KulturMusik & Theater

Digitale Klangreise

Es ist Sommer und Musik liegt in den Bites. Dank modernster Technologie sind Ohrwürmer und Hits jederzeit verfügbar. Das Netz ist eine große Konzerthalle für jeden Musikgeschmack. Doch am Anfang, war die große Stille in den noch überschaubaren digitalen Weiten. Am Tag der Musik blicken wir zurück auf die Zeit als Töne zu programmieren lernten. Die Leser bekommen zu hören, wie der Klang ins Internet kam.[divide]

Spiel es noch einmal, mein digitaler Freund

Jedes Jahr am 21. Juni, dem offiziellen Sommeranfang, wird die warme Jahreszeit klangvoll begrüßt. Begründet wurde die Tradition der Fete de la musique 1981 von dem damaligen französischen Kulturminister Jack Lang Grundgedanke dieses Tages ist es, die lokale Musikerszene zu fördern und die musikalische Vielfalt auszudrücken. Gemeinsam mit dem Publikum spielen die Künstler auf kostenlosen Konzerten in der ganzen Stadt denn Sound des Sommers. Immer wieder werden diese Melodien gehört vor allem im Netz. Doch erst die Moderne machte es möglich, Musik zu wiederholen, weiterzugeben und zu teilen. Die digitale Klangreise führt von den Anfängen der Tonaufnahme zum Takt der digitalen Welt.

„Spiel es noch einmal, Sam“, ist ein bekanntes Filmzitat aus dem Klassiker Casablanca. Lange Zeit waren die Musikfreunde auf Konzertbesuche angewiesen oder bestellten sich Hausmusiker in ihre Salons. Darum kam schon im 16.Jahrhundert der Italiener Giovanni Battista della Porta (1538-1615) auf die Idee, man könne Töne in einem Behälter einfangen und sie dann nach Belieben wieder entlassen. Bis zur ersten Tonaufnahme sollen aber noch viele Jahrhunderte vergehen. Die erste erhaltene Tonaufnahme wird auf das Jahr 1860 datiert. Kurze Zeit später stelle der Erfinder Thomas Edison 1877 seinen Phonographen vor, zeitlich dicht gefolgt von den Schallplatten 1888.

Musik im InternetZeitgleich etablierte sich die programmierte Musik. Im Jahre 1883 stellte der Fabrikant Emil Welte die Notenrolle vor. Im Gegensatz zu den sehr empfindlichen Stiftwalzen ermöglichten die Lochkarten eine schnelle, bequeme und günstige Form automatische Instrumente und Musikautomaten zu bedienen. Der Geist einer neuen Zeit war zu hören.

Zunächst verstand man unter elektrischer Musik jegliche Musik, die Elektronik zum Abspielen verwendet. Erst 1948 definierte der Physiker und Kommunikationsforscher Werner Meyer-Eppler den Klang seiner Zeit neu. Seitdem wird elektrische Musik definiert als solche, bei der die Töne direkt durch elektronische Geräte erzeugt werden. Eppler leistete hier Pionierarbeit als Mitbegründer des „Studios für elektrische Musik“ in Köln 1951, dem ersten seiner Art weltweit.

Im Zuge der Verbreitung von Computern begannen immer mehr Komponisten sich für die Möglichkeiten der elektronischen Musik zu interessieren. Unter anderem fand am 25. August 1978 das „First Philadelphia Computer Music Festival“ statt, auf dem Komponisten ihre digitalen Kompositionen darboten.

Mittlerweile sind die Möglichkeiten der digitalen Musik soweit vorangeschritten, dass kaum ein Film oder Videospiel mehr ohne sie auskommt. Das heutige Klangerlebnis ist mit den einfachen 8 Bit Tönen der ersten Computersounds kaum mehr zu vergleichen. Doch diese Melodien sind inzwischen Kult und haben ihre eigene Kunstform, den Chiptune, geschaffen.

Töne, die das Netz bedeuten

Am Anfang war das Netz stumm und still, doch dann sprach Elwood Edwards: „ Welcome. You´ve got Mail.“

Nur wenige User mögen jemals von dem amerikanischen Sprecher Elwood Edwards gehört haben, seine Stimme haben sie aber sicher gehört. Bis dato waren die technischen Kommunikationsmittel stumm, doch 1989 baten die Entwickler der AOL Software Edwards um Unterstützung. Aufgenommen auf einem Kassettenrekorder im eigenen Wohnzimmer, wurde Edwards zur Stimme des Internets. „You´ ve got Mail“, im gleichnamigen Film aus dem Jahre 1998 spielte der Sprecher mit seiner Stimme sogar ein Hauptrolle. Heute sind diese wenigen Worte Kult, gehören zum kollektiven Gedächtnis der ersten Internetpioniere. Wer möchte, dem bietet Edwards sogar an, eine personalisierte Mailbenachrichtung aufzunehmen. „You ve got mail, liebe Leser“

„Wir möchten ein Musikstück, das inspirierend, universal, blah-blah, da-da-da, optimistisch, futuristisch, sentimental, emotional“ und etwa 150 weitere Adjektive sein soll. „ Es muss 31/4 Sekunden lang sein“. Das war der Auftrag mit dem die Entwickler von Microsoft 1994 an den Komponisten Brian Eno herantraten. Dieser befand sich zu der Zeit in einer kreativen Krise, weshalb ihm der Auftrag sehr gelegen kam, sich an etwas völlig Neuem auszuprobieren. Über 84 Bitsequenzen wurden vorgestellt, ehe der Urklang des wohl erfolgreichsten Betriebssystems seiner Zeit ertönte. Ironischerweise wurde die Melodie auf einem Apple Macintosch komponiert. Viele Betriebssysteme kamen und gingen, doch die Melodie blieb im Ohr. Ihr zur Ehren komponierte der britische Komiker Rainer Hersch einen eigenen Walzer.

