„Fuck, ist das Leben scheiße.“ Ich denke, dieser Satz ist jedem schon mal durch den Kopf. Manche aber ziehen den Schlussstrich mit ihrem Leben tatsächlich und die Hinterbliebenen sind plötzlich mit dem freiwilligen Tod eines Mitmenschen konfrontiert. Aus einer solchen Situation entstand “Freunde fürs Leben”.
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Die Organisation setzt sich dafür ein, Depression und Suizid in unserer Gesellschaft zu mindern. Patrick Liebl, der für ihre Kampagnenarbeit zuständig ist, erklärt uns im Interview, wieso sich Menschen überhaupt das Leben nehmen und mehr.
Anna Luther: Wieso glaubst du, dass es überhaupt viele Menschen gibt, die ihrem Leben nichts mehr abgewinnen können?
Patrick Liebl: Der Grund hierfür liegt ganz oft im Krankheitsbild einer Depression oder einer anderen psychischen Erkrankung. Menschen mit schweren Depressionen leiden unglaublich und sehen sich zudem damit konfrontiert, dass ihre Mitmenschen ihr Leid nicht immer nachvollziehen können oder nicht ernst nehmen. Wenn dann auch noch die dringend notwendige ärztliche Hilfe ausbleibt, kann es kommen, dass der Suizid als einziger Ausweg erscheint. Doch handelt es sich dabei nicht um eine Entscheidung gegen das Leben, sondern gegen das Leiden. Dieser Unterschied ist wichtig, wenn wir das Problem verstehen und den Betroffenen helfen wollen.
Letztlich ist die Annahme psychologischer Beratung oder der Suizid eine persönliche Entscheidung – wie können Mitmenschen diese Entscheidung beeinflussen ohne die betreffende Person einzuengen?
Dazu braucht es viel Verständnis und Geduld. Zu drängen oder gar ein Ultimatum zu stellen, hilft hier meist gar nichts. Stattdessen sollte man versuchen, für die Person da zu sein, offen mit ihr über ihre Ängste aber auch mögliche Lösungswege zu sprechen und dabei zu unterstützen, professionelle Hilfe zu suchen und anzunehmen. Denn so wichtig die Hilfe und Unterstützung durch Angehörige auch ist, so kann sie trotzdem keine professionelle Hilfe durch einen Arzt ersetzen. Der Hausarzt ist hier die erste Anlaufstelle und sollte so früh als möglich einbezogen werden. Wenn aber ganz akute Suizidgefahr besteht, muss sofort gehandelt und die Polizei oder der Notruf verständigt werden.
Wie würdest du das Leben beschreiben?
Jeder hat bestimmt seine eigene Definition vom Leben, besonders was die positiven Seiten betrifft und diese sollten wir uns immer wieder vor Augen halten. Was jedoch zum Leben untrennbar dazu gehört, ist, dass es nicht nur schöne Momente gibt und wir immer wieder vor schwierige Situationen gestellt werden und auch harte Zeiten durchleben müssen. Um diese zu meisten, brauchen wir Kraft, Mut und Hoffnung. Freunde können hierfür eine wichtige Ressource sein. Manche Menschen brauchen aber weit mehr Unterstützung und vor allem das Verständnis jener, die das Glück haben, weniger Hilfe zu benötigen.
Der Aktionstag der WHO zum Thema Suizid gibt Gelegenheit zur Auseinandersetzung, aber auch zur Veränderung. Was hat “Freunde fürs Leben” geplant?
Gemeinsam mit weiteren Partnern aus den Bereichen Suizidprävention und Seelische Gesundheit planen wir für den 10. September die Aktion “600 LEBEN”. Durch eine Art Flashmob möchten wir auf die 600 Menschen unter 25 Jahren aufmerksam machen, die jedes Jahr in Deutschland durch Suizid sterben. Deshalb lassen sich am Welttag der Suizidprävention 600 Menschen vor dem Brandenburger Tor zu Boden fallen und warten darauf, dass ihnen aufgeholfen wird.
Dazu haben wir die Mitglieder des Bundestags und weitere Politiker zur Aktion eingeladen. Sie sind aufgefordert, ihre Hand zu reichen und den Menschen aufzuhelfen. Denn es liegt ganz besonders in ihrer Verantwortung, den Betroffenen und ihren Angehörigen zu helfen. Hintergrund der Aktion ist unsere Forderung nach einer staatlichen Aufklärungskampagne zu den Themen Depression und Suizid. Denn Wissen kann hier Leben retten. Wir freuen uns über jede und jeden der bei der Aktion mitmachen will.
Auf der Seite 600Leben.de findet man alle Infos dazu.
(Text: Anna Luther / Foto: Patrick Liebl)