Sport

Wo der weiße Sport noch weiß ist – und es immer regnet

Es war einmal vor langer Zeit, da gab man Tennis den Beinamen „Weißer Sport“. Es war eine Zeit, wo es keine langhaarigen Rebellen, Schläger zertrümmernde Verlierer und fluchenden Amerikaner gab. Und wo sollte der weiße Sport – angelehnt an die Kleidung der Schläger-Artisten – besser hinpassen als nach Wimbledon, London, England. Dem Land, in dem Höflichkeit groß geschrieben wird.
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Und so ist Wimbledon trotz der anderen drei großen Turniere der Saison im Sommer. Obwohl es diesen in England bekanntlich ebenso wenig gibt wie Jahreszeiten generell. Schließlich regnet es durchgehend das ganze Jahr. Da der Filzball auf dem kurz geschnittenen Rasen zu sehr an Fahrt aufnehmen würde (oder nach mehreren Stunden in den Pfützen stecken bliebe) gibt es Regenpausen, die zu Wimbledon gehören wie Fish and Chips nach England und die Queen in den Buckingham Palace.

Das Problem der Turnier-Veranstalter: spätestens in der zweiten Woche, an deren Ende die Finalspiele der einzelnen Klassen angesetzt sind, wird der eigentliche Matchplan so über den Haufen geworfen, dass eine wahre Hetzjagd beginnt. Schließlich stehen die Spieler ab montags wieder bei anderen Turnier-Veranstaltern im Wort. Nicolas Kiefer, einer der besten deutschen Sportler mit Schläger und gelbem Ball, begann sein Drittrunden-Spiel gegen Novak Djokovic am Samstag – und beendete es am Mittwoch Vormittag mit einer Niederlage. So war es aus deutscher Sicht das gewohnte Bild: Boris Becker gewann dreimal (1985, 1986 und 1989) und sollte nur einer von zwei Deutschen sein, die in der männlichen Einzel-Konkurrenz triumphierten. Der letzte war Michael Stich vor 16 Jahren. Danach kam nicht viel.

Tommy Haas schaffte es in diesem Juni immerhin zum ersten Mal bis ins Achtelfinale, musste das angestrebte Duell mit dem Weltranglisten-Ersten Roger Federer aber wegen einer Verletzung absagen. Ohnehin tut sich der Wahl-Amerikaner bei den vier großen Turnieren schwer, kam nie in eines der Endspiele. Von den Damen ist an dieser Stelle ganz zu schweigen. Sowohl über ihre Leistungen bei den vier Grand Slams, als auch bei den derzeitigen Regenwochen von London.

Und so verändert sich nicht viel dieser Tage in dem Vorort der britischen Hauptstadt. Der Tennis-Sport ist wieder höflich weiß, es regnet Hunde und Katzen und die besten Deutschen halten sich mit Erfolgen vornehm zurück um einem Mann den Vortritt zu lassen, der das Turnier am Sonntag wohl so beenden wird, wie er es 2003 begann: ohne Niederlage.
Damit würde Rasenkönig Roger Federer sogar Pete Sampras überflügeln, der zwar sieben Mal den Wimbledon-Pokal in Empfang nahm, aber nie fünfmal in Serie. Das gelang bei den Herren bislang einzig dem Schweden Björn Borg Ende der Siebziger Jahre. Bei den Damen schaffte es Martina Navratilova sechsmal und ist diesbezüglich Rekordhalterin. Zumindest bis zum nächsten Jahr, wenn aller Voraussicht nach auch alles bleiben wird wie es ist. Tennis weiß, Engländer vornehm, Wimbledon verregnet – und Federer Sieger.

(Text: Christian Spolders)

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