Der Profifußball hat seit den 90ern eine immer kommerziellere Entwicklung genommen. Mit der ran-Sendung, Hunderten Kameras, zahlreichen Mikrofonen und millionenschweren Werbeverträgen rückte der Sport um den Lederball immer weiter in den öffentlichen Fokus. Die meisten Profis schwimmen mit dem Strom, einige wenige widersetzen sich dem kommerziellen System.


Am 4. Spieltag der zweiten Bundesliga war es Kevin Pannewitz, der sein Team Hansa Rostock mit einem Tor nicht vor der 1:3-Niederlage gegen Ingolstadt bewahren konnte. Pannewitz traf zum zwischenzeitlichen 1:1 – eigentlich eine triviale Randgeschichte.

Pannewitz – Karriereende wegen Alkoholeskapaden?

Was jedoch zu erwähnen bleibt: Ursprünglich war Kevin Pannewitz vor Saisonbeginn schon längst abgeschrieben gewesen bei seiner Hansa. Sein unprofessioneller Lebensstil ließ die Aktien des 20-Jährigen rapide sinken. Alkoholeskapaden und durchzechte Diskonächte schreckten sogar Werder Bremen ab. Die Hanseaten standen kurz vor der Verpflichtung des hoffnungsvollen Talentes.
Dann aber wurde Pannewitz Ende 2010 zum ersten Mal suspendiert, er war alkoholisiert beim Training erschienen. Kurz darauf verlor er seinen Führerschein, im Juli dieses Jahres dann die wiederholte Suspendierung. Werder Bremen verlor das Interesse am Trunkenbold, auch in Rostock schüttelt man den Kopf über den ausufernden Lebensstil.

Paul Gascoigne mit Kultcharakter
Pannewitz geht mit 20 Lenzen jenen Interessen nach, die viele seiner Altersgruppe umtreiben. Frauen, Alkohol und Partynächte, dazu fettiges Essen – das passt nicht zum strukturierten, erfolgsorientierten Bundesligasystem. Pannewitz windet sich aus dem Bundesligaalltag, er riskiert damit aber auch seine Karriere, denn Partys und Eskapaden passen nur wenig zum öffentlichen Bild.
Während Paul Gascoigne noch Kultcharakter hatte, weil auch er extravagant und Querulant galt, ist das Fußballgeschäft insgesamt weichgespülter und darüberhinaus strukturierter und durchdrungener. Keine Emotion auf der Trainerbank bleibt ungeahndet, Fußballer bandeln mit dem Boulevard und Unternehmen an.

Poves – der spanische Revoluzzer
Auch Javi Poves machte sich in der jüngsten Vergangenheit einen Namen als Außenseiter, als Querulant im Kommerzfußball. Poves beendete seine junge Karriere bei Sporting Gijon, weil er den überbordenen Kommerz im Fußball nicht mit seinem Gewissen vereinbaren konnte. Der 25-Jährige soll neben Karl Marx auch Adolf Hitlers „Mein Kampf” gelesen haben, die Bankenkrise und die ungerechte Globalisierung ließen ihn nicht nur an dieser Welt sondern vor allem am Mikrokosmos Fußball zweifeln. Es wird eine heile Scheinwelt vorgegaukelt, die Poves so nicht weiter unterstützen konnte. Ein Geschichtsstudium soll nun neue Wege und Erkenntnisse bringen.
Ein Fußballer, der lieber die Geschichte dieser Welt studiert, als von mehreren Zehntausend Zuschauern bejubelt zu werden, das ist ein feines Kontrastprogramm zu sonstigen Geschehen. Es erinnert in Ansätzen an Thomas Broich, der nach der großen Ernüchterung in Deutschland sein Seelenheil in Australien suchte und letztendlich auch fand.

Hochgejubelt und demontiert
Broich wurde branchenüblich hochgejubelt, spielte diese Rolle als neues Jungtalent gerne mit und wurde später ebenso branchenüblich demontiert. Bei den Brisbane Roar fand „Mozart” den idealen Fluchtort, sein Refugium bietet nicht nur Sonne und Palmen. Es bietet vor allem eine Ruhe, eine größere Distanz und mehr Menschlichkeit.
Denn letztendlich ist es jene Menschlichkeit, die Kevin Pannewitz als 20-Jährigen in die Diskos in und um Rostock trieb. Sie wurde ihm jedoch bei jeder seiner Suspendierungen zum Verhängnis. Der Querulant im Kommerzsystem steht auf der Kippe, wie sagte George Best, der größte aller Hedonisten, so schön: „Ich habe viel von meinem Geld für Alkohol, Weiber und schnelle Autos ausgegeben … den Rest habe ich einfach verprasst.”

(Text: Jerome Kirschbaum)

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  • Jerome K.

    Jerome schreibt am liebsten über Sport, wenn er denn nicht selbst auf einem Platz steht. Seit Oktober 2010 verdingt sich Jerome als Schreiberling für back view, neben den Leibesübungen widmet er sich sich auch politischen Themen. Im wahren Leben musste Jerome zahlreiche Semester auf Lehramt studieren, um dann schlussendlich doch etwas ganz anderes zu werden.

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Von Jerome K.

Jerome schreibt am liebsten über Sport, wenn er denn nicht selbst auf einem Platz steht. Seit Oktober 2010 verdingt sich Jerome als Schreiberling für back view, neben den Leibesübungen widmet er sich sich auch politischen Themen. Im wahren Leben musste Jerome zahlreiche Semester auf Lehramt studieren, um dann schlussendlich doch etwas ganz anderes zu werden.

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