Ist es Kunst? Ist es Kinderpornografie? Darf man das? Dies sind Fragen, die Eva Ionesco in ihrem Kino-Regiedebut nicht stellt. Stattdessen zeigt sie eine bewegende Mutter-Tochter-Beziehung, die vom Mangel an Liebe, Vertrauen und Zuneigung geprägt ist.


Die Bilder sind schön geworden, aufreizend, kontrovers. Fotografin Hanna bekommt endlich die ersehnte Anerkennung in der Pariser Kunstszene der 70er. Der Dank gebührt der zwölfjährigen Tochter Violetta, ihrem Model.Hannas Leben (unterkühlt und labil gespielt von Isabelle Huppert) ist inszeniert, sobald sie auf die Straße tritt. Flammend roter Lippenstift, knappe knallige Kleidchen und geheimnisvolle Schleier bestimmen ihr Auftreten. Das steht im Gegensatz zu der ärmlichen Wohnung, in der sie mit ihrer Tochter Violetta (Debut: Anamaria Vartolomei) und der Großmutter lebt. Oft ist nicht einmal das Abendessen gesichert.

Doch als sie ihre Tochter zur Muse macht und der Kunstszene immer freizügigere Aufnahmen bietet, hat sie den lang ersehnten Erfolg. Zuerst lässt sich Violetta noch bereitwillig schmücken und posiert, wie es Hanna wünscht. Immerhin bekommt sie so die Aufmerksamkeit ihrer Mutter.

Als Violetta jedoch feststellt, dass die Inszenierung nicht auf Zuneigung beruht, sondern die Gier ihrer eigenen Mutter nach Anerkennung ausdrückt, fängt sie an, sich zu wehren.

Besonders schockierend ist die scheinbare Gleichgültigkeit, mit der die Mutter ihre Tochter betrachtet. Ist sie wirklich nur ein Objekt, das Hanna drehen und wenden kann, wie sie will? Bei einem Besuch in England scheint es Hanna egal zu sein, dass der junge Schlossherr ihrer Tochter eindeutige Angebote macht – solange er nur einwilligt, Fotos schießen zu lassen. In der Schule wird Violetta immer mehr zur Außenseiterin, da sie sich mit Pumps, Kleid und Lippenstift immer mehr von der Welt eines zwölfjährigen Kindes entfernt.

Eva Ionesco verarbeitet in diesem Kinofilm ihre eigene Geschichte: Sie wurde von ihrer Mutter und dem Fotografen Jacques Bourboulon minderjährig in aufwendigen (Akt-)Posen fotografiert und spielte später in Filmen mit, die z.T. in Deutschland wegen Kinderpornografie verboten sind.

Die ästhetischen Bilder des Films stehen wie eine Maske vor den verdrängten Gefühlen der Protagonisten. Da ist die Mutter, die ihre eigene verstörende Vergangenheit erfolglos hinter Make-Up und Abendgarderobe versteckt. Und die Tochter, die ihre Mutter als Beispiel nimmt, um die eigene Verletztheit zu kaschieren. Jene Gefühle hätten etwas mehr in den Vordergrund gestellt werden können.

So verliert sich der Film in minutenlangen Posen der jungen Violetta und der sich an ihrer hübschen Tochter labenden Mutter – Geschmackssache. Der Zuschauer ist immer ganz nah dabei – ob er sich schämt oder sich über die Bilder freut, ist ihm überlassen.

Fazit: Nicht mainstream, nicht lustig, aber aufwühlend. Leider kommt es nie zur Eskalation des Konflikts, anders als der deutsche Titel „I‘m Not A Fucking Princess” (im Gegensatz zum Original „My Little Princess”) vermuten lässt.
Violetta wehrt sich nur sehr zögerlich gegen die Vereinnahmung durch ihre Mutter. Und so ergreift auch der Zuschauer nie wirklich Partie für eine der Hauptpersonen. Eva Ionesco hat ein mäßig spannendes, aber sehr emotionales autobiographisches Regiedebut geschaffen.

Letztendlich stellt sich nur die Frage: Darf Ionesco mit der Kinderdarstellerin das Gleiche Prozedere vollziehen, wie sie es selbst am eigenen Leib erfahren hat? Das junge Mädchen vor einer Kamera aufreizende Posen vollführen lassen, die ein Millionenpublikum zu Gesicht bekommt. An dieser Stelle bleibt es fragwürdig, wie die Regisseurin diesen Widerspruch verantworten will.

Bewertung: 3 von 5 Sternen

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(Originaltitel: “My Little Princess”, Frankreich, 2010; In den deutschen Kinos seit 27. Oktober 2011)

(Text: Anna Franz / Zeichnung: Christina Koormann)

Autor

Von Ronja

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