Wenn Arbeitnehmer die alleinige Entscheidungsgewalt über ihr Gehalt haben, liegt ein Konflikt mit dem Arbeitgeber wohl zwangsläufig in der Luft. Wenn die Abgeordneten im Bundestag also eine Erhöhung ihrer Diäten beschließen, dann ist es auch verständlich, dass das deutsche Volk – quasi als Arbeitgeber – aufschreit. Genau dieses Verhalten legt jede Führungsperson dieser Welt an den Tag. Es muss immer und überall gespart werden und das passiert in jedem Unternehmen eben zu aller erst einmal bei den Personalkosten.
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Eine „schlichte Unverschämtheit” sind die steigenden Abgeordnetendiäten aber nicht. Für die Opposition ist es natürlich ein Leichtes, diese Situation auszunutzen, um Stimmung gegen die Regierung zu machen.
Es birgt schließlich keinerlei Risiko: Der Applaus des Volkes ist auf jeden Fall sicher und die Große Koalition wird ihr Vorhaben auch ohne die Unterstützung der politischen Gegner durchziehen. Mehr Geld bekommt am Ende auch die Opposition. Wenn die sich durch die Mehreinnahmen wirklich belastet fühlt, warum spendet sie das Geld dann nicht einfach für einen guten Zweck?
„Populär ist das nicht. Das ist klar”, sagte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil als Vertreter der gesetzgebenden Gewalt. Genau hier liegt auch der Knackpunkt. Betont zurückhaltend verteidigen wenige Spitzenpolitiker ihre Gehaltszuschläge, denn sie wissen genau: Das ist ein Thema, bei dem sie nur verlieren können. In der Öffentlichkeit werden selbst moderate Einkommenszuwächse für die Volksvertreter als dreiste Abzocke wahrgenommen. Andererseits verständlich: Die Höchstpension, die ein Abgeordneter ab dem 1. Januar 2010 erreichen kann, liegt bei monatlichen 5507 Euro – dafür müsste ein durchschnittlicher Arbeitnehmer mehr als 200 Jahre arbeiten.
Aber was für Volksvertreter wollen wir eigentlich haben? Spitzenkräfte oder Durchschnittstypen? Es geht um weitreichende und wichtige Entscheidungen, die nicht nur die Deutschland und das Leben jedes Einzelnen betreffen. Gemessen an der Verantwortung und dem Einsatz der meisten Abgeordneten, ist der Anstieg des monatlichen Bruttoverdienstes bis 2010 auf 8159 Euro notwendig. Die Politiker sollen sich schließlich frei und ohne äußeren Einfluss vollkommen auf ihre Entscheidungsgewalt konzentrieren können. Und das gelingt mit einer finanziellen Sicherheit im Hinterkopf zumindest leichter.
Doch warum muss es innerhalb von sechs Monaten bereits die zweite Erhöhungsrunde geben? Die Antwort liegt wohl im Allmachtsgefühl der Großen Koalition – 2009 endet vermutlich deren Regierungszeit und damit auch die große Mehrheit in der Legislative. Dann dürfte es deutlich schwerer werden, Erhöhungen durchzusetzen.
Eine Möglichkeit, um dem Vorwurf von selbstgemachten Geschenken zu entgehen, wäre die Einsetzung einer Kommission. Als unabhängiges Organ könnte sie dann über die Diäten entscheiden.
(Text: Konrad Welzel)