Wo sich die Mächtigsten der Welt zum Gipfel treffen, sind auch Gegengipfel nicht weit. Ein kommentierender Blick auf den „Handlungsaufruf Hamburg”, das Gründungspapier des „World Future Council”.
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Vier Wochen vor dem G8-Gipfeltreffen wird in Hamburg getagt: Es gilt die seit 2004 vorbereitete Gründung eines „Weltgewissen” abzuschließen. Dieses „World Future Council” ist eine internationale Vereinigung, deren 50 Vertreter sowohl aus Politik, Bürgerrechtsbewegungen und Kunst, als auch Wirtschaft und Wissenschaft stammen. Zu den bekanntesten Mitgliedern zählen die vielfach ausgezeichnete Menschenrechtsaktivistin Bianca Jagger oder die ehemalige Oberbürgermeisterin Heidelbergs Beate Weber.
„Veraltete Regeln und wirtschaftliche Dogmen dürfen unsere gemeinsame Zukunft nicht gefährden.” – Das Papier hält sich nicht zurück mit drastischen Beschreibungen der aktuellen Lage, droht gar mit dem Untergang der Menschheit. Eine Aufforderung zum Handeln und Umdenken, gar als „heilige Pflicht”, bestimmt den Ton. Legitimiert sieht man sich durch das „Geburtsrecht unserer Kinder auf einen gesunden Planeten”.
Doch es bleibt nicht nur bei abstrakten Forderungen nach Gerechtigkeit, sondern es folgen konkrete Forderungen. Man habe den Akzent auf die Herausforderungen des Klimawandels gesetzt, da viele weitere Probleme aus der Verschärfung des Klimas entstehen könnten. In zwei Büchern der Organisation werden Konzepte wie die „Energie-Einspeise-Gesetzgebung” und ähnliche Strategien zur Milderung des Klimawandels gelobt.
Der „Handlungsaufruf Hamburg” sieht sich bewusst nicht als idealistische Schwärmerei oder politische Richtung, sondern leitet den Handlungsbedarf aus den Gesetzen der Natur ab. Leider will man dem „politischen Realismus” der Forderungen jedoch angesichts der Streuung der Agenda dann doch nicht so recht glauben: Diese reicht von der Abschaffung von Landminen und Atombomben über die Versorgung mit Bildung und Gesundheit bis hin zu Demokratie, Währungssystem und UN-Reform.
Ob diese Wollmilchsau-Mentalität auf nur zwei Seiten Papier positiv als Spiegel der Vielfalt der Mitglieder zu sehen ist oder negativ als deren Profillosigkeit vor lauter Worten wie Schall und Rauch – es mag wohl doch vom Idealismusquotienten des Lesers abhängen.
Es bleibt abzuwarten, ob der Ruf aus Hamburg bis nach Heiligendamm reicht, doch angesichts der vielen Beschwerden über die Reduzierung der Gipfelkritik auf Krawalle kann man nicht oft genug in Manifesten der „Zukunftsseher” lesen. Vielleicht gelingt dem „World Future Council” durch seine Vernetzung mit Tausenden Organisationen und Personen ja, was „Vereinte Nationen”, „Parlament der Weltreligionen” oder „Weltsozialforum” nur in Bruchstücken erreicht haben. Zu wünschen wäre es dieser Welt.
(Text: Sebastian Helwig)