KulturMedien

BILD und taz – die Chronik einer Traumehe

Es ist ein Duell zweier Tageszeitungen, die unterschiedlicher und doch ähnlicher nicht sein könnten. Die BILD rund um Chefredakteur Kai Diekmann liefert sich seit Jahren ein tête-à-tête mit der taz. Zyniker könnten behaupten, dass hier ein rechtes gegen ein linkes Boulevardblatt schießt. Die Geschichte ist geprägt von Satire und Gerichtsverfahren.


Mittlerweile ist BILD-Macho Kai Diekmann zwar taz-Genosse, doch auch dieser Akt der Eheschließung war mehr Realsatire und Unterhaltungsstoff als wahre Annäherung. Es ist vielmehr eine weitere Etappe der unterhaltsamen Antipathie zweier Blätter.

2002 hatte Kai Diekmann gegen die taz geklagt. Grund war ein satirischer Artikel auf der taz-Satireseite”Wahrheit”. Dort behauptete Autor Gerhard Henschel, der BILD-Chefredakteur habe sich in Miami einer Penisverlängerung unterzogen. Was als Persiflage des BILD-Journalismus gedacht war, entpuppte sich kurzerhand als juristisches Machtspiel.

Diekmann und die angebliche Penisverlängerung
So viel Witz konnte und wollte Diekmann nicht auf sich sitzen lassen, er verklagte die taz auf 30.000 Euro Schadensersatz wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte. Das Landgericht Berlin wies die Klage zurück. Diekmann selbst würde “bewusst seinen wirtschaftlichen Vorteil aus der Persönlichkeitsrechtsverletzung Anderer” ziehen und müsse daher mit anderen Maßstäben bewertet werden.

schereUm diesem Kapitel die Krone aufzusetzen, verzierten findige taz’ler und ein Künstler das Redaktionsgebäude in der Rudi-Dutschke-Straße im Jahre 2009 mit einem überdimensionalen Phallus Diekmanns. Bildhauer Bernhard Lenk hatte den fünfstöckigen Penis auf die Fassade gezaubert. Dieser Akt sorgte jedoch selbst in der taz-Redaktion für Ärger und Diskussion. Selbst Chefredakteurin Ines Pohl wirkte überrascht ob der obszönen Kunst.

Schon 2005 verklagte die BILD den Konkurrenten wegen unlauterer Vergleichswerbung. Die taz hatte in einem Werbespot zwei abgehalfterte, primitive Currywurstbudenmänner in einer Trinkhalle gezeigt, die die BILD lasen und die taz wiederum nicht verstehen konnten. Der Spot ende mit den Worten: “taz ist nicht für jeden. Das ist OK so.” Ende 2009 wurde das Verbot der Kinowerbung, die bekannt als Kiosk I und Kiosk II wurde, wieder aufgehoben. Seitdem ist der Zankapfel wieder in einigen Kinos zu sehen.

Satire und Slapstick statt Argumente
Doch auch außerhalb der Gerichte ging man mit Haken und Ösen, aber auch mit Witz und Satire aufeinander los. Zum 30. Geburtstag der taz schaltete der Lieblingsfeind eine ganzseitige Anzeige mit einem Bild eines Pflastersteines und einer Kerze drauf. Als Gruß stand dort: “Ist es nicht schön, ein Alter erreicht zu haben, in dem man Cocktails trinkt, anstatt sie zu werfen?”

Auch die taz zeigte sich schon Jahre zuvor selbstironisch und war dem Konkurrenten gegenüber offen gesonnen. Neben den historischen Hassfiguren wie Rudolf Scharping, Jürgen Fliege oder Ex-BDI-Präsident Hans Olaf Henkel lud man am “Tag der feindlichen Übernahme” zum damals 25. Geburtstag ins Redaktionshaus ein. Die Jubiläums-Feindausgabe der taz erschien unter prächtiger Mithilfe des BILD-Chefredakteurs.

Durch die Konkurrenz einander angenähert
Mit dem Eintritt Diekmanns in die taz-Genossenschaft entspannte sich das Verhältnis nicht wirklich. Auch das war als ironischer Akt gedacht. Es zeigt dennoch, wie ähnlich sich beide Blätter im Prinzip geworden sind. Die BILD als konservatives Revolverblatt, das Personen in den Himmel lobt, aber auch Existenzen zerstören kann. Auf der anderen Seite die taz, die ihre große politische Strahlkraft aus den Gründungsjahren auch verloren hat und den Konflikt mit BILD und Diekmann förmlich zu feiern scheint. Die Flucht in Satire und Slapstick war schon immer Mittel der taz.

Damit sind sich beide Blätter in ihrem Erscheinungsbild recht ähnlich. Das rechte gegen das linke Boulevardblatt? Damit würde man zumindest der taz nicht gänzlich gerecht werden.

Dennoch kann nicht abgestritten werden, dass die taz auch inhaltlich nur noch ein Schatten früherer Tage ist. In der Gründungsphase ab 1979 mit einigen motivierten Aktivisten, die später auch die Grünen-Partei prägen sollten, forderte die taz noch Waffen für Salvador. Die taz stand für alternative Radikalpolitik im Zeichen der Neuen Sozialen Bewegungen. Gegen Vietnam, gegen den NATO-Doppelbeschluss. Gegen Atomkraft – die Feinde waren zahlreich.

Heute macht man sich über seinen Lieblingsfeind lustig. In diesem Zwist ist das Niveau von beiden Seiten stetig gesunken. Dabei wäre es wohl vor allem ratsam, die Springer-Presse durch Argumente zu schlagen. Dagegen könnte selbst Kai Diekmann nicht vor Gericht ziehen.

(Text: Jerome Kirschbaum, Foto: Tobias Mittmann / Jugendpresse.de)

Jerome K.

Jerome schreibt am liebsten über Sport, wenn er denn nicht selbst auf einem Platz steht. Seit Oktober 2010 verdingt sich Jerome als Schreiberling für back view, neben den Leibesübungen widmet er sich sich auch politischen Themen. Im wahren Leben musste Jerome zahlreiche Semester auf Lehramt studieren, um dann schlussendlich doch etwas ganz anderes zu werden.

Schreibe einen Kommentar