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“Wer passiv ist, findet sich mit der Realität ab”

Sebastian Frankenberger hat Theologie studiert, zwei Unternehmen gegründet und ist Politiker. Nicht nur im Stadtrat – zur Europawahl kandidiert er für seine Partei, die ödp. Das Ziel ist nicht der Einzug ins Parlament, dafür ist die ödp zu klein. Trotzdem hat der Jungpolitiker Ambitionen und Visionen – für Bayern und Europa.
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bv_sebastian frankenbergerWer in den letzten Tagen und Wochen durch das niederbayrische Passau, an der Grenze zu Österreich und der Tschechischen Republik, marschierte, entdeckte die penetrante Werbung einer Partei, die nur in Bayern derart auf Stimmenfang geht: Die ökologisch-demokratische Partei. Die ödp ist auf die Stimmen aus Bayern und vor allem aus Passau, wo sie tendenziell mit das beste Ergebnis erzielen, angewiesen. Deshalb werben sie mit ihrem Aushängeschild: Dem Stadtkind Sebastian Frankenberger.

Frankenberger ist 27 Jahre alt und einer der Kandidaten der ödp für die Europawahl am 7. Juni. Er ist gebürtiger Passauer, studierte zunächst auf Lehramt, später Theologie und leitet zwei Unternehmen im österreichischen Linz und Salzburg. Er macht Stadtführungen in Kostümen – wie er das in Passau gelernt hat. 60 Stunden die Woche verbringt er derzeit mit einer anderen, seiner Meinung nach stark unterbezahlten Arbeit: Er ist Wahlkampfmanager einer Partei, die nicht ins Europäische Parlament einziehen wird.

Er entwirft die Plakate, die den Bayern ins Gesicht springen sollen – teilweise mit Fotos von ihm selbst. Er dreht Werbefilme und organisiert die Wahlhelfer. Nebenbei sitzt er für die ödp im Stadtrat, je nach Sitzungslage etwa zehn bis 20 Stunden extra.
Sein Ziel ist es, einmal Oberbürgermeister der Stadt Passau zu werden. „Ich muss realistisch sein, die ödp wird nicht in den Bundestag oder ins Europaparlament einziehen, maximal in den Landtag”, so der Politiker. Früher hat er sich einer erfolgreicheren Partei gewidmet, war Vorsitzender der lokalen Schüler Union und CSU-Mitglied: „Ich durfte mich aber nicht engagieren, wenn es gegen den Willen der Partei ging. Mir ist hingegen wichtig, dass es innerhalb der Partei auch verschiedene Meinungen geben darf.”

Nun tritt er also an, auf Listenplatz fünf. 2,6 Prozent ist das erklärte Ziel für Bayern. Warum aber verbringt er so viel Zeit mit einer Arbeit, die keine Früchte tragen wird? „Ich denke, dass es meine Berufung ist, mich einzusetzen. Ich möchte für mich und meine Nachkommen eine lebenswerte Umgebung und diese zu schaffen, geht nur über die Politik.” Für ihn war wichtig, sich für eine Partei zu engagieren, die nicht von der Wirtschaft abhängig ist und keine Konzernspenden annimmt.

Die ödp ist auf die 2,6 Prozent in Bayern angewiesen, da sie sich sonst mit der 0,5 Prozent-Hürde in Deutschland schwer tun würde. Wer bei Wahlen auf 0,5 Prozent kommt, erhält die Wahlkampfkosten zurückerstattet. „Ansonsten gibt es eine Klausurtagung und die Partei kann so wie sie derzeit ist, nicht fortbestehen.” Der Aktivismus müsste – finanziell bedingt – eingestellt werden. Da die ödp nur auf kommunaler Ebene in Bayern erfolgreich ist, arbeitet sie beispielsweise mit Volksbegehren. Derzeit werden Unterschriften zum Nichtraucherschutz gesammelt. Zum ersten Mal greifen sie hierbei auf das Soziale Netzwerk Facebook zurück.

„Wir müssen einfach schlagkräftiger werden, auch aufs Internet setzen. Unsere Website ist total veraltet.” Die Visionen sind vorhanden – aber die Arbeit ist erdrückend. In der Partei sind insgesamt nur zwei Menschen hauptamtlich tätig, der Rest arbeitet ehrenamtlich. Das Budget, das der CSU für die Stadt Passau zur Verfügung steht, hat die ödp bundesweit. Trotzdem hat Sebastian Frankenberger, der in Passau aufgrund seiner lokalen Bekanntheit antritt, Ambitionen und Vorstellungen.
„Ich bin idealistisch, ich kann etwas verändern, wenn auch nur auf einer geringen räumlichen Ebene. Aber Passivität bedeutet, sich mit der Realität abzufinden.” Manchmal sitzt der Frust trotzdem tief, wenn am Ende nichts Zählbares herauskommt: „In der Jugendarbeit hätte ich mehr erreichen können.” Viele seiner Freunde halten ihn für verrückt, weil er dennoch nicht aufgibt.

