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Heinrich Barth – Kolonialforscher von Mensch zu Mensch

Afrika ist die Wiege der Menschheit, so sagt man. Viele Entdecker, Missionare aber auch Eroberer und Kolonisatoren haben diesen Kontinent im Namen von Glauben, Wissenschaft aber auch geopolitischer Interessen bereist. In einer Zeit der vermeintlichen Überlegenheit der Kolonialherren machte sich Heinrich Barth auf die Suche nach den Ursprüngen der Menschheit und fand dabei die Menschlichkeit.[divide]

„Tenere“, -Das Land da draußen- wie die Tuareg es nennen die Sahara, wie man die Wüste auf arabisch heißt, sie war es, die den Afrikaforscher Heinrich Barth faszinierte. Es ist das große Sandmeer, das den Norden Afrikas prägt. Als einer der ersten Europäer durchquerte Barth nicht nur die Wüste sondern „schwamm“ in diesem Meer, tauchte darin ein.

heinrich barth

Geboren 1821 begeisterte sich der kleine Heinrich schon früh für fremde Länder, kam die große weite Welt doch stets nach Hause. Als jüngstes Kind eines Überseekaufmanns, der sich aus einfachen Verhältnissen hochgearbeitet hatte, kam er früh in Berührung mit Waren aus aller Welt. In der Schule verstärkte sich das Interesse immer weiter. Bald begann sich der sprachbegeisterte Schüler mit Sprachen zu beschäftigen. Zunächst erlernte er wie damals üblich Latein und Altgriechisch, später Englisch. Doch der Wissensdurst wurde immer größer. Im Laufe seines Lebens erlernte der Forscher zusätzlich Französisch, Italienisch, Spanisch, Türkisch, Arabisch sowie eine Vielzahl von afrikanischen Sprachen.

Nach dem Abitur 1839 folgte ein Studium der Geschichte, Germanistik und Geographie. Bei der Wahl seiner Fächer schien der junge Student reichlich überfordert zu sein, seine vielseitigen Interessen abzuwägen. Während seiner Studienjahre hörte er Vorlesungen bei Jakob Grimm, dem Historiker August Boeckh sowie dem Geografen Karl Ritter. Das Studium bei den Großen seiner Zeit und das interdisziplinäre Interesse sollten sich für den zukünftigen Afrikaforscher noch als sehr nützlich erweisen. Nach der erfolgreichen Promotion strebte Barth eine Lehre als Hauslehrer an, was jedoch aufgrund seines schwierigen Charakters misslang. Seine eher mäßigen rhetorischen Fähigkeiten Vorlesungen spannend zu gestalten mögen dazu sicher beigetragen haben. Nach längeren Reisen strebte er eine wissenschaftliche Karriere als Dozent in Berlin an, was jedoch in den Wirren der Märzrevolution schwierig wurde. Darauf bot sich eine einmalige Gelegenheit an einer Expedition teilzunehmen und Barth beantwortete den Ruf Afrikas.

Geh doch nach Timbuktu!

Bereits seit längeren hatte die britische Kolonialpolitik Interesse am Inneren Afrikas gezeigt. In dem schottischen Missionar James Richardson, der bereits selbst Nordafrika mehrfach bereist hatte, sah man die Möglichkeit erstmals das Herz des schwarzen Kontinents zu ergründen. 1849 genehmigte die Krone eine Expedition bis zum Sultanat Bornu eines der wichtigsten Königreiche Afrikas, gelegen im heutigen Sudan. Was nun noch fehlte war ein kompetenter Begleiter für Richardson mit wissenschaftlicher Erfahrung. Bald trat man an Heinrich Barth heran, der seine Chance sah und wahrnahm. Dem Expeditionsteam schloss sich noch der deutsche Astronom und Geograph Adolf Overweg an.

