[divide]
Leider war ich nicht die einzige mit diesem Plan: Die völlig überbuchte Herberge war voll mit Erasmus- und anderen Studenten aus der ganzen Welt, die sich alle auf die gleichen Wohnungsanzeigen im Internet stürzten und dieselben Zimmer besichtigten – und die hatten es in sich.
Ein Auszug aus meiner Bilanz nach einer Woche und der Besichtigung von neun Zimmern: Ein affektierter Inder in einem Vorort. Eine alte Dame, für die Ruhe das Wichtigste ist und die ein Zimmer mit einem Einzelbett und einem winzigen Schreibtisch, die ihre besten Jahre schon lange hinter sich haben, als möbliert vermietet.
Fünf alternative Gestalten in einem völlig verdrecktem Haus. Ein nicht abschließbares, fensterloses Durchgangszimmer bei einem kettenrauchenden, arbeitslosen, vierzigjährigen Tunesier – immerhin in bester Lage.
Bei aller Liebe und noch so viel gutem Willen: So anspruchslos oder verzweifelt kann niemand sein. Das Schlimme an der Sache war allerdings, dass es sogar bei solchen Angeboten zwanzig Mitbewerber gab!
Zudem ist Lyon wirklich ein teures Pflaster – was die Studentenwohnungen angeht, wird das Münchner Niveau, wenn nicht übertroffen, so doch zumindest erreicht.
Generell scheinen die Franzosen weniger Wert auf ihre Häuser und Wohnungen zu legen. Viele Häuser sehen von außen völlig heruntergekommen aus, von der Architektur in den Vororten ganz zu schweigen – dabei gehört Lyons Altstadt zum UNESCO-Weltkulturerbe. Wirklich elegant gekleidete, gepflegte Leute kommen aus Wohnungen, die kurz vor dem Zusammensturz zu stehen scheinen.
Zumindest aus meiner Sicht kam bei der Zimmersuche zudem erschwerend hinzu, dass in fast allen Wohnungen völlig selbstverständlich geraucht wird – in Deutschland wurde zumindest gefragt, ob das ein Problem sei.
Ein paar Kompromisse muss man, wie in jeder Beziehung, auch bei der WG-Suche eingehen, und so bin ich, kurz bevor mich das ausgebuchte Hostel auf die Straße setzte, doch noch in einem schönen Zimmer gelandet, in dem auch schon ein Bett stand.
Ein Hoch auf die Globalisierung: Auch Lyon hat einen IKEA, und der bügelt über sämtliche länderspezifischen Vorlieben hinweg und verkauft auch richtige Bettdecken. Nur die französischen Kopfkissen sind etwas kleiner als die deutschen. Aber das ist beim Einkuscheln nur ein kleines Hindernis.
(Text: Merete Elias / Foto: Henni16 / jugendfotos.de)