Professor Paul Mecheril von der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg erklärt im backview.eu– Interview warum Rassisten nicht immer offen erkennbar sind und, warum interkulturelle Feste manchmal mehr schaden als nutzen.[divide]
Eine einfache Antwort auf die Frage, woher Rassismus eigentlich kommt, gibt es leider nicht. Eine Kombination vieler Faktoren führt dazu, dass jemand entsprechende Einstellungen entwickelt. Viele Psychologen vertreten die Meinung, dass wir eine natürliche Tendenz dazu haben, uns und andere Menschen bestimmten Gruppen zuzuordnen. Dies vereinfacht und erleichtert unseren Umgang mit der Welt enorm und kann daher auch etwas Positives sein. Allerdings stellt auch diese Ansicht eine Vereinfachung dar, und auch sie ist nur eine These unter vielen. Professor Mecheril von der Uni Oldenburg gibt einige andere Denkanstöße, und erklärt unter Anderem, warum eine Unterscheidung zwischen “Wir” und “den Anderen” fatal sein kann.
Rassismus ist kein Randphänomen
Natürlich führt eine Einteilung von Menschen in verschiedene Gruppen nicht zwangsläufig zu einer rassistischen Einstellung. Und doch ist Rassismus kein Randphänomen, das nur bei rechten Extremisten zu finden ist. Professor Mecheril schreibt, dass Rassismus in der Mitte der Gesellschaft angesiedelt sei – eine Unterscheidung zwischen denen, die dazugehören und denen, die ausgeschlossen werden, könne man in allen gesellschaftlichen Schichten finden. Von dort aus könnten sich rassistische Logiken anschließen.
Dabei kann der Rassismus auch Formen annehmen, die nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen sind, und sich unter Bezeichnungen wie “Kultur” oder “ethnische Gruppe” verstecken. Laut Mecheril handele es sich immer dann um Rassismus, wenn allgemeingültige Aussagen über eine Gruppe gemacht werden und damit ihr benachteiligter Status erklärt wird. “Rassismus legitimiert mit pseudo-wissenschaftlicher Rede Herrschaftsverhältnisse, von denen jene profitieren, die rassistisch sprechen”, so Mecheril.
Hinzu komme, dass oft nach im Grunde rassistischer Logik gehandelt werde, ohne dass sich der Akteur dessen bewusst sei: “Etwas überspitzt gesagt, gibt es auch einen Rassismus ohne Rassisten”. Mecheril erwähnt hier das Beispiel der Pädagogik. Wenn andere Unterscheidungskriterien wie zum Beispiel das Leistungsniveau fehlen oder nicht ausreichen, werde laut Untersuchungen oft auf das Kriterium der “ethnischen Differenz” zurückgegriffen. “Trotz gleicher Leistungen werden Schüler mit Migrationshintergrund folgenreich negativ behandelt.”
Interkulturelle Aktionen und ihre Problematik
Die besondere Problematik des Rassismus ist also offensichtlich – niemand bezeichnet sich selbst als rassistisch, und doch sind nur die Wenigsten dagegen immun. Aktionen wie der Internationale Tag gegen Rassismus (am 21. März) sollen dazu beitragen, sich seiner eigenen Vorurteile bewusst zu werden und sich Gedanken darüber zu machen. Professor Mecheril ist jedoch skeptisch bezüglich vieler Aktionen gegen Rassismus. Mecheril ist der Auffassung, dass ihnen allen ein fundamentales Problem gemein sei. “Bei nicht allzu wenigen Aktionen gegen sogenannte Fremdenfeindlichkeit wird rassistisches Denken, das zwischen denen unterscheidet, die legitim und denen, die nicht legitim dazugehören, reproduziert”, beschreibt Mecherlin seine kritische Sicht in Worte.
Kampagnen wie “Mein Freund ist Ausländer” im Fußball wiederholen diese Idee der Unterscheidung zwischen Ausländern und Inländern. Auch interkulturelle Feste, die eigentlich Menschen zusammenführen sollen, seien hier keine Ausnahme – Koreaner müssten trotzdem das Klischee des Koreaners bedienen, und Deutsche im Ausland zu den Feierlichkeiten Weißwürste braten. Dem fundamentalen Problem des Rassismus und der Vorurteile sei damit nicht geholfen. “Es reicht nicht aus, die Vorzeichen zu ändern. Aus dem Minus der Fremdenfeindlichkeit wird ein Plus der Fremdenfreundlichkeit, aber das Schema des Wir und der Fremden bleibt unangetastet”, fasst Mecherlin zusammen.
Für die Zukunft Deutschlands würde sich Professor Mecheril wünschen, dass Minderheitenrechte ernsthafter diskutiert werden. Obwohl Migranten ein oft debattiertes Thema sind und regelmäßig Integrationsgipfel stattfinden, beklagt Mecheril, dass dies oft eine einseitige Diskussion sei. Migranten würden lediglich in die Pflicht genommen, sich an Deutschland anzupassen, sodass Integration vielmehr in Assimilation ausarte.
Dennoch ist Professor Mecheril zuversichtlich: “Ich bin optimistisch, dass sich die Gesellschaft in den nächsten zehn Jahren verändern wird, auch weil sie kulturell, wissenschaftlich und auch politisch immer mehr von Menschen mitgestaltet werden wird, die einen Migrationshintergrund haben “.