Briefe schreiben mit einem zum Tode verurteilten? Für die Straftäter ist es oft ein wichtiger und letzter Strohhalm in die Freiheit. Die “Initiative gegen die Todesstrafe e.V.” vermittelt solche Freundschaften auf Zeit. Vor allem aber will sie in Sachen Todesstrafe aufklären.
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Die “Initiative gegen die Todesstrafe e.V.” stützt sich auf drei Standbeine: die wesentliche Aufgabe liegt in der Aufklärungsarbeit, hinzu kommt ein parteineutrales politisches Engagement und schließlich das Vermitteln von Brieffreundschaften mit Todestraktinsassen. Gabi Uhl von der Initiative erzählt im Interview von den Hintergründen der Brieffreundschaften.
Konrad Welzel: Sie bieten Brieffreundschaften mit Häftlingen, die zum Tode verurteilt sind, an – wie kam es zu dieser Idee?
Gabi Uhl: Ich muss gestehen, dass ich da gleich passen muss. Wie es vereinshistorisch dazu kam, kann ich gar nicht sagen. Als ich dem Verein beigetreten bin, hatte man rund 100 Brieffreundschaftsgesuche in der Website, die man aber sich selbst überließ. Mit Sicherheit allerdings hat die Initiative gegen die Todesstrafe e.V. diese Idee nicht erfunden. Es gab bereits Vereine in anderen Ländern und auch über Amnesty International konnte man solche Briefkontakte knüpfen.
Konrad Welzel: Wie kompliziert ist es, Haftanstalten für diese Idee zu begeistern?
Gabi Uhl: Die Haftanstalten sind vermutlich gar nicht wirklich für diese Idee zu begeistern. Hat in einem Gefängnis mal einer unsere Adresse, wird diese dann unter den Gefangenen weitergegeben, und auf diese Weise spricht sich das herum, ohne dass die Haftanstalten da involviert sind. Als wir beispielsweise das letzte Mal alle Gefangenen, von denen wir bereits ein Brieffreundschaftsgesuch in der Website hatten, wegen eines Updates angeschrieben haben, bekamen wir auch viele Briefe von uns bis dahin unbekannten Häftlingen mit Wünschen zur Brieffreundschaft.
Konrad Welzel: Was sind die größten Hürden, die Häftlinge von diesem Projekt zu begeistern?
Gabi Uhl: Sicher ist nicht jeder Häftling ein engagierter Briefschreiber, aber für sehr viele ist eine Brieffreundschaft ein Fenster zur Welt. Es ist daher nicht schwer, Gefangene dafür zu begeistern – man muss sie nicht dazu überreden. Hindernisse können aber sein, dass manche nicht gut lesen und schreiben können, dass sie das Geld für Porto und Schreibmaterial brauchen oder dass manche Staaten den Häftlingen nicht erlauben, über das Internet nach Brieffreunden zu suchen.
Brieffreundschaft in die USA
Konrad Welzel: Zu wie vielen Häftlingen haben Sie derzeit Kontakt und Brieffreundschaften laufen?
Gabi Uhl: Wir haben zur Zeit über 200 Häftlinge in der Vermittlung. Seit gut anderthalb Jahren haben wir unser System geändert: Wir veröffentlichen zwar nach wie vor Brieffreundschaftsgesuche in unserer Website, jedoch ohne die Adressen der Häftlinge. Diese müssen bei uns angefordert werden. Wir versprechen uns davon einen besseren Überblick und eine ausgewogenere Verteilung sowie intensivere Unterstützung. In diesen anderthalb Jahren wurden über 500mal Adressen von Häftlingen durch uns vergeben.
Konrad Welzel: Und in welchen Ländern sind diese Kontakte?
Gabi Uhl: Die Todestraktinsassen, die wir vermitteln, befinden sich ausschließlich in den USA. Besonders häufig vertreten sind dabei die Bundesstaaten Kalifornien, Texas, Alabama, Louisiana, Arizona, Pennsylvania.
Konrad Welzel: Was ist das Besondere, das eine Brieffreundschaft mit den zum Tode verurteilten Menschen ausmacht?
Gabi Uhl: Viele Dinge sind gar nicht besonders. Es gibt unter den Häftlingen immer welche, die einem sympathisch sind, und solche, die man weniger mag. Daher sind die Kontakte auch unterschiedlich intensiv. Da ist vieles wie im normalen Leben auch. Und was in meinen Augen gar nicht besonders sein sollte, ist eine “Faszination des Bösen” – wer mit solch einer Motivation eine Brieffreundschaft beginnen will, weil es einen Nervenkitzel hat, einem Mörder zu schreiben, der sollte es besser lassen.
Besonders ist aber die Situation, in der sich der Gefangene befindet. Sowohl das Damokles-Schwert des Todesurteils über ihm als auch der Druck der alltäglichen Haftbedingungen machen einen Unterschied aus zu einer normalen Freundschaft. Auch dass für die Häftlinge die Brieffreundschaften von großer Bedeutung sind, weil sie sonst nicht viel haben, was sie tun können. Aber dann eben auch die Belastung, die es für die Schreibenden bedeutet, wenn sie den Häftling eines Tages durch die Hinrichtung verlieren.
Konrad Welzel: Über was schreiben die Brieffreunde?
Gabi Uhl: Hier sind wir wieder bei dem Punkt, dass vieles abläuft wie im normalen Leben. Einmal sind die Themen so verschieden wie die einzelnen Gefangenen verschieden sind. Und die einzelnen Häftlinge sind eben genauso verschieden, wie wir das aus dem normalen Leben kennen. Daher sind auch die Gesprächsthemen sehr vielfältig, vom Small-Talk bis hin zu sehr persönlichen Themen. Einigen ist es ein Anliegen, auch über ihre Tat oder den Gefängnisalltag zu sprechen, andere möchten das gerade nicht, sondern suchen im Briefkontakt gerade die Abwechslung, ihrem Alltag zu entfliehen.
In englischer Sprache
Konrad Welzel: Wie schnell kann ich als Interessent eine Brieffreundschaft bekommen?
Gabi Uhl: Für die Interessenten gibt es keine Wartezeiten bei uns. Es sind eher die Gefangenen, die mitunter warten müssen, bis jemand ihre Adresse anfordert. Sucht jemand bei uns keinen Häftling aus, sondern möchte jemanden zugewiesen bekommen, dann suchen wir jemanden aus, der noch wenig Kontakte hat nach unserem Wissensstand.
Konrad Welzel: In welchen Sprachen kann ich den Kontakt halten?
Gabi Uhl: Die Briefkontakte laufen in aller Regel in englischer Sprache ab. Es gibt nur ganz wenige Häftlinge, die ein paar Brocken Deutsch können. Manche können, je nach Herkunft, Spanisch. Allerdings ist kein perfektes Englisch erforderlich; es genügt, wenn man sich einigermaßen verständlich machen kann.
Konrad Welzel: Welche Ziele haben Sie für die nächsten Jahre?
Gabi Uhl: Zur Zeit sind wir mit der Vermittlung von Todestraktinsassen in den USA ausgelastet. Wenn die USA eines Tages die Todesstrafe abschaffen, kann ich mir vorstellen, dass wir dann nach anderen Ländern schauen – immerhin gab es schon einmal Kontakte nach Sambia. Jenseits der Vermittlung einer Brieffreundschaft wollen wir in etwa einem Jahr gern wieder eine Redner-Tour organisieren. Auch ist innerhalb unserer Website eine Rubrik für Kunst von Todestraktinsassen geplant.
(Interview: Konrad Welzel / Fotos: Initiative gegen die Todesstrafe e.V.)