FußballSport

Leipziger Allerlei

Am Sonntag endete in Leipzig der erste bundesdeutsche Fan – Kongress. Zwei Tage lang diskutierten rund 420 Fans und Offizielle in fünf verschiedenen Foren über Fankulturen, Spannungsfelder, Fanbetreuung, Anti – Diskriminierung und Länderspiele. Ob die Veranstaltung tatsächlich Früchte trägt, wird die Zeit zeigen.
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Theo Zwanziger, Präsident des Deutschen Fußball – Bundes (DFB), eröffnete von offizieller Seite die Veranstaltung. In seiner Rede prangerte er Rassismus und Gewalt in deutschen Stadien an. Das Medienecho war groß und durchweg positiv. Auch bei den Fans konnte Zwanziger punkten. Sein Auftritt war engagiert und glaubwürdig. Anschließend traf man sich in den fünf Foren, die parallel stattfanden. Die interessantesten Diskussionen entwickelten sich in den Foren Fankulturen und Spannungsfelder.

Die fortschreitende Kommerzialisierung des deutschen Fußballs ist vielen Fans ein Dorn im Auge. Im Forum Fankulturen wurden Auswirkungen erörtert und Forderungen gestellt. Wirft man einen Blick auf das Mutterland des Fußballs, dann sind die Befürchtungen vieler Fans berechtigt. Investoren übernehmen ganze Vereine und strukturieren sie nach ihrem Willen um. Dass die Fans dabei meist auf der Strecke bleiben, zeigt die Geschichte des FC United of Manchester. Im Jahre 2005 gründeten mehrere tausend Fans von Manchester United den neuen Club, weil sie mit der Übernahme des Amerikaners Malcolm Glazer und seiner Vereinspolitik nicht einverstanden waren.

In Deutschland ist der erste Schritt mit dem Verkauf der Stadionnamen schon getan. Mögliche Auswirkung ist der Identitätsverlust des Vereins. Auch die Fans bekommen die Kommerzialisierung am eigenen Leib zu spüren.  So ist vielerorts in Deutschland die Rede, dass man Stehplätze abschaffen müsse, um sie durch teurere Sitzplätze zu ersetzen. Die so genannten „Kunden“ sind die neue Zielgruppe der Stadionbetreiber, altgediente  Fanstrukturen fristen auf Grund des modernen Fußballs ein Schattendasein. Beispielsweise ist es keine Selbstverständlichkeit mehr, sein Banner oder seine Zaunfahne aufzuhängen, da die darunter liegenden Werbeflächen verdeckt werden könnten.

Die Forderungen des Bündnis aktiver Fußballfans (B.A.F.F.), einem der Mitorganisatoren des Fan – Kongresses, lauten daher: Die Vereine müssen 50% plus an der Kapitalgesellschaft halten, Fans muss ein Mitspracherecht das Vereinsleben betreffend zugesichert werden, Vereinsfarben, -wappen und -namen müssen weiterhin geschützt bleiben und eine Mindestanzahl von Stehplätzen muss garantiert werden.
Kurzfristig wird von DFB und der Deutschen Fußball Liga (DFL) erwartet, den Forderungen schriftlich zuzustimmen, mittelfristig müsse ein öffentliches Zugeständnis  erfolgen, langfristig (Stichtag 1.1.2008) eine vollständige Umsetzung der Forderungen bundesweit.

Im Forum Spannungsfelder ging es hauptsächlich um Polizeiwillkür, die Datei Gewalttäter Sport und die zweifelhafte Vergabepraxis der Stadionverbote.
Auswärtsfahrer werden die Situation kennen: Man möchte seine Mannschaft auswärts unterstützen, fährt gemeinsam mit der Bahn zum Austragungsort und wird am Bahnhof von einer Horde Polizisten in Kampfmontur empfangen. Im Polizeikessel geht es dann in Richtung Stadion. Dem Fan wird der Einkauf von Getränken verboten, Urinieren ist ebenfalls strengstens untersagt. Menschliche Bedürfnisse werden notfalls unter Androhung einer Verhaftung verweigert.

Dieses Beispiel verdeutlicht die Unverhältnismäßigkeit der allwöchentlichen Polizeieinsätze rund um den Fußball. Die Kommunikation zwischen den Fans und der Staatsmacht muss deutlich verbessert werden. Verwirklicht werden könnte dies durch die Einführung eines Auswärtsfanbeauftragten, der als Vermittler zwischen den Parteien fungiert. Um dem Posten die nötige Glaubwürdigkeit zuzusichern, sollte selbiger als Grundlage der Lizenzerteilung der ersten drei Ligen in der Satzung des DFB und der DFL verankert werden, so das B.A.F.F in seiner Pressemeldung zum Fan – Kongress.

Wäre die nachfolgende Geschichte nicht die nackte Wahrheit, könnte man herzhaft darüber lachen: Es war einmal ein Fußballfan, der nach Jahren wieder die Gelegenheit hatte, seinen Verein im internationalen Wettbewerb zu bewundern. Urlaub hatte er genommen, Flug und Hotel waren gebucht, also begab er sich bester Dinge zum Flughafen. Dort angekommen folgte sein persönliches Waterloo. Der Mann am Flughafenschalter teilte ihm mit, dass er ihm die Ausreise verweigern müsse, mehr könne er dazu leider nicht sagen. Verständlicherweise war der Fußballfan erbost und hielt die Aktion für einen schlechten Scherz, schließlich hatte er eine Menge Geld für seinen Kurztrip ausgegeben. Die herbeigerufenen Polizisten konnten die Situation (un)erfreulicherweise aufklären.

