Bevor ich mich der Arbeit zuwende, scrolle ich während des Frühstücks gelangweilt durch Facebook. Dabei stoße ich auf einen Beitrag, in dem behauptet wird, dass Tampons mit Glyphosat belastet sind. Mein erster Gedanke: Was für ein Bullshit! Beziehungsweise Fake-News, wie es neuerdings heißt. Desinteressiert schalte ich mein Tablet ab und beiße in den Keks.[divide]
Nachdem der Kaffee geleert ist, keimt Neugierde in mir auf, die üblicherweise noch über dem Verlangen nach Schokolade steht. Was ist, wenn doch etwas an der Sache dran ist? Schließlich weiß jeder, dass Glyphosat nicht gerade die glorreichste Erfindung unserer Generation ist (einige Großkonzerne einmal ausgenommen). Tampons, Wattestäbchen, Pflaster und Binden werden aus Baumwolle hergestellt. Wenn das Totalherbizid also beim Anbau Anwendung findet, könnte es rein theoretisch Rückstände enthalten.
Also begebe ich mich auf Spurensuche und stoße auf einen Onlineartikel der taz. Hierin wir über ein Forscherteam berichtet, das den Glyphosatgehalt in der Luft bestimmen wollte. Da die Filtersysteme aus Baumwollgewebe bestanden, kam es immer wieder zu fehlerhaften Ergebnissen. Schnell stellte sich heraus, dass die Filter selbst mit Glyphosat belastet waren. In einer wissenschaftlichen Analyse konnte anschließend eine Kontaminierung des Baumwollgewebes nachgewiesen werden. Inzwischen weiß man von einer Belastung bei 85% aller Hygieneartikel. Ein Quercheck über andere Quellen, bestätigt das schockierende Ergebnis.
Jetzt muss ich mich zurücklehnen und erstmal tief durchatmen. Denn geht es hierbei um einen Angriff auf meine Vagina (und die Gesundheit)! Ich muss mich wieder beruhigen. Schließlich gibt es noch einige Details zu klären. Und vielleicht ist alles nur halb so schlimm. Zum Beispiel weiß ich nicht eindeutig, wie hoch die enthaltene Giftdosis ist, wie Glyphosat auf den Organis-mus wirkt und was das überhaupt für ein Teufelszeug ist.
Das Pflanzenschutzmittel hat eine eigene Webseite, auf der ich erfahre, wie wunderbar einfach und kosteneffektiv damit Unkraut beseitigt werden kann. Auf den zahlreichen Bildern sehe ich grüne Wiesen, einen strahlend blauen Himmel, Getreidefelder, Schmetterlinge und Käfer auf saftigem Grün. Es wird von Schutzmittel gesprochen und leichteren Ernten. Auf der Suche nach möglichen Risiken für Mensch und Umwelt verweist der Betreiber der Seite auf die Gesetzgeber, und wie kompliziert die Aufnahme eines neuen Wirkstoffs in die Positivliste sei. Da die EU Kommission in ihrem Fall kein unzumutbares Risiko festgestellt hat, darf das Mittel eingesetzt werden. Der selbstkritisch anmutende Artikel endet mit dem entscheidenden Vorteil, dass lediglich eine geringe toxische Wirkung auf Tiere und Menschen besteht.
Mit dieser Information könnte ich das Thema ruhen lassen, wenn es nicht überaus kontrovers diskutiert werden würde, und die Definition von Toxizität nicht nur die Dosis, sondern auch die Dauer der Giftzuführung beschreibt. Darüber hinaus kann ich gut nachvollziehen, dass der Her-steller seine Produkte verkaufen will. Wenn ich selbst ein eigenes, tolles Produkt erfunden hätte, würde ich ebenso nicht mit den Schwachstellen und Nachteilen in die Werbung gehen, sondern mit den grandiosen Vorteilen. Ich brauche also neutrale Quellen und stoße auf einen aktuellen Artikel von T-Online. Dort heißt es in diesem Zusammenhang: Umweltverbände warnen eindringlich vor Schäden für die Umwelt und den Menschen. Weiterhin schreibt der Onlinedienst: In der Bevölkerung und bei Fachexperten herrscht große Unsicherheit über mögliche Gesundheitsrisiken und Belastungen für die Umwelt.
Ich erfahre, dass das Umweltbundesamt vor Langzeitfolgen beim Einsatz des Total-Herbizids warnt. Die Zahl der Pflanzen gehe in den vergangenen Jahren bereits stark zurück, womit Insekten und Vogelarten die Lebensgrundlage entzogen wird. Der Naturschutzbund stellte einen massiven Rückgang der Biodiversität durch den Einsatz dieses Pestizides fest (also der Lebensräume, die Vielfalt der Arten und die genetische Vielfalt).
Die Albert Schweitzer Stiftung schreibt dazu, dass die Gesamtmenge des weltweit eingesetzten Glyphosats bei circa 1 Millionen Tonnen pro Jahr liege, und eine Steigerung in den kommenden Jahren zu erwarten sei. 2010 machte Monsanto durch Roundup (Glyphosat mit beigemengten Zusatzstoffen) einen Umsatz von 2 Milliarden US-Dollar. Aktuell erwirtschaftet der Konzern über 14 Milliarden US-Dollar (Gewinn rund 2,3 Milliarden).
Um mir diese Zahl leichter vorstellen zu können, rechne ich kurz um, und komme auf einen Nettogewinn von über 63.000 $ jeden einzelnen Tag. Eine Menge Geld. Eine Menge Macht. Doch die Vergiftung verläuft schleichend, und wir bemerken die fehlenden Tierarten nur höchst selten, auch wenn es immer wieder einen leisen Aufschrei der Imker gibt, denen die Bienenvölker wegsterben.
