Der Hass in uns Menschen
Kommentar ĂŒber den Ursprung von Hass – Blogparade
Wir sitzen am KĂŒchentisch, mein Bruder und ich. Mit seinem riesigen Lockenkopf und ruhigen, grĂŒnen Augen erklĂ€rt er mir seine Definition von Hass.
âHass ist vielleicht eine Reaktion auf eine Aktion oder ein Verhalten, das dir nicht richtig vorkommt, deinen moralischen Einstellungen nicht entspricht. Es ist nichts anderes als ein Verhalten, das du nicht nachvollziehen kannst.â Wenn ich jemanden hasse, dann hab ich was gegen ihn. Ich find sein Verhalten falsch, unmoralisch, so mein Bruder. Einleuchtend. Wir zwei nehmen die Blogparade von Sarah Maria zum Anlass, uns ĂŒber den Hass der Menschen zu unterhalten.
Wir hassen also nicht ohne Grund und meinen im Recht zu sein. âFĂŒr dich selber hast du Recht und deswegen entsteht der Hass. Die Wirklichkeit ist relativ.â Das ist seine Antwort auf meine Frage, wieso es Hass ĂŒberhaupt gibt.
Auf der Suche nach den Wurzeln
Das erinnert mich an KlassenvortrĂ€ge, an brodelnde Ungeduld, die in mir zu kochen scheint, bevor ich vor meine Klasse trete. Da sitzen sie alle in Reih und Glied und ich muss da drauĂen stehen und reden, als wĂŒsste ich was besser als sie. Dabei hab ich nur mit ach und krach meinen Text auswendig gelernt und fĂŒhre ihn nun stockend in panischer Ruhe den gelangweilten, bleistiftkauenden Gesichtern vor.
Hilflose Angst macht mich gefĂ€hrlich asozial, obwohl ich eigentlich genau das Gegenteil wollte. Obwohl ich meine alte Gymnasiumsklasse mag, gaben mir so manche den Rest. Konnt sie einfach nicht verstehen, wollt sie hassen bis zum geht nicht mehr. Aber ja, im Schulsystem gefangen ist Aufarbeitung der Angst wahrscheinlich der bessere Begleiter als blindes Verachten. Wieso aber hatte ich so einen groĂen Bammel davor, vor Leuten zu reden? Hatte ich etwa Angst, nicht genug zu sein, nicht genug Anerkennung zu kriegen?
Geb das Wort meinem Bruder weiter: âAls objektiver Betrachter kann man die Motivation der Beteiligten (also meine Klasse und ich) untersuchen. Wieso handeln sie so? Du, als Akteur, siehst alles nur aus einem Blickwinkel⊠da muss man anfangen zu reden.â Klingt akzeptabel, die Verwertbarkeit in der Praxis wird allerdings gewagt. Gerade meinen Feinden, die mich tuschelnd entblöĂten, hĂ€tt ich am liebsten vor die FĂŒĂe gespuckt, als mit ihnen zu plaudern. Bin kein 100-prozentig rationales Wesen, hab auch GefĂŒhle und da fĂ€ngt alles an. Doch das Gehirn kann seine Nervenbahnen so verspinnen, dass Vernunft und GefĂŒhlsleben ineinander treten wie ZahnrĂ€der. Die allerdings manchmal klemmen und der Kopf schon beinahe zu rauchen anfĂ€ngt.
Hass entsteht durch Geld
Nicht nur Köpfe rauchen, ganze Schlachtfelder entstehen aus Disharmonien. âWas ich so mitkriege und ich krieg ja nur einen Bruchteil mit, ist: Der gröĂte Hass liegt in Kulturen, Religionen⊠dieser ist aber meist oberflĂ€chlich und wird als Grund verwendet, um etwas anderes zu verdecken. Wie BodenschĂ€tze, es geht immer ums Geld. Hass entsteht durch Geld.â Diese plakative ĂuĂerung braucht eine sĂ€ttigende ErklĂ€rung.
âIm Ersten Weltkrieg wollten die Briten Ăl aus dem Irak. Ăl ist echt wertvoll und deswegen versprachen die Briten dem irakischen Volk aus dem Osmanischen Reich einen eigenen Staat. Schlussendlich gingen die Briten in den Irak, um das Ăl zu stehlen. Und so hassten die Iraker die Briten. Die Aktion der Briten wurde wegen des Geldes gestartet. Durch das Geld ist Hass entstanden.â
Letzte Rettung Neugier
Das ist nur eine Geschichte, herausgegriffen aus so vielen unbedachten Taten. Allerdings sieht mein jĂŒngerer Bruder die Gier, die Sehnsucht, was auch immer Menschen zum Morden treibt, als Teil unserer Natur: âDie Angst, nicht genug zu kriegen, ist normal.â
âDer Mensch sollte aber gerechter handeln. Sodass dem Hass die Luft genommen wirdâ, denke ich laut. â Mit âsollteâ kommst du beim Menschen nicht weit. In der Theorie funktioniert alles, der Kommunismus, die Demokratie, die Diktatur. Der Mensch aber ist so vielfĂ€ltig, dass er sich nicht einordnen lĂ€sst.â
Trotzdem glaubt mein Bruder, dass die Menschen lernfĂ€hig sind und der Hass uns nicht zur Eskalation treiben wird. Woher er den Glauben nimmt? Ich schĂ€tz mal, es ist die Hoffnung – die Hoffnung darauf, dass Neugier die Angst bricht. Die Neugier, die schon in den Kinderaugen sitzt und auch vor Mauern nicht zurĂŒckschreckt.
(Text und Foto: Anna Luther)
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Kommentare (6)
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Sarah Maria
Freut mich, dass ihr dabei seid! <3
Manchmal bringt so ein GesprĂ€ch, in dem man ein Thema umkreist, nach unterschiedlichen StrĂ€ngen und Ansatzpunkten sucht, einiges an Klarheit fĂŒr einen selbst.
Liebe GrĂŒĂe,
Sarah
Anna Luther
Ja, das stimmt đ
Obwohl ich manchmal glaube, eh schon alles gehört zu haben, gibt’s immer wieder Ăberraschungen, wie zum Beispiel im GesprĂ€ch mit meinem Bruder.
Liebe GrĂŒĂe,
Anna