Seit den jüngsten Aufständen in einigen arabischen Ländern finden die ersten friedlichen Demonstrationen auch in dem Nachbarland Saudi-Arabiens statt: dem Jemen. Dass der Norden und der Süden Jemens nie wirklich geeint waren, wird dabei besonders spürbar.
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Bereits seit 1978 ist Ali Abdullah Salih Staatsoberhaupt des Jemens. Zum damaligen Zeitpunkt lediglich Präsident des Nordens, ist Salih seit der Wiedervereinigung von Norden und Süden Präsident der Republik Jemen. Jedoch erst 1999, als die ersten demokratischen Wahlen stattfanden, wurde Salih offiziell als Regierungschef bestätigt. Nach seiner Wiederwahl 2006 für weitere sieben Jahre, muss Salih gemäß der Verfassung 2013 auf eine Kandidatur verzichten.
Aufgrund dessen, dass Salih in seiner Stellung eine gewisse Unabhängigkeit vom Parlament hat, ist es dem Staatsoberhaupt möglich, autokratisch über politische Geschehnisse im Jemen zu bestimmen. Denn Salih ist von vielen umliegenden arabischen Ländern und vor allem von Amerika gefürchtet: Er schürt Terrorängste, indem er schonungslos gegen al-Qaida und gesellschaftliche Minderheiten wie die Huthis vorgeht. Hinter den Huthis steht ein schiitischer Bevölkerungsstamm.
Im Huthi-Konflikt wurde seit 2004 vor allem für Entwicklung gekämpft, nachdem der Norden des Jemens über Jahre hinweg aufgrund seiner schiitischen Gesinnung vernachlässigt wurde und wirtschaftlich verkümmerte. Salih hingegen vergleicht die Huthi mit der libanesischen Hisbollah, vermutet Unterstützung der Rebellen aus dem Iran und behauptet ihr Anliegen sei, das Regime zu stürzen.
Aus seinem Misstrauen resultierten in den Folgejahren Kriege, die den Jemen und seine Bevölkerung enorm schwächten. Nicht ohne Grund ist das Land in einem Ranking von den reichsten bis hin zu den ärmsten Ländern auf Platz 148 von insgesamt 175 gelandet. Der Großteil der Bevölkerung lebt aufgrund der mangelnden Versorgung am Existenzminimum. Sechs Kriege trafen das Land bereits, vor allem der Norden ist verwüstet und ein Drittel der Jemeniter leiden Hunger und Durst. Von den 23 Millionen Einwohnern muss die Hälfte mit zwei Dollar am Tag auskommen. Hohe Arbeitslosigkeit und knappes Grundwasser bilden nach wie vor Konfliktpotential und befeuerten den Protest in der Hauptstadt Sanaa vor wenigen Tagen.
Zehntausende fanden sich am Donnerstag, den 3. Februar 2011, zusammen, um gegen die andauernden Missstände zu demonstrieren. Auslöser waren unter Anderem mehrere Verhaftungen. Im Gegensatz zu Ägypten und Tunesien verliefen die Demonstrationen jedoch friedlich, das Hauptinteresse der Jemeniter besteht darin, den autokratischen Präsidenten zu stürzen, der seit Jahrzehnten Zivilisten bei Angriffen auf Huthi-Hochburgen tötet, die ihm von den USA zur Verfügung gestellten Anti-Terror-Gruppen für seine Zwecke missbraucht und sein Land mit voller Geschwindigkeit an eine Wand zu fahren droht. Mittlerweile spricht sich der Süden bereits wieder für eine Teilung aus.
Ali Abdullah Salih muss reagieren. Die wachsenden Proteste haben zur Folge, dass der Präsident seinen Plan, die Verfassung zu ändern, um somit lebenslang herrschen zu können, auf Eis legen muss. Zudem beteuerte er, dass ebenso wenig sein Sohn 2013 die Nachfolge antreten würde. Die Unglaubwürdigkeit Salihs ist jedoch unumstritten. Er beschuldigte bereits des Öfteren den Iran der Tatsache, dass er die Huthis mit Waffenlieferungen unterstützen würde. Seine Anschuldigungen erwiesen sich jedes Mal als grenzwertig und ohne jedwede Evidenz. Somit ist auch umstritten, ob Salih und seine Anhänger sich tatsächlich 2013 zurückziehen werden.
Unklar ist auch, was bei einem tatsächlichen Rückzug Salihs geschehen würde. Die Angst ist groß, dass der Jemen sich in eine ähnliche Lage wie Somalia manövriert. Unabhängigkeit würden sich sowohl der Nord- als auch der Südteil des Landes gerne erstreiten, der Bürgerkrieg im Norden forderte bereits zu viele Opfer.
Der sozialistischen Opposition wird vom Menschenrechtler Khaled-al Anesi nachgesagt, sie habe Angst vor einem Sturz des Regimes. Durch die über dreißig Jahre andauernde Amtszeit Salihs ist ein Kandidat der Opposition unter Umständen gar nicht erst mehrheitsfähig.
Es bleibt abzuwarten, wie die Parlamentswahlen am 27. April ausgehen werden. Eines steht jedoch fest: Ein strukturelles und politisches Umdenken ist auch im Jemen nötig – und das nicht erst seit der vergangenen Wochen.
(Text: Ronja Heintzsch)