BrennpunkteGesellschaft

Keine Schokonikoläuse mehr im September!

Es ist immer dieselbe Leier. Jahr um Jahr um Jahr. Es sind alljährlich wieder drei Tage, die so viel überflüssige Hektik und Stress mit sich bringen, obwohl sie sich „Besinnlichkeit” auf die Stirn schreiben. Drei Tage, die mehr Chaos verursachen als sonst etwas.
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Weihnachten. Ja Weihnachten. Tatsächlich, schon wieder? Was? Es ist schon Mitte Dezember? Nun gut, okay. Augen zu und durch, ein paar Tage, dann ist es ja wieder überstanden. Bis zum nächsten Jahr. Ich habe wirklich versucht, alles zu verdrängen – und es hat auch ganz gut geklappt. Den Adventskalender hab ich meinem Bruder gegeben, ich mag diese ehemals Osterhasenschokolade nicht und verstehe auch nicht, wie man Schokolade so verunstalten kann.

Nun gut, das Chaos tobt wohl schon seit Wochen um mich. Ja, die Planung. Was wird gegessen? Welcher Wein? Wer kommt wann an? Wer schläft wo? Und so weiter und so fort. Es ist immer schon Wochen im Voraus ein totales Chaos. Und ein totaler Stress. Und das Ganze für ein ursprünglich christliches und besinnliches Fest, obwohl neunzig Prozent der Anwesenden in meiner Familie Atheisten sind.

Warum jedes Jahr das Ganze? Ist das nicht irgendwie lächerlich? Irgendwie heuchlerisch?

Ja, auf eine Weise ist es das doch sehr. Weihnachten nervt mich bereits, wenn im September die ersten Nikoläuse die Ladenregale füllen. Weihnachten nervt mich noch mehr, wenn der erste Advent ist und man in der Schule einen riesigen Adventskranz in der Aula aufhängt. Weihnachten nervt mich am meisten, wenn man gezwungen ist, auch noch Geschenke in einer völlig überfüllten Stadt zu kaufen, obwohl man stattdessen sogar lieber Mathe lernen würde.

Mal ganz ehrlich, ein überdimensionaler Adventskranz in einer – ach so demokratischen – Integrierten Gesamtschule? Ist das nicht ein bisschen zu viel? Ein bisschen viel zu viel? Dieser ganze Stress wegen eines christlichen Festes, das mehr und mehr zur Kommerz-Aktion des Jahres mutiert? Diese Strapazen, obwohl der Großteil der Gesellschaft nicht einmal gläubig ist und damit dem eigentlichen Sinn des Weihnachtsfestes gar nicht Rechnung trägt. Was erhoffen sich die Menschen, wenn sie an Heiligabend in die Kirche gehen, aber das ganze Jahr über nicht?

Okay, Weihnachten feiern als Atheist ist das eine, aber in den Gottesdienst gehen als Atheist? Nein, definitiv, das ist zu viel. Da hört jedes Menschenverständnis auf. Ich brauche kein Weihnachten. Nein, wirklich nicht. Nicht aus spirituellen Gründen, nicht aus traditionellen Gründen, nicht aus materialistischen Gründen. Geschenke kann ich das ganze Jahr über machen – ohne diesen Druck. Da freut sich auch der Beschenkte mehr.

Wenn der ganze Trubel vergessen ist, man am Tisch sitzt, zusammen. Dann ist das der einzige Moment, an dem ich Weihnachten genießen kann. Weil man aus dem Chaos der Welt gezogen ist, weil man einfach mal mit der Familie zusammen sitzt und sich unterhalten kann. Weil man mal den ganzen Stress vergisst. Dann ist Weihnachten gut, aber dann ist das auch kein Weihnachten mehr. Dann ist das ein kurzer Moment, in dem man mit Menschen zusammen ist, mit welchen man wenig Zeit verbringen kann, wenig und seltene Zeit, die stressfrei ist. Dafür brauche ich aber keinen Adventskranz, keinen Adventskalender, keinen Weihnachtsbaum und kein Geschenke-Kauf-Massaker.

(Text: Miriam Gräf)

Miriam G.

Wenn Miriam nicht gerade durch Russland reist, dann schreibt sie darüber. Ansonsten erzählt sie noch gerne von der großen Liebe oder schreibt Hassreden gegen Schokonikoläuse. Miriam ist freie Journalistin für verschiedene Online Medien, darunter generationanders.com und to4ka-treff. Seit 2013 ist sie Mentee im Mentorenprogramm der Jugenpresse und Jungejournalisten.de

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