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Ich habe Depressionen – na und?

Schon seit ihrer Kindheit versucht Tanja Salkowski den Erwartungen ihrer Eltern und Mitmenschen gerecht zu werden – bis über ihre körperlichen und psychischen Grenzen hinaus. Nach Mobbing im Job und darauf folgender Kündigung von ihrer Seite, beginnt sich die negative Spirale ihres Denkens immer schneller zu drehen und ihr wird klar: Ich brauche Hilfe.

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Doch allein die Diagnose Depression ist nicht genug – erst ein Selbstmordversuch lässt sie eine Klinik aufsuchen, um ihr Leben wieder genießen zu können. Mit ihrem Buch Sonnengrau verarbeitete sie ihre Erfahrungen und versucht das Leben eines Depressionskranken der Öffentlichkeit verständlicher zu machen.

„Ich muss mich akzeptieren, wie ich bin – mit gelben und mit grauen Seiten. Ich nehme die Krankheit an – sie hat positive und negative Eigenschaften. Mein Leben ist weder gelb noch grau – es ist sonnengrau.“

sonnengrau RezensionTanja Salkowski will mit ihrem Buch keinen Ratgeber für Depressionskranke präsentieren. Es ist ihr persönlicher Weg zur Akzeptanz ihrer Krankheit und eine Begleitung ihres schwierigen Weges über erste Besuche beim Psychologen, einen Suizidversuch, zur Therapiesuche und der ungewissen Rückkehr in den Alltag. Denn in der Therapie lebt man in einer Art Blase. Der Alltag ist streng strukturiert und jederzeit kann geholfen werden, falls der eigene Kopf mal wieder nur das Negative sehen will. Das Ende des Klinikbesuchs ist ein Punkt, der den meisten Patienten Angst macht, weil sie danach wieder auf sich gestellt sind, mit lediglich theoretischen Ideen zur Stressbewältigung im Gepäck.

„Die Rolle der Angehörigen darf man nicht unterschätzen. Wieviel Kraft sie aufwenden, das ist wirklich enorm. Und man darf ihnen ruhig auch Zeit geben, um mit der Situation fertig zu werden“, sagt Tanja Salkowski. Im Kurzinterview mit backview.eu beantwortet sie auch die Frage, wie ihre Eltern auf ihre Krankheit reagiert haben. Denn diese setzten viele Hoffnungen in ihre beiden Kinder und deren Zukunft. Die Krankheit ihrer Tochter war ein Schock, aber entgegen vieler Freunde Tanjas suchten ihre Eltern bald wieder Kontakt und unterstützen sie. Die meisten ihrer Freunde äußerten zwar Mitgefühl, verabschiedeten sich aber dann heimlich aus ihrem Leben. Zu anstrengend sei wohl die Bekanntschaft mit einer Frau, die ständige Bereitschaft von ihren Freunden erwarte.

Heute bekommt Tanja Salkowski jeden Tag unzählige E-Mails von Leuten, die ihr Buch oder ihren Blog lesen. „Menschen, die ihre Lebensgeschichte aufschreiben, die verzweifelt sind, einen Tipp brauchen, nach einer guten Klinik fragen oder einfach mal ein aufmunterndes Wort brauchen.“ Sie versucht die Nachrichten so gut wie möglich zu beantworten, hat aber gelernt, dass sie ihre eigenen Grenzen dabei nicht aus den Augen verlieren darf. Mit anderen betreibt sie auch das Radio sonnengrau, in dem sie auf lockere Art und Weise über das immer noch tabuisierte Thema Depressionen informiert. Dafür wurden sie 2014 mit dem DGPPN-Antistigmapreis und in diesem Jahr mit dem startsocial Bundespreis ausgezeichnet.

Sonnengrau. Ich habe Depressionen – na und? ist ein Buch, das auf lockere, persönliche Art einen Einblick in das Leben eines Menschen mit Depression gibt und dessen Weg von den ersten Anzeichen, über schlimmste Abgründe, wie ihren Suizidversuch, über den Weg zurück ins Leben zeigt. Ein Buch, das anderen Betroffenen Mut gibt und eine Frau, die mit ihrer Krankheit in die Öffentlichkeit geht um gegen die Tabuisierung einer Krankheit zu protestieren, die heute fast vier Millionen Deutsche betreffen soll.

(Text und Foto: Franziska Mayer)

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