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Wohin mit all den Studierenden?

Die Bundeswehr wurde und wird reformiert – viele Änderungen, viel Papierkram. Diese Entwicklungen haben aber nicht nur Auswirkungen auf die Bundeswehr und soziale Einrichtungen. Auch die Universitäten stehen vor einer Herausforderung, die gerade in den kommenden Jahren – durch doppelte Abiturjahrgänge – doppelt einschlagen wird.
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Mit der Einführung von G8, also der Verkürzung der Gymnasialzeit auf acht Jahre, kommen intensive Zeiten mit Jahrgängen in doppelter Stärke auf einige Universitäten in Deutschland zu. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise wurden dieses Schuljahr die Oberstufen zusammengelegt, die dann 2013 gemeinsam ihr Abitur ablegen. Zahlenmäßig überragen diese „doppelten” Oberstufen die alten teilweise um Längen.  Damit wird es in NRW 2013 einen Ansturm auf die Unis und freien Plätze geben. In Bayern und Niedersachsen gibt es schon in den kommenden Monaten zwei Jahrgänge, die innerhalb kurzer Zeit die Schule verlassen werden. 2012 folgen die Bundesländer Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg und Bremen.

G8 sei Dank – noch früher in der Warteschleife für das Studium, noch früher auf dem Arbeitsmarkt oder halt noch früher in der Arbeitslosigkeit. Turbo-Abi olé! Die sukzessive Verkürzung der Schuljahre und das dadurch noch verschärftere Aussieben könnten nun auch zum Bumerang für die Bundespolitik werden.
Und zur Verkürzung der Abiturzeit auf zwölf Jahre kommt nun in den Bundesländern die Aussetzung der Wehrpflicht hinzu. Was wiederum weitere Frühbewerber auf Studienplätze anspült, da sich nun sicherlich ein Großteil Schüler kurz nach der finalen Zeugnisvergabe für ein Studium bewerben wird. Die Abiturienten können jetzt ohne einjährige Wartefrist aufgrund von Wehr- oder Zivildienst auf die Universitäten wechseln.

Universitäten schon überfüllt
Bereits jetzt sind deutschlandweit die Seminare und Vorlesungen überbelegt, reihenweise fehlen Abschlussprüfer. Die Kritik an den Studienbeiträgen hielt in NRW beispielsweise so lange an, dass sie vorraussichtlich im nächsten Wintersemester wieder abgeschafft werden. Wenige Universitäten  bundesweit haben nach den studentischen Protesten im vergangenen Jahr ihre Semesterbeiträge testweise abgesenkt, um sie nun wieder anzuheben. Es war nicht unbedingt so, dass sich durch die neuen Gelder die Studienbedingungen allgemein nachhaltig verbessert hätten.

Mit neuen Bewerbern, die dann nach nur zwölf Schuljahren und ohne Wehrdienst in die Uni flitzen, wird auch der Numerus Clausus bei den Universitäten zwangsläufig verändert. Mehr Bewerber bedeutet, dass die wenigen Plätze noch begehrter und umkämpfter sein werden.  Es gibt keine konkreten Ausarbeitungen und Pläne, die der Öffentlichkeit zeigen, wie dagegen vorgegangen werden soll. Wenn nicht massiv neue Gelder für Lehrende, neue Plätze und Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden sollten, wird das Sieb der Selektion weiter anwachsen.

30 Prozent mehr Anwärter
In Wuppertal an der Bergischen Universität rechnet man mit bis zu 30 Prozent mehr Bewerbern durch die neuesten Umstellungen. Mit ähnlichen Zahlen kann dann sicherlich auch in weiteren Städten der Republik gerechnet werden. In Großstädten kann der Andrang sogar noch weiter steigen oder Studierende weichen in kleinere Universitäten aus, um dort – bei eventuell etwas weniger Konkurrenz – ihr Glück zu versuchen.

Die Änderungen im Schulwesen wie auch bei der Bundeswehr werfen für die Hochschulen viele Fragen und Probleme auf, die heute nur schwer einschätzbar und vorhersagbar sind. Für Antworten muss auch die Politik sorgen, denn sonst wird es ganz schnell heißen: Wohin mit all den angehenden Studenten?

(Text: Jerome Kirschbaum)

Jerome K.

Jerome schreibt am liebsten über Sport, wenn er denn nicht selbst auf einem Platz steht. Seit Oktober 2010 verdingt sich Jerome als Schreiberling für back view, neben den Leibesübungen widmet er sich sich auch politischen Themen. Im wahren Leben musste Jerome zahlreiche Semester auf Lehramt studieren, um dann schlussendlich doch etwas ganz anderes zu werden.

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