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Dimitri Medwedew und Vladimir Putin

Die Matrjoschka ist meist weiblich und steht für Fruchtbarkeit und Mütterlichkeit; aber es gibt auch männliche Modelle dieser bunt bemalten eiförmigen Holzpuppe, die aus mehreren Teilen besteht, die sich ineinander verstecken. Die männliche Matrjoschka steht für Kriegstüchtigkeit und Stärke – zwei Eigenschaften, die mehr denn je für die russischen Machthaber gelten.


Russland müsse massiv aufgerüstet werden, sagte Vladimir Putin jüngst in einem Zeitungsinterview. Doch der formal mächtigste Mann Russlands ist zurzeit noch Dimitri Medwedew, der für die Süddeutsche Zeitung nur ein „Platzhalter im Kreml” ist. Wie steht es um ihn und seine politische Laufbahn?

Er hat seinen Hut gar nicht erst in den Wahlkampf geworfen, sondern gleich Putin vorgeschlagen für die Wahlen. „Das ist eine tief durchdachte Entscheidung, die wir seit dem Beginn unserer Kameradschaft besprochen haben. Dass wir das nicht früher bekanntgegeben haben, ist eine Frage der politischen Zweckmässigkeit”, begründete er diesen Vorschlag auf dem Parteitag von „Einiges Russland” vergangenen Herbst. Doch dieses letzte Wort könnte treffender nicht sein: Medwedew war nur ein Mittel zum Zweck für Putin, dem Zweck, Medwedew nach den vier Jahren sofort wieder abzulösen.

So war er nur die aktuelle äußere Hülle der Matrjoschka, die ihren „wahren Kern” erst nach den Wahlen im März wieder präsentiert: Putin, den einzigen starken Mann im Land. Der Wahlkampf wird von Putinbildern dominiert, Medwedew hält still und die Russen haben erkannt, dass er nur vier Jahre den Thron für Putin warm gehalten hat.

Dokumentarfilmer Hubert Seipel hat ein Porträt über Putin gedreht, dass der “Spiegel” unter der Überschrift „Der Straßenjunge” vorgestellt hat. (Anm. d. Red.: Der Film „Ich, Putin”  läuft am 27. Februar um 22:45 Uhr in der ARD.) Der Spiegel stellte kürzlich die Frage, die man sich stellt, bevor man eine Dokumentation über den früheren und wohl auch neuen mächtigsten Mann Russlands dreht: „Wie ist es eigentlich, Putin zu sein?”.
Die Spiegel-Autoren haben aus dem Dokumentarfilm eine eindeutige Message gezogen: „Die Szenen, die Seipel zusammenträgt, geben eine klare Antwort: einsam. Da ist Putin nachts allein beim Eishockeytraining in menschenleerer Halle. Putin morgens im Schwimmbad, wieder allein, nur begleitet von Labrador-Hündin Koni, die dem Premier durchs Gesicht schleckt.”

Die Journalistin Anna Politkovskaja hat das „System Putin” nicht überlebt, weil sie kritisch über Themen wie den Tschetschenienkrieg berichtet hat. Sie hat im SZ-Magazin bereits im Jahr 2005 einen Artikel über Putin mit ähnlichem Titel geschrieben: “Ich, Putin, Präsident und Diktator. Schritt für Schritt schafft Wladimir Putin die Demokratie in Russland ab. Der Westen schaut zu und hofiert ihn weiter.”
Sieben Jahre sind seitdem vergangen. Heute kann und muss man sich fragen: Hat sich in der Zeit zwischen Politikovskajas Artikel und dem Dokumentarfilm von Hubert Seipel irgendetwas geändert in Russland? Vielleicht müsste man die Matrjoschka-Künstler fragen.

Dimitri Medwedew und Vladimir Putin werden in den kommenden Jahren sicherlich ungerne ein Stück ihrer mächtigen Position abgeben. Medwedew konnte natürlich politisch von seiner zugeschobenen Rolle als “Hülle” für Putins “Kopf” profitieren. Doch Vertrauen und Glaubwürdigkeit verlieren auf diese Weise immer mehr an Bedeutung in der russischen Politik.

(Text: Nina Nickoll)

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