Ich mache mir zwar sehr selten bis gar keine Gedanken darüber, aber was würde ich eigentlich tun, wenn gerade meine letzten 24 Stunden anbrechen? Wie würde ich meinen Tag verbringen mit dem Wissen, dass morgen die Welt untergeht, die Erde von Aliens besiedelt wird oder ich vom Blitz getroffen werde? Vielleicht sollte man solche Fiktionen mal öfters durchdenken.
Ich habe heute so viel vor
Ich würde meinen letzten Tag auf Erden gerne in seiner Ganzheit spüren, alle Minuten nutzen, jede Sekunde auskosten, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Wäre heute mein letzter Tag auf Erden, würde ich noch einmal genau das tun, was mir in meinem bisherigen Leben am meisten Freude bereitet hat. Viele kleine Momente noch mal erleben. Ich würde gerne die Menschen in den Arm nehmen, die mir wichtig geworden sind, der Musik lauschen, die ich immer höre, durch den Sommerregen laufen, ein kühles Bier trinken, die Nacht durchtanzen, heimlich aufs Dach klettern und in die Sterne gucken – ganz banale Dinge eben.
Und endlich alle meine Träume erfüllen, Unbekanntes entdecken und Dinge tun, die ich mir schon seit langem vorgenommen habe. Ich würde gerne Spanisch lernen, es mal schaffen, die SZ komplett von vorne bis hinten durchzulesen, spontan durch Neuseeland reisen, mein gesamtes Geld auf den Kopf hauen und mal meine Seminararbeit abschließen. Ich wollte schon immer mal einen Café Latte vor dem Eiffelturm schlürfen, Barack Obama die Hand schütteln, meiner Mutter meinen Dank für alles aussprechen, vor meinem Kommilitonen zugeben, dass ich ihn bereits in allen in Deutschland verfügbaren sozialen Netzwerken gestalkt habe und meiner Nachbarin offenbaren, dass ihr spießiges Verhalten furchtbar nervt.
Jeden Tag ein bisschen leben
Natürlich ist das unmöglich, denn – wie soll es anders sein – auch der letzte Tag auf Erden hat eben nun mal nur 24 Stunden. Schnell noch mal alles erleben geht nicht. Und plötzlich – wenn man weiß, dass morgen alles vorbei ist, muss man sich entscheiden. Entscheiden, welche Tätigkeit es wert ist, die gezählten Tage hier auf der Erde abzuschließen. Dieses Gedankenspiel ist skurril, ja, aber vielleicht kann man dadurch besser einschätzen, was man eigentlich will – es soll ja Leute geben, die wissen so etwas.
Leider kann man nicht jeden Tag so tun, als seien es die letzten 24 Stunden auf Erden – Pflichten gehören zum Alltag nun mal dazu. Doch könnte man zumindest mal versuchen, jeden Tag ein bisschen mehr zu leben. Jeden Tag wenigstens ein klein wenig auch das tun, was man so gerne macht. Wer weiß schon, ob heute nicht doch der letzte Tag auf Erden ist?
Und nun?
Aber jetzt mal ganz ehrlich: Wahrscheinlich würde ich einfach nichts tun. Wahrscheinlich würde ich in den Tag hineinleben ohne einen Plan zu haben, aus Angst, sich für die falsche Tätigkeit zu entscheiden. Geballt von den vielen Möglichkeiten würde ich sicherlich einfach liegen bleiben und warten.
(Text: Christina Hubmann)