Im Fußball gibt es ein großes Tabuthema: Homosexualität. Rudi Assauer sagte einst, kein schwuler Fußballer sollte sich outen – er würde „plattgemacht”. Auch Fußballerinen wird oft Homosexualität unterstellt. Dagegen geht der DFB vor der WM an: Indem die Frauen sich vor jeder Kamera schminken – und junge Fußballerinnen sogar im Playboy blankziehen.
Schwule sollten sich lieber etwas anderes suchen, sagte Rudi Assauer einst. Homosexuelle Fußballspieler würden von den Mitspielern und Fans im Stadion plattgemacht. „In anderen Sportarten mag das vielleicht gehen, aber im Fußball funktioniert das nicht”, sagte er auf Spiegel Online. Im Herrenfußball ist Homosexualität nach wie vor eines der größten Tabuthemen.
Und das hat den gleichen Ursprung wie das Vorurteil, dass im Frauenfußball alle lesbisch wären. Fußball wird in der Gesellschaft nach wie vor als Männersport wahrgenommen, ähnlich wie das Boxen. Wer mitspielt, ist männlich. Frauen, die männlich sind, sind lesbisch, so die einfach Gleichung in vielen Köpfen. Männer wiederum, die schwul sind, sind nicht männlich.
Obwohl wir in einer Zeit leben, in der Homosexuelle in der Gesellschaft im Gros akzeptiert werden, heiraten dürfen und Kinder adoptieren dürfen, finden sich in der Männerdomäne Fußball nach wie vor all jene Vorurteile, gegen die Homosexuelle und Menschenrechtler seit Jahrzehnten ankämpfen. Und in genau diesen beiden Punkten, die auf den ersten Blick widersprüchlich wirken, üben sich die Fußballnationalspielerinnen im Reden, Reden, Reden: Lesbische Mannsweiber und Hässlichkeit.
Da wäre zum einen das Vorurteil, dass fußballspielende Frauen lesbische Mannsweiber wären. Weil sich immer mehr Fußballerinnen offen zu ihrer Bi- oder Homosexualität bekennen, machen sie sich damit weniger angreifbar. Ein offensiver Umgang hilft. Zuletzt haben sich die beiden deutschen Torhüterinnen Nadine Angerer und Ursula Holl zu ihrer Bi-, beziehungsweise Homosexualität benannt. Nadine Angerer ist „da offen, weil ich der Meinung bin, dass es nette Männer und nette Frauen gibt, und weil ich eine Festlegung generell total albern finde”, sagte sie dem Zeit-Magazin. Ursula Holl machte ihre Hochzeit mit einer Frau öffentlich.
Vor einigen Jahren waren es die ehemaligen Nationalspielerinnen Inka Grings und Linda Bresonik, die Schlagzeilen machten. Zunächst waren die beiden fünf Jahre miteinander liiert, danach hatten beide mit dem ehemaligen Fußballprofi Holger Fach eine Beziehung. Heute sind die beiden zerstritten.
Obwohl die Frauen inzwischen so offen mit dem Thema Sexualität umgehen, raten sie den Männern, es (noch) nicht gleichzutun. Fußballer stehen viel mehr in der Öffentlichkeit, spielen vor größerem und teilweise aggressiverem Publikum. „Dass sich schwule Fußballer outen sollen, halte ich immer noch für problematisch. Der Fan im Stadion kann grausam sein. Diese öffentlichen Anfeindungen wären nur schwer auszuhalten”, sagte Holl und fügte hinzu: „Ich würde keinem Fußballer raten, sich zu outen.” Auch Nationaltrainerin Silvia Neid sieht das so: „Wenn man sich im Männerfußball outen würde, wäre das nicht witzig. Bei den Fans bei den Männern geht es anders zu.”
Das böse S-Wort
Oliver Lück und Rainer Schäfer schrieben 2004 in ihrem Bericht „Warten auf das Coming Out” auf Spiegel Online: „Denn im Fußball ist schwul ein übles Schimpfwort, eine der schlimmsten Beleidigungen unter Männern.” Schwul ist das Wort, das von Fans für alles benutzt wird – wie Teenies “krass” verwenden. Mit einer Ausnahme: Das Wort “schwul” ist negativ konnotiert. In der Männerdomäne Fussball gilt Schwulsein als Schwäche. Harte, starke Männer sind nicht schwul. Schwul sind verweichlichte, tuntige Typen, die lieber ihre Fingernägel lackieren, als Stollenschuhe anzuziehen. Das wissen vor allem die Fans der gegnerischen Mannschaft.