Ohne es zu wissen ist der Fan in der Datei Gewalttäter Sport registriert. Er ist nicht der Einzige, denn es gibt keine Auskunftspflicht über die Speicherung in der Datei.
Das Ziel der von der Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) in Leben gerufenen Datei Gewalttäter Sport mag richtig sein: Hooligans sollen durch die Speicherung ihrer Daten davon abgehalten werden, in nationale Stadien zu gelangen. Das Konzept der heimlichen Datenspeicherung ist jedoch falsch! Ein Betroffener muss informiert werden, sobald er in der Datei geführt wird. Ebenso müssen seine Daten gelöscht werden, wenn sich sein Eintrag als hinfällig erweist.

Der für viele Teilnehmer wichtigste Punkt war die Diskussion über die bundesdeutschen Stadionverbote. Hierbei handelt sich um ein drei- bis fünfjähriges Verbot, deutsche Fußballstadien bis hin zur Regionalliga nicht betreten zu dürfen. Glaubt man Spiegel Online, wurden bis zum Ende der vergangenen Saison fast 3.500 Stadionverbote ausgesprochen. Insbesondere deren Vergabe stößt unangenehm auf.
In Fankreisen ist vermehrt von ungerechtfertigten Stadionverboten die Rede. Solche seien schon für „schwerwiegende Delikte“ wie etwa harmlose Schubsereien, oder das Urinieren auf Stadiongelände verhängt worden. Aktuellstes Beispiel für die zweifelhafte Vergabe ist ein Vorfall zweier Fangruppen auf einem Rastplatz nahe Würzburg. Bei einem Übergriff auf die gegnerischen Fans, wurde eine Frau schwer verletzt. Als Reaktion auf diesen Angriff folgte die Aussprache eines Stadionverbots gegen alle Businsassen, obwohl nachweislich nur eine handvoll Chaoten die gegnerischen Fans angegriffen hatten. Dass eine solche Aktion zu verurteilen ist, steht außer Frage, aber alle Personen kollektiv zu bestrafen entbehrt jeglichem Demokratieverständnis.

Die Diskussion in diesem Forum hat gute Ansätze hervorgebracht. Das belegen auch Theo Zwanzigers Worte: „Einige Dinge habe ich so noch nicht gesehen“. Die Pressemeldung des B.A.F.F. konkretisiert, was hinsichtlich der Stadionverbote geändert werden muss.
Jedem Betroffenen soll eine persönliche Anhörung gestattet sein, bevor ihm ein Stadionverbot auferlegt wird. Die bisherige Praxis war ein Brief, in welchem dem Adressat kurz und knapp mitgeteilt wurde, dass er ein Stadionverbot auf xx Jahre zu verbüßen habe. Der Beurteilung des Sachverhalts durch das Fanprojektes, welches dem Betroffenen helfend zur Seite stehen soll, soll mehr Gewichtung beigemessen werden.

Ein weiteres Novum ist der Vorschlag, dass von nun an der Bezugsverein über das Stadionverbot zu entscheiden hat und nicht – wie vorher üblich – der Verein, bei dem sich der Vorfall ereignet hat. Auch die Dauer betreffend gibt es Verbesserungsmöglichkeiten. Das Stadionverbot soll künftig eine Höchstdauer von einem Jahr betragen, welche aber nur in Extremfällen verhängt werden dürfe. Zudem ist mindestens die Hälfte zur Bewährung auszusetzen, gegebenenfalls hat der Betroffene Auflagen sozialer Art zu erfüllen. Die aktuelle Höchstdauer eines Stadionverbots liegt bei fünf Jahren, nur in seltenen Fällen wurde ein Teil der Strafe erlassen.

Zum Leipziger Fan – Kongress bleibt festzuhalten, dass er definitiv ein Schritt in die richtige Richtung war. Mit Theo Zwanziger hat man, im Gegensatz zu seinem Vorgänger Gerhard Mayer – Vorfelder, einen weltoffenen und fanfreundlichen DFB Präsidenten an seiner Seite. Trotzdem bemängelten viele Teilnehmer, die Organisatoren mit inbegriffen, dass zu wenig Offizielle vor Ort waren.
Das wird auch das Problem in Zukunft sein. Es darf nicht passieren, dass die Belange der Fans für unwichtig abgetan werden und sich in den Mühlen der Demokratie verlaufen. Fans, DFB und DFL müssen Hand in Hand gehen, um eine lebendige Fankultur in Deutschland zu sichern. Helmut Spahn, seines Zeichens Sicherheitsbeauftragter des DFB, erklärte, dass bis zum Rückrundenstart der Bundesligasaison 2007/08 konkrete Ergebnisse ausgearbeitet sein würden.

In Anbetracht der Tatsache, dass dem DFB schon seit geraumer Zeit ein Positionspapier der Frankfurter Fanszene vorliegt, welches die Vergabe der Stadionverbote verbessern und vereinfachen soll, darf man gespannt sein…

(Text: Matthias Hoffmann / Fotos: www.aktive-fans.de)

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