Noch im gleichen Jahr machen sich Barth und Overweg auf den Weg. Von Tripolis, wo sie auf Richardson warteten, bis zum Tschadsee sollte die Exkursion gehen. Die Spannungen zwischen den Teilnehmern nahmen aber bald zu, man trennte sich und vereinbarte am Tschadsee wieder zusammen zu treffen. Richardson reiste alleine weiter, starb jedoch bald an den Strapazen der Wüstenwanderung. Kurze Zeit darauf erlag auch Overweg der Malaria. Heinrich Barth war nun auf sich alleine gestellt. Darauf ernannte in die britische Krone zum offiziellen Expeditionsleiter.

„Auf dieser Wanderung hatte ich als ein einzelner Reisender fast meine ganze Zeit mit den Arabern zugebracht und mich vollständig eingebürgert in jenes Leben, wo die Kamele und die Datteln die charakteristischen Züge bilden“, wird Barth später schreiben. Aufgrund seiner guten Arabischkenntnisse und Wissen um die Sitten und Gebräuche der Einheimischen gelang es dem deutschen Afrikaforscher die Sympathien der Wüstenbewohner für sich zu gewinnen. Begeistert von seinen Eindrücken erforschte Barth alles, betrachtete die Landschaften, erlernte neue Sprachen, studierte die Kulturen und Gebräuche, dokumentierte historische Stätten.

“Jeder der fremde Länder besucht hat, weiß, wie unendlich leichter man sich da deren Sprache aneignet, als im langweiligen Studium ohne Anhalt daheim.”,

wird er nach seiner Rückkehr erklären. Häufig betrat der Ethnologe, Sprachwissenschaftler und Geograph während seiner Reise Gebiete, die noch kaum erforscht waren. Nur die Aufzeichnungen von Leo Africanus (1490-1550), einen Geographen aus dem Volk Berber, der nach Italien verschleppt wurde, oder die Erkenntnisse aus dem Koran boten etwas Orientierung.

Dennoch glückte das schier Unglaubliche. Als erster Europäer überhaupt lebte und forschte Heinrich Barth in der sagenumwobenen Wüstenstadt Timbuktu. Als „Ungläubiger“ fand er in Sidi Ahmad al-Baqqai, dem geistigen Oberhaupt der Stadt, einen Schutzherrn. Über 9 Monate verbrachte Abd el Kerim – der Diener des Allerhöchsten-, wie er sich auf arabisch nannte in der Stadt. Mit al-Baqqai diskutierte er rege über den Islam und die afrikanische Kultur. Die Lage wurde dennoch brenzlig für den „Ungläubigen“. Vielen Einwohnern misfiel die Anwesenheit des preußischen Forschers. Manche bedrohten in gar mit dem Tod. Erst mithilfe seines Schutzherrn schaffte er es die Stadt zu verlassen.

Eine Reise, die Folgen hat

Inzwischen waren fünf Jahre seit dem Aufbruch Heinrich Barths vergangen. Seine Familie wähnte ihn bereits tot. Deshalb machte sich der deutsche Forscher Dr. Eduard Vogel auf die Suche nach dem verschollenen Barth. Eher zufällig trafen sich beide am 27.November 1854 in den Wäldern von Kakua, im heutigen Nigeria. Während Barth die Heimreise gen Europa antrat, machte sich Vogel auf den Weg den Osten des heutigen Tschad zu erforschen. Während aber Barth am 6.September 1855 London erreichte, bleibt das Schicksal von Vogel bis heute ungewiss.

Zurück in Europa machte sich der Afrikaforscher zusammen mit zwei befreiten Haussa- Sklaven daran, seine Erlebnisse niederzuschreiben. Ein Werk von 3.500 Seiten über die Landschaften, Tiere, Völker, Kulturen und Sprachen aus dem Herzen Afrikas entstand. Zwar wird Barth in Anerkennung seiner Leistungen mit vielen Ehren ausgezeichnet, der Ruhm währte aber nicht lange. Mit seiner wissenschaftlich nüchternen Betrachtung trifft der Autor den Zeitgeschmack seines Publikums nicht. Zudem drohte der deutsche Afrikaforscher dem Briten Livingstone den Rang abzulaufen, eine Blöße, die sich die London Royal Geographic Society nicht geben mochte. Heinrich Barth kehrte nach Berlin zurück, wo er später Vorsitzender der geographischen Gesellschaft wurde. Allerdings machte sich der Ethnologe mit seinen Ansichten gegen die Kolonialpolitik der Großmächte und gegen die Sklaverei viele Feinde. Innerhalb kurzer Zeit starben seine Förderer Alexander von Humboldt und Karl Ritter, seine akademische Karriere endete in eine Sackgasse. Noch einmal begab sich Barth auf Reisen auf den Balkan bevor er am 29. November 1865 an einem Magendurchbruch stirbt. Er wurde in Berlin unter großer Anteilnahme beigesetzt, geriet aber bald in Vergessenheit.

