Frage sei zum derzeitigen Stand der Dinge erlaubt. Ebenso die Frage nach der Rolle Blatters. Denn wenn Bin Hammam ein Wolf im Schafspelz ist, dann heißt das im Umkehrschluss längst nicht, dass der amtierende Präsident das Unschuld vom Lande ist. Auch ihm rutschte in der Vergangenheit immer wieder der Schafspelz vom Körper.

Blatter ebenfalls beschuldigt
Und auch im nun vorliegenden Fall zeigte sich Blatter von bekannter Seite. Über die Zahlungen an die Funktionäre soll er wohl auch informiert gewesen sein. Zudem wirft ihm Warner vor, er habe ebenfalls Bestechung bei der Präsidentschaftswahl betrieben. Warners CONCACAF wurde angeblich mit einer stattlichen Summe und einigen Laptops unterstützt. Gründe für die Hilfe fand Blatter schnell, irgendwas mit Entwicklungsprojekten und Einklang der Regeln… Kritische Nachfragen überging Blatter, bis er flugs die Pressekonferenz verließ.

Zäher Einheitsbrei
Während sich Bin Hammam demaskierte und nicht mehr als Präsidentschaftskandidat taugt, steht auf der anderen Seite ein lebender Anachronismus, der die FIFA seit Jahren von einem Skandal in den nächsten führt. Ruhiges Fahrwasser hat das schwankende FIFA-Schiff unter Blatter mit allerlei altem Schwergewicht an Bord lange nicht mehr gesehen. Die vage Hoffnung auf mehr Transparenz, mehr Sachverstand und weniger Allüren sind spätestens heute begraben.

Doch überraschend kommt die Wendung nicht. Zu sehr ähnelt der FIFA-Clan in gewisser Hinsicht einem Einheitsbrei, dessen Korruption sich überaus zäh hinzieht. Der Herausforderer ist gestürzt, Blatter wird versuchen, daraus einen Vorteil zu ziehen. Dabei war seine Zeit schon vor Bin Hammam längst abgelaufen.

(Text: Jerome Kirschbaum)

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  • Jerome K.

    Jerome schreibt am liebsten über Sport, wenn er denn nicht selbst auf einem Platz steht. Seit Oktober 2010 verdingt sich Jerome als Schreiberling für back view, neben den Leibesübungen widmet er sich sich auch politischen Themen. Im wahren Leben musste Jerome zahlreiche Semester auf Lehramt studieren, um dann schlussendlich doch etwas ganz anderes zu werden.

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Von Jerome K.

Jerome schreibt am liebsten über Sport, wenn er denn nicht selbst auf einem Platz steht. Seit Oktober 2010 verdingt sich Jerome als Schreiberling für back view, neben den Leibesübungen widmet er sich sich auch politischen Themen. Im wahren Leben musste Jerome zahlreiche Semester auf Lehramt studieren, um dann schlussendlich doch etwas ganz anderes zu werden.

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