Vermutlich werden wir die Veränderungen der Umwelt und unserer Gesundheit erst in der Zukunft sehen und erleben. Dann, wenn es kein Zurück mehr gibt. Es wäre nicht das erste Mal, dass Verantwortung kaum eine Rolle spielt, wenn es um Geld geht.
Jetzt will ich noch klären, wie schädlich Glyphosat für unsere Gesundheit ist. Vielfach nachgewiesen wurde, dass der Wirkstoff nicht auf den Feldern verbleibt, sondern über die Nahrungskette und das Wasser in unseren Körper gelangt. Wie Spiegel-Online im letzten Jahr schreibt, sind laut einer Untersuchung der Heinrich Böll Stiftung, 75% der Deutschen deutlich mit Glyphosat belastet (das Fünffache des Grenzwertes, der im Wasser zugelassen ist). Im Urin wurden bei 99% von 2000 beteiligten Probanden Rückstände nachgewiesen.
Bei Glyphosat handelt es sich laut global2000.at um ein Pestizid, das in Tierversuchen hormonelle Wirkung zeigt und in zahlreichen wissenschaftlichen Studien mit Störungen der Fortpflanzungsfähigkeit und der embryonalen Entwicklung in Zusammenhang gebracht wird. Die Schweizer weisen darauf hin, dass ein gesundheitliches Risiko bereits bei kleinsten Dosierungen bestehe. Die Internationale Krebsforschungsagentur stuft Glyphosat in der zweithöchsten Gefahrengruppe 2A ein („wahrscheinlich krebserregend bei Menschen“). In einer argentinischen Untersuchung führte die Gabe von Roundup bzw. Glyphosat zu Missbildungen bei Frosch- und Hühnerembryonen (ökotest.de). Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sieht Glyphosatmischungen mit Tallowamin als besonders kritisch, da der Zusatzstoff für eine bessere Aufnahme von Glyphosat durch Pflanzen und tierische (also auch menschlichen) Zellen sorgt. Dementsprechend wurden Grenzwerte festgesetzt, die in Lebensmitteln nicht überschritten werden dürfen. Dagegen steht, dass nach deutschem Recht ein krebserregender Stoff in jeglicher Menge schlichtweg verboten werden muss, da sich die Frage nach der Dosis erst gar nicht stelle.
Nunmehr wird das Gift seit über 40 Jahren auf unsere Felder aufgebracht und verschwindet nicht im Irgendwo. Die Welt wir damit angereichert und es wird mehr und mehr. Heute können wir bereits überall Rückstände finden. In erster Linie natürlich direkt auf Obst und Gemüse, welches sich nicht durch bloßes Abwaschen beseitigen lässt. Es ist weiterhin in tierischen Produkten enthalten, in Getreide, Brot, Bier und Honig, der Hirse, in der Sonnencreme und meinen Tampons. Eigentlich will ich überhaupt nicht mehr wissen, was noch damit belastet ist.
Bei all den vielen Quellen, die das Thema im Laufe der Jahre aufgegriffen haben, scheint es genügend erdrückende Zweifel, schlüssige Forschungen und mögliche Langzeitschäden zu geben. Und dennoch ist keine Regierung der Welt imstande, das Gift dem eigenen Volk mit entsprechenden Direktiven zu ersparen? Spontan denke ich an Rückständigkeit, bis mir wieder die großen Geldmengen einfallen, um die es immer geht. Das Geld ist der wahre Apostel. Wo es aufs Geld ankommt, verlieren alle sozialen, politischen, religiösen und nationalen Vorurteile ihre Geltung“, sagte bereits im 18. Jahrhundert Rudolf von Jhering.
Bund.net hat sich zur Aufgabe gestellt, über die synthetisch hergestellten Chemikalien zu informieren, die in den Stoffwechsel gelangen können. In der ToxFox App sind Kosmetikprodukte gelistet, bei denen besonders besorgniserregende Stoffe laut Angaben der Hersteller und eine EU-Liste angegeben sind. Ob das genügt, werde ich mit eigenen Tests und Vergleichen erst herausfinden müssen. Bei der Suche nach meinen Tampons wird der Artikel zwar angezeigt, aber der Eintrag enthält noch keine Informationen.
Vorerst suche ich mir einen Biobauern in der Nähe, der weder das Saatgut, noch den Dünger von Monsanto (Hersteller von Glyphosat) verwendet. Was meine Tampons betrifft, suche ich nach den Methoden unserer Vorfahren. Schließlich müssen die das gleiche Problem gehabt haben. Die Geschichte schreibt von gerolltem Pergament vor 2000 Jahren. Als Vorläufer der Damenbinden wurden Tierpelze und Schwämme während der Regelblutung verwendet. Die Menstruationstasse, eine Erfindung aus den 50er-Jahren gibt es auch heute noch, auch wenn die Mehrzahl der Frauen die Binde oder den Tampon bevorzugt. Ob ich mich mit dieser Alternative anfreunden kann, bleibt abzuwarten.
Jedenfalls weiß ich nun, dass manche Meldung, die ich über den Tag aufschnappe und die auf den ersten Blick wie Fake-News aussieht, durchaus seine Berechtigung hat. Um das herauszufinden braucht es Neugier, Zeit und eine gehörige Portion Kaffee. Obwohl … Bei der Sache mit dem Kaffee muss ich noch schnell etwas nachprüfen.