Kleine Erfolge gibt es dennoch. Schon vor vielen Jahren forderte die ödp auf biologischen Anbau zu setzen. Die Bio-Bewegung von heute zeigt, dass dieses Ziel nicht utopisch war. Auch Solarenergie entdeckte die ödp schon vor 20 Jahren. Damals machten sich viele lustig über die grün-konservative Partei. „Aber in der Regel vertreten wir als kleine Partei nur die Interessen einer kleinen Gruppe der Bevölkerung. Wir widmen uns neuen Aspekten, die bei den großen Parteien untergehen. Und so lange wir Interessen vertreten, ist unsere Arbeit und unser Einsatz legitim.”
Das Hauptziel der ödp ist Nachhaltigkeit, das Motto „weniger ist mehr”. Sie wollen, dass mehr auf Qualität als auf ständiges Wachstum gesetzt wird. Für Europa fordern sie den Ausstieg aus dem Eurotom-Vertrag, der besagt, dass Atomenergie gefördert wird. Außerdem soll Flugbenzin höher besteuert werden, damit die Anbieter auf regenerative Energien setzen. „Der Klimaschutz ist etwas, was man länderübergreifend regeln kann und muss. Dafür benötigen wir ein europäisches Einheitsmodell.”

Für Europa wünscht sich Frankenberger ein föderatives System. Nur die sinnvollen Entscheidungen, wie beispielsweise die Klimapolitik, sollten auf europäischer Ebene diskutiert werden. Mit der derzeitigen Rolle der EU hat der Unternehmer ein Problem. „Wir brauchen einen Europapräsidenten, der vom Volk gewählt wird. Wir brauchen eine Verfassung, bei der die Menschenrechte an erster Stelle stehen und den Menschen mehr Macht gibt. Wir haben ein Europa der Konzerne, aber wir brauchen ein Europa der Politik.”

Derzeit läuft eine Klage der Linkspartei, der ödp und einzelnen Abgeordneten andere Fraktionen gegen den Vertrag von Lissabon. „Der Vertrag in dieser Art hebelt das Grundgesetz aus, weil er fordert, dass jedes Land sich militärisch weiterentwickelt. Außerdem hat die Kommission, die nicht gewählt ist, sondern ein eingesetztes Gremium ist, zuviel Macht und die Privatwirtschaft ist ebenfalls zu mächtig.” Im Februar waren die Anhörungen vor dem Bundesverfassungsgericht, nach der Europawahl werden die Ergebnisse erwartet.

Erst dann kann Bundespräsident Horst Köhler den Vertrag ratifizieren oder er muss seine Unterschrift verweigern.
Mit der Kritik an der Europäischen Union kommen die eigenen Wünsche für Europa: „Ich hoffe, dass es irgendwann eine direkte Demokratie gibt. Die Bürger müssen aufgeklärt werden, sich mit den Themen auseinandersetzen, um die Thematik zu verstehen. Und Konzernspenden müssten verboten werden, dann können alle unabhängig Politik machen.” Und ein vielfältiges Europa kann länderübergreifend Freude bringen. Kulturelle Events wie der Eurovision Song Contest oder das Erasmusprogramm an Universitäten sind gute Beispiele für ein erfolgreiches, tolles Europa.

Für die Wahl am 7. Juni ist Frankenberger wichtig, dass sich alle Bürger wirklich Gedanken machen, wo sie ihr Kreuz setzen: „Mit seiner Stimmvergabe wählt man auch eine ganze Ideologie, die man mit einem reinen Gewissen unterstützen muss”, so der Jungpolitiker. Und nur wer wählen geht, kann etwas verändern. Sebastian Frankenberger hofft auf die 0,5 Prozent und wird seine Arbeit weiter verrichten. „Nur Idealisten setzen Impulse”, lächelt er.

(Text: Miriam Keilbach / Foto: Sebastian Frankenberger)

Miriam K.

Miriam war 2007 im Gründungsteam von backview.eu. Sie volontierte beim Weser-Kurier in Bremen und arbeitet seit 2012 als Redakteurin bei der Frankfurter Rundschau. Ihre Themen: Menschen, Gesellschaft, Soziales, Skandinavien und Sport.

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