19:25 min über vier Kilometer – eine gute Leistung. Walter Wagels strahlt, er ist zufrieden. Heute ist er wieder so schnell wie früher, ja, eventuell sogar schneller. Früher, das war vor seiner Lebertransplantation. Der Diplom-Ingenieur der Nachrichtentechnik geht im Jahr 1994 zu einer Routineuntersuchung: Die Leberwerte sind schlecht, soviel erfährt er. Und, dass es kein vorübergehender Zustand ist – auch nicht behandelbar. Wagels hat primär sklerosierende Cholangitis (PSC), eine Autoimmunerkrankung. „Die Leber arbeitet wie ein Rennmotor, verschleißt also schneller”, erklärt er seine Krankheit. Er weiß also, dass es irgendwann ohne Transplantation nicht mehr gehen wird.
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Doch im Jahr 2004 kommt alles anders. Wagels kann nur noch unter starken Einschränkungen sportlich aktiv sein. „Wenn ich am Sonntag beim Sport war, war Montag immer der schlechteste Tag der Woche”, beschreibt er seine damalige Situation. „Selbst beim Spazieren gehen war ich immer hinten dran”.
Am Schreibtisch zu arbeiten, geht gerade noch. 2006 wird er für eine Transplantation gelistet und bereits im Sommer muss er alle Aktivitäten ruhen lassen. Wagels kann eigentlich nur noch im Bett liegen: „Morgens musste ich mich entscheiden, ob ich unter die Dusche gehe, oder lieber mal fünf Minuten vor die Tür. Beides zusammen ging nicht.” Mehrfach muss er zur Notfallversorgung ins Krankenhaus. „Ich konnte nur daran denken wie es weiter gehen sollte – ich hatte Angst.”
Anfang Januar 2007 kommt der ersehnte Anruf. In Tübingen wird die neue Leber transplantiert. Nur drei Wochen ist er in der Klinik, dann kommt er schon wieder nach Hause. Mitte März beginnt er mit der beruflichen Wiedereingliederung und schon ab Ende April kann er wieder voll arbeiten. Gleich nach seiner Entlassung beginnt er einen Kurs „Laufen für Anfänger”.
Er muss wieder ganz von vorne beginnen und bereits nach zehn Wochen ist er im ersten Drittel der Laufgruppe vorne dabei. Die Ausdauer kommt schnell zurück. Doch die Krankheit hat sein Nervensystem stark geschädigt. Reflexe und Automatismen sind weg und die Koordination ist schlecht. „Ich sagte ganz andere Sachen, als ich im Kopf hatte”, erklärt Wagels.
Die Koordinationsfähigkeit erlangt er nur sehr langsam zurück. Das behindert ihn beim Tennis sehr, muss er doch in der Lage sein, schnell reagieren zu können. Zu welchem Schlag setzt der Gegner an? Wohin geht der Ball? Das in Sekundenbruchteilen in eigene Bewegungen umzusetzen, gelingt ihm noch immer nicht so wie früher.
Dann hört Wagels von der Neckar-Bodenseetour, die vom Universitätsklinikum Tübingen und TransDia veranstalten. Er ist vorsichtig und meldet für einen halben Tag. „Es war in der Nähe meines Heimatortes, da hätten mich meine Kinder jederzeit wieder holen können”, sagt Wagels. Die Kinder bleiben zu Hause – auch die nächsten Tage, denn er verlängert und fährt die Drei-Tage-Tour komplett mit.
Am Ende meldet er sich sogar bei TransDia für die nächsten Deutschen Meisterschaften der Transplantierten an, die Anfang Mai 2008 in Marktoberdorf/Allgäu stattfinden. 19:25 Minuten über vier Kilometer, das ist beste Zeit in seiner Altersklasse. „Das ist es, was ich kann”, freut sich Wagels und ist sichtlich stolz darauf, dass er wieder vorne mit dabei ist. Über 10 Kilometer schafft er eine Zeit von 52 Minuten – schneller als vor der Transplantation.
Körperlich fühlt sich Walter Wagels wieder topfit. „Ich fühle mich gesund.” Nur die Abhängigkeit von den Tabletten, welche die Abstoßung des neuen Organs verhindern, stört ihn. „Die muss ich morgens und abends nehmen, sonst ist es aus.”
Seine Ziele: Die Teilnahme bei den 5. Europameisterschaften der Transplantierten und Dialysepatienten in Würzburg im September 2008. „Ich möchte so gut wie möglich sein, meine Position bestimmen. Aber wenn es nicht besser geht als es jetzt ist, dann ist es auch in Ordnung”, sagt Wagels. „Ich freue mich darauf, neue Freunde kennenzulernen und alte wiederzutreffen. Das klingt bescheiden, aber dann legt er noch eine Schippe drauf: „Im Juni laufe ich in Stuttgart einen Halbmarathon – und irgendwann werde ich sicher auch einen ganzen Marathon schaffen.”
(Autor: Peik Bremer / Foto: privat)