Now its time for Africa- Ein neuer Blick auf den schwarzen Kontinent

Erst in den 1960er Jahren wurde Heinrich Barth zunächst durch Albert Adu Boahen, einen ghanaischer Doktorand und den ersten Afrikaner an der London School of Oriental and African Studies, wiederentdeckt. Hier lobte er die wissenschaftlichen Leistungen Barths und seine Anerkennung der bedeutsamen afrikanischen Geschichte. The White Man´s Burden oder die Mission Civilisatrice, der Auftrag der Europäer die vermeintlich primitiven Völker Afrikas zu zivilisieren, war Rechtfertigung des Kolonialismus. Als angeblich überlegene „Herrenrasse“ sahen viele Kolonialherren die Einheimischen als „primitive Wilde“ als „Untermenschen“.

„Menschen sind Menschen durch ihre Mitmenschen. Wir brauchen andere menschliche Wesen um menschlich zu sein“,

fasste der südafrikanische Bischoff Desmond Tutu einmal Ubuntu, die Soziallehre Afrikas zusammen. An dieser orientierte sich der deutsche Afrikaforscher. Während seinen Reisen, behandelte er die Einheimischen mit Respekt bis Faszination für deren Kultur, die er sich selbst auch aneignete. Sein Anliegen war es, den Europäern den afrikanischen Kontinent, für viele „das Grab des weißen Mannes“, näher zu bringen, Aufklärung zu leisten. Aus diesem Grund unterstützt die Heinrich Barth Stiftung seit 1976 die Erforschung und den Erhalt des afrikanischen Kulturerbes. In Timbuktu gibt es sogar ein Heinrich Barth Haus. Natürlich darf hier nicht verschwiegen werden, dass Barth Sohn seiner Zeit war. Genau wie viele andere Afrikaforscher und Kolonialforscher sah er eine Überlegenheit der Europäer. Allerdings, und das ist wichtig zu erwähnen, erkennt er in der afrikanischen Kultur eine eigene Geschichte, ein selbstständiges Handeln der Afrikaner. Daher geht er davon aus mit europäischer Hilfe könne auch Afrika sein Potenzial entfalten.

Heute ist uns dieser große schwarze Kontinent wieder näher als jemals zuvor. Tausende von Menschen sitzen auf gepackten Koffern in der Hoffnung nach Europa zu gelangen. Die Ungleichheit treibt sie an. Vor Augen die Ausbeutung und den Sklavenhandel durch die europäischen Kolonialherren setzte sich Heinrich Barth für einen „legitimen Handel“ zwischen Europäern und Afrikanern ein von dem beide profitieren. Möchte man also eine Lösung der aktuellen Migrationsproblematik finden, so muss bei den Fluchtursachen angesetzt werden. Der Fokus von Entwicklungspolitik muss auf einem fairen Handel basieren, der den Menschen in ihren Heimatländern Perspektiven und Möglichkeiten eröffnet. Denn wie sagt es ein afrikanisches Sprichwort:

„Einer allein kann kein Dach tragen.“

(Foto: Katja Jakob by jugendfotos.de)

Stephan R.

Stephan interessiert sich für Warum und die Welt: Seit 2014 gehe ich für backview.eu scheinbar alltäglichen Dingen auf den Grund, betrachte warum manches so ist wie es ist. Wenn ich nicht gerade an einer neuen Idee für einen Artikel sitze, beschäftige ich mich gerne mit Fotographie oder Fremdsprachen oder widme mich meinen Politikstudium.

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