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“Der Leidensdruck ist noch immer nicht groß genug”

Über 70 Prozent des Mülls im Meer besteht aus Plastik, das jedes Jahr zehntausenden Tieren das Leben und auch uns Menschen gefährdet. Unser Autor hat deshalb mit Jörn Ehlers, von der Umweltstiftung WWF, gesprochen. Die Organisation setzt sich seit vielen Jahren gegen die wachsende Verschmutzung der Weltmeere durch Kunststoffe und Plastikmüll ein.

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back view: Unsere Weltmeere werden immer mehr zum Sammelbecken für Plastikmüll. Wie hoch ist die Verschmutzung tatsächlich?
Jörn Ehlers: Das Problem ist schon jetzt gigantisch und es wird noch schlimmer: man schätzt das pro Jahr rund zehn Millionen Tonnen Plastik in den Meeren landet und die Problematik nimmt noch zu. Ein Grund ist der wachsende Konsum in den Schwellenländern. Der Aufbau vernünftiger Entsorgungsstrukturen hält dem Tempo nicht stand.

Jörn Ehlers WWF backview
Jörn Ehlers von WWF bei einer Aktion für Pandas.

Warum ist das Plastik eine tödliche Gefahr für die Meerestiere?
Fische, Schildkröten oder Seevögel verwechseln das Plastik mit Nahrung und gehen daran oft jämmerlich zugrunde. Hinzu kommt die schleichende Vergiftung. Plastik zersetzt sich sehr langsam in immer kleinere Teilchen, die von Mikroorganismen aufgenommen werden und gelangt so der Kunststoff in die Nahrungskette. Letztlich holt das Thema die Menschen dadurch früher oder später wieder ein. Hinzu kommt die Problematik der so genannten Geisternetze. Das sind Fischernetze, die über Bord geworfen oder verloren gegangen sind. Diese Netze sind nicht wie früher aus Hanf oder Sisal sondern aus Plastik und fischen noch jahrzehntelang weiter. Man schätzt, dass bis zu zehn Prozent des Plastikmülls in den Ozeanen aus alten netzen besteht.

Was sind die Hauptprobleme dafür, dass die Verschmutzung immer schlimmer wird?
Ein Großteil des Mülls gelangt über die Flüsse in die Meere. Das betrifft einmal Gifte und Dünger aus der Landwirtschaft aber z.B. auch Plastiktüten , die aus offenen Deponien in die Flüsse und Meere gelangen. Neben der Vermeidung von Müll und unnützen Plastikprodukten ist eine geregelte Entsorgung und ein sorgsamer Umgang mit unseren Ressourcen fundamental.

Wieso ist dieses Problem der Verschmutzung auch eine Gefahr für uns Menschen?
Kleinstteile von Kunstsoffen werden von Mikroorganismen aufgenommen und gelangen so in die Nahrungskette und damit letztlich auch auf unserem Teller.

Und warum wird das Phänomen trotzdem nicht ernst genommen bzw. ernsthafter bekämpft?
Vom Erkennen eines Umweltproblems bis zu dessen Lösung dauert es leider oft Jahrzehnte. Man konzentriert sich auf die Bekämpfung der Symptome und geht die Ursachen nicht an. Dies ist auch beim Plastik so. Ich befürchte, der Leidensdruck ist noch immer nicht groß genug, aber immerhin es bewegt sich etwas, um die Plastikflut einzudämmen.

Gibt es auch an der deutschen Küste Probleme mit dem Plastik?
Auch an den deutschen Küsten verenden Seevögel und andere Tiere, weil der Müll für sie zur tödlichen Falle wird. Allerdings sind die Probleme in China, Indonesien und den Philippinen noch viel größer. Geisternetze werden zunehmend zur Gefahr, das gilt auch für Nord- und Ostsee. Im vergangenen Jahr hat der WWF beispielhaft etwa zwei Tonnen alte Netze aus dem Meer gezogen, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Wir müssen die Thematik systematisch angehen und vor allem dafür sorgen, dass der Müll gar nicht erst in den Ozeanen landet

Was kann jeder Einzelne gegen die Verschmutzung durch Plastik tun?
Weniger Einwegverpackungen nutzen, und den Plastikkonsum möglichst reduzieren. Die Wiederentdeckung des guten alten Stoffbeutels für den täglichen Einkauf wäre schon mal ein Anfang.

(Interview: Konrad Welzel / Foto: WWF)

Konrad W.

Konrad hat back view am 06. April 2007 gegründet - damals noch in diesem sozialen Netzwerk StudiVZ. Mittlerweile tobt sich Konrad ganz gerne im Bereich SEO aus.

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