Bits und Codes spielen den Sound des Lebens

Nach diesem musikalischen Urknall, legte die digitale Revolution einen Blitzstart hin. Was als kleiner Spaß begann, sollte sich zum größten Hype des Jahres 2005 entwickeln. Die Geschichte begann im Jahre 1997 als der 17 jährige Schwede Daniel Malmedahl die knatternden Geräusche des Mofas seines Freundes imitierte. Schnell verbreitete sich die Aufnahme im Internet unter dem Titel „2taktare“ und wurde in Flashanimationen verwendet. Malmedahl trat in mehreren TV Sendungen auf. Darauf kreierte sein Landsmann Erik Wernquist 2003 den Charakter „The Annoying Thing“, später als Crazy Frog bekannt. Die große Krötenwanderung begann, plötzlich war der verrückte Frosch jederzeit und überall.
In einer Zeit in der Handys sich vor allem durch ihre Klingeltöne unterschieden, wurde dieser Frosch zu einem globalen Phänomen. Der Hype ging soweit, dass die britische Band Coldplay zum kollektiven Froschschenkelessen aufrief, da Crazy Frog diese von Platz 1 der Charts vertrieben hatte.

Längst ist der Crazy Frog verstummt, wie so viele andere alt vertraute Geräusche. Um deren Klang zu bewahren und einen Eindruck zu geben, wie die Welt früher einmal geklungen haben muss, gründete Brendan Chilcutt das „Museum der gefährdeten Töne“. Wie klingt eine Schallplatte, wer erinnert sich an das unverkennbare Knacken bei den ersten Internetzugängen? Wie hörten sich die ersten Kameras an oder was war das für ein Geräusch, wenn man die Wählscheibe drehte? Dieses Onlinemuseum macht es möglich noch einmal zu erleben, wie die Welt geklungen haben muss, bevor die Töne online gingen.

Man muss zwischen die Noten sehen

„Wo man singt, da lass dich nieder, den böse Menschen haben keine Lieder“, schrieb einst der Dichter Johann Gottfried Seume (1763-1810). Die verbindende und wohltuende Wirkung von Musik wird immer wieder bestätigt. Hier möchte das „The Humane Sound Project“ ansetzten. Vor drei Jahren ins Leben gerufen bringen die Initiatoren Menschen verschiedener religiöser, kultureller, ethnischer Herkunft zusammen um mit ihnen einen Song zu komponieren. Das Projekt war bereits in den Israel und dem Westjordanland, den Favelas in Brasilien oder den Townships in Südafrika unterwegs.

Aber auch jeder einzelne Musikfreund als User ist dazu eingeladen mitzukomponieren. Dem Informatiker Brendon Ferris kam die Idee einer globalen Komposition, als er sich das Konzept der Wikipedia ansah. Wenn Menschen Wissen teilen und weitergeben, so müsste dies doch auch für Musikgeschmack gelten, dachte er sich, worauf er sich ans Werk machte. Das Projekt „Crowd Sound“ ermöglicht es jeden aktiv zu gestalten, wie eine“ Hymne des Internets“ einmal klingen wird. Dazu wird eine Auswahl von kurzen Tönen vorgegeben, aus denen der nächste Ton gewählt werden kann. Die Sequenz mit den meisten Stimmen wird dem Stück angehängt, bis dieses ihr Ende erreicht hat. Danach soll die Melodie jedem Künstler zu Verfügung stehen. Diese können sie dann je nach seinem eigenen Stil interpretieren. Derzeit läuft bereits das Nachfolgeprojekt an, welches die Gemeinschaft der Komponisten dazu einlädt am Text der Internethymne mitzuwirken und diese später dazu zu singen.

„Wir singen nicht schön, aber laut, den entscheidend beim Singen ist das man sich traut“ Das dachte sich auch der Dirigent Eric Whitacre als er 2009 das Video einer jungen Frau sah, die seine Komposition „Sleep“ interpretierte. Beeindruckt von der Idee begann er den „Virtual Choir“ ins Leben zu rufen. Hierzu lädt er Menschen dazu ein, eines seiner Werke vorzutragen und sich dabei zu filmen. Anschließend werden die Videos zusammengetragen und bilden so den wohl größten Chor der Welt. Anlässlich der Eröffnung der Commonwealth Spiele in Glasgow 2014 vereinte Whitacre auf diese Weise über 2292 Menschen aus 80 Nationen, die gemeinsam digital sangen.

Das klingt sehr gut, denn egal ob analog, ob digital, 8 Bit oder 16 Bit, egal in welcher Sprache, wenn die Menschen singen, so gilt stets: „ Musik ist eine internationale Sprache, welche die gesamte internationale Netzgemeinde versteht, spricht und vereint.“

Stephan R.

Stephan interessiert sich für Warum und die Welt: Seit 2014 gehe ich für backview.eu scheinbar alltäglichen Dingen auf den Grund, betrachte warum manches so ist wie es ist. Wenn ich nicht gerade an einer neuen Idee für einen Artikel sitze, beschäftige ich mich gerne mit Fotographie oder Fremdsprachen oder widme mich meinen Politikstudium.

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