Plastik Selbstversuch Russland backview

Unsere Autorin Miriam lebt in Russland. Für sie ist ein Land der Blumenkränze, aber auch eines der Plastikverschwendung. Sie hat den Versuch unternommen, eine Woche so wenig Plastikabfall zu produzieren wie möglich und berichtet hier über den Plastikwahn in Supermärkten und eine nette Oma vom Gemüsemarkt.

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Russland ist für mich ein Land der Faszination, des Wandels, der Gastfreundlichkeit, der Andersheit, der Wildheit, der Natur, der Spaziergänge, der Lagerfeuergitarrenromantik, der Blumenkränze im Haar, der auf der Datscha-Gemüse-Anbauenden-Omas. Russland ist zu meiner zweiten Heimat geworden. Ich lebe gerne hier. Wirklich. Russland ist für mich aber auch das Land des Öls, der Luftverschmutzung, der Wasser- und Stromverschwendung, der Unnachaltigkeit, des Mülls und des Plastiks.

Ich hatte mich immer für einen doch recht umweltfreundlichen Menschen gehalten, der Plastik hasst. Und ich dachte immer, dass ich sparsam bin, was den Plastikmüll angeht.

Plastik Selbstversuch Russland backviewFür diesen Text versuchte ich eine Woche keinen Plastikabfall zu produzieren. Das Ergebnis vorne weg: Ich habe es nicht geschafft. Und ich finde sogar, dass das sehr viel Müll für nur eine Woche ist. Ich hatte mir aber für dieses Experiment vorgenommen, meinen Ess- und Einkaufgewohnheiten treu zu bleiben. Das heißt, zum Beispiel, dass ich normalerweise jeden Tag Haferflocken esse und dies wollte ich nicht aufgeben, nur weil es Verpackungsmüll produzieren würde. Das wäre einfach unnatürlich. Dann könnte man ja auch die ganze Woche in einem Restaurant essen, um keinen Plastikmüll zu verursachen. Ich wollte meinen Gewohnheiten treu bleiben, aber Wege finden, sie vielleicht doch verpackungsfrei zu gestalten.

Das Experiment in Russland

In der Vorbereitung auf dieses Experiment habe ich feststellen müssen, dass ich viel mehr Plastikmüll produziere, als mir bisher bewusst war. Ich habe aber schnell Wege gefunden, wie man einen großen Teil des Mülls verhindern kann. Selbst hier, im Land des Plastiks.

Neben dem krassen Haferflockenkonsum, zählt mein noch viel krasserer Teekonsum zu meinen Gewohnheiten. Ja ein wirklich exzessiver Konsum. Und den Müll, den ich bisher damit verursacht habe, würde wahrscheinlich eine ganze Mülltüte füllen. Denn, was mir bisher nie aufgefallen war, ist, dass die meisten Teebeutel hier entweder nochmals einzeln (!) in einer Plastikverpackung sind oder, dass die Teebeutel an sich aus einem Plastikmaterial bestehen. Zusätzlich ist bei jeder Teepackung, die Packung nochmal mit einer dünnen Plastikfolie überzogen.

Ich habe jetzt also einen Tee gefunden, in dem die Beutel nicht nochmals einzeln verpackt sind und die Beutel auch nicht aus Plastik bestehen. Ja, sicherlich wäre es noch besser, wenn ich losen Tee kaufen würde. Eine der größten Quellen des Plastikabfalls, die Plastiktüten, die an der Kasse ausgegeben werden, sind leicht mit einem Jutebeutel zu vermeiden. Und das mache ich ohnehin schon immer so.

Die zweite, wohl fast noch schlimmere Quelle an Plastikverschwendung sind die kleinen Tüten für Gemüse und lose Lebensmittel. Hier habe ich gemerkt, dass ich diese bisher in Massen verwendet habe. Manchmal habe ich sogar eine ganze Bananenstaude in eine Plastiktüte gepackt! Verrückt, wenn man bedenkt, dass man das Etikett auch einfach direkt auf die Bananen kleben kann.

Und als ob es damit nicht genug wäre, wird man von den Kassiererinnen bis in die Lächerlichkeit mit weiteren kleinen Plastiktüten bombardiert. Da werden Waschmittelkartons, Butter, Milchtüten oder Haferflocken nochmals einzeln eingepackt. In mir schreit dann immer eine wahnsinnige Stimme „LASST MICH IN RUHE MIT EUREN TÜTEN!“.

Verrückt oder wahnsinnig? Das ist hier die Frage

Der eine oder andere Leser mag nun denken, dass die Autorin dieses Textes irgendwie verrückt sei. Das mag sein, die Autorin glaubt aber, dass die Tütenfanatikerinnen wahnsinnig sind. Die Fanatikerinnen bombardieren nämlich gelegentlich weiter mit ihren Plastikgeschossen, obwohl man sagt, dass man keine Tüte benötige. Verrückt!

Um meine Verwandlung in eine Plastiktütenfanatikerin zu stoppen, hebe ich die Tüten jetzt auf und nehme sie mit in den Laden, um wieder neues Gemüse dort hinein zu packen. Außerdem habe ich herausgefunden, dass es in einem der größten Supermärkte hier, eine riesige Abteilung mit unverpackten Lebensmitteln gibt, die weit über das gewöhnliche Gemüse und Obst hinausgeht.

Die Auswahl reicht dort von getrockneten Früchten, über Gewürze, Müsli, Nüsse und Kerne bis zu Reis und Nudeln. Die Lebensmittel muss man zwar auch in Plastiktüten packen und wiegen, man kann die Tüten aber wenigstens wiederverwenden und dadurch auch Verpackungsmüll sparen, indem man größere Mengen kauft.

Mein Fazit aus Russland

Dieses Experiment hat mich auch dazu bewegt, dass erste Mal in Russland auf dem Markt einzukaufen. Im Winter ist das Angebot zwar ein wenig deprimierend, aber gleichzeitig ist es ein Raum frei von verrückten Kassierern, die mit Plastiktüten um sich werfen. Die Oma, bei welcher ich meine Kartoffeln kaufe, freut sich sogar, als ich ihr sage, dass ich keine Tüte brauche. Ich solle sie doch Elena nennen, sie sei öfter hier und, wenn ich das nächste Mal komme, werde sie sich an mich erinnern. Außerdem seien ihre Kartoffeln von der heimischen Datscha. Ob das stimmt weiß ich natürlich nicht, ich möchte ihr das aber glauben, weil regionales Einkaufen ja auch umweltfreundlich ist.

Ja, Russland ist ein Land des Plastikwahnsinns, aber Russland ist auch ein Land der Datschas und des eigen angebauten Gemüses. Die größte Erkenntnis aus diesem Selbsttest, ist für mich nicht einmal mein eigener großer Plastikverbrauch, auch nicht die große Akzeptanz für Plastik in Russland, sondern, dass ich viel bewusster einkaufe. Und, dass ich viel mehr wahrnehme, was ich wirklich konsumiere und welchen Abfall ich damit produziere.

Omas Kartoffeln waren übrigens die besten, die ich diesen Winter gegessen habe.

(Text und Fotos: Miriam Gräf)

Autor

Von GrafM

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