Viel wird geschrieben und geredet darüber, dass in der deutschen Gesellschaft 15 Prozent der Bürger homosexuell sind. Also müssten rein statistisch gesehen auch unter Bundesligaspielern einige Homosexuelle sein. Doch bis zum Outing ist es noch ein langer Weg – das hat die Politik gezeigt. Inzwischen ist es völlig normal, von schwulen Wowereits und von Beusts regiert zu werden und einen schwulen Außenminister zu haben, der wegen vielem, aber nicht seiner Homosexualität wegen, karikiert wird.
Die Frauen in der deutschen Nationalmannschaft kämpfen hingegen schon im nächsten Schritt. Sie wollen zeigen, dass nicht alle Lesben dicke Mannsweiber mit zu viel Testosteron sind. Einst sagte Brigit Prinz: „Wir möchten unseren Sport vermarkten, nicht unseren Hintern” – aber diese These ist längst überholt. Ihre Mitspielerinnen lassen sich geschminkt in hübschen Kleidern, hohen Pumps und mit teurem Schmuck fotografieren. Oder ziehen sich, wie es nun die Nachwuchsspielerinnen Selina Wagner, Julia Simic, Annika Doppler, Kristina Gessat und Ivana Rudelic taten, im Playboy aus – um das falsche Bild von unattraktiven Fußballerinnen zu widerlegen, wie sie sagen. „Die meisten Spielerinnen in den höheren Ligen sind zwar sehr durchtrainiert, sehen aber immer noch weiblich aus – und oft auch sehr gut”, sagte die 19-jährige Annika Doppler der B.Z.
Die Strategie des Fußball Bundes
Wochen und Monate vor der Weltmeisterschaft sind sogar Marketingtage vom Deutschen Fußball Bund (BDF) angesetzt worden, um die Fußballerinnen besser darzustellen. Die Teammanagerin der Frauen, Doris Fitschen, sagte dem ZDF, die Werbekampagnen würde man dazu nutzen, die Spielerinnen zu positionieren, wie sie sind: „authentisch, modern, attraktiv und selbstbewusst”. Immer wieder fällt das Wort “attraktiv”, wenn es darum geht, das Optische der DFB-Kickerinnen zu beschreiben. „Dass sie nicht nur auf, sondern auch neben dem Platz gut aussehen” steht auf der DFB-Seite über ein Fotoshooting in der „Brigitte” zu lesen.
Dass diese Feminisierung jetzt kommt, ist gewollt. Mannsweiber will keiner im Stadion sehen, wenn sexy Frauen in kurzen Hosen auflaufen und einen Ball kicken, sieht das ganz anders aus. Sex sells, das zeigen auch die Männer um Cristiano Ronaldo und David Beckham. Attraktive Fußballer bringen das große Geld in der Werbebranche. Und so tun die Werbebosse alles, um die Frauen hübsch, sexy, attraktiv aussehen zu lassen.
In einem Werbespot beispielsweise sind Kim Kulig, Célia Okoyino da Mbabi und Fatmire Bajramaj während eines Spiels zu sehen. Nachdem der Ball Richtung Tor befördert ist, packt Bajramaj einen Lippenstift aus, während Kulig und Mbabi Rouge und Wimperntische rausholen. „Die schönste WM aller Zeit” lautet der Slogan zur Kampagne. „Weibliche Anmut und Schönheit sind kein Widerspruch zu sportlichem Erfolg und Technik”, sagte der Elektrohersteller, für den der Werbespot ist, dem Tagesspiegel. Kritiker sehen darin die Gefahr, sportinteressiertes Publikum zu vertreiben und das Publikum davon abzulenken, was die Frauen wirklich können: Fußballspielen, nicht gut aussehen.
Trotzdem: Der Imagewandel tut dem Frauenfußball gut. Vielleicht kommt die Weltmeisterschaft noch einige Jahre zu früh. Die Bemühungen wirken noch zu gewollt, zu inszeniert. Man kann den Frauen noch nicht abnehmen, dass sie hundert Prozent hinter dieser “Schönheitsnummer” stehen. Schaden tut es ihnen aber auch nicht: Menschen, die wissen, dass WM ist, schauen sich Spiele an. Und Publikum, das schon im Stadion ist, lässt sich leichter davon überzeugen, dass diese hübschen Frauen auch Fußball spielen können.
(Text: Miriam Keilbach)