“Avatar – Aufbruch nach Pandora” ist aktuell der erfolgreichste Film aller Zeiten. Ob sich darin der Wunsch einer Gesellschaft nach mehr Menschlichkeit wiederspiegelt, diskutierten Professor Martin Seel und der Regisseur Sebastian Schipper am 8. Dezember 2011 im siebten Frankfurter Stadtgespräch.


Die Redner gaben zunächst begleitet von einem kurzen Filmausschnitt eine Einführung in die Filme und eröffneten dann die Diskussion. Interessant bei den Filmvorstellungen war, dass beide Redner sowie der Moderator Peter Siller tief beeindruckt von „In the Valley of Elah” waren, während „Avatar” offensichtlich nur aufgrund seines Erfolges und der Spannweite der Reaktionen mit diskutiert wurde.

Gleichwohl stellte sich im Laufe des Abends heraus, dass die Blockbuster gerade aufgrund ihrer Popularität einen sehr interessanten Diskussionsnährboden lieferten und „In the Valley of Elah” leider doch sehr stark in den Hintergrund geriet.

Möchte man jedoch Gesellschaftsbilder anhand von Gegenwartskino diskutieren, so drängt sich ein Film mit der Erfolgsgeschichte von Avatar geradezu auf. Warum wurde gerade dieser Film so frenetisch vom Publikum gefeiert? Während Sebastian Schipper felsenfest argumentierte, es läge nur an den vorher noch nie dagewesenen Special Effects und Computeranimationen, so vertrat Professor Seel die Ansicht, das Publikum sehne sich nach einer Welt, wie in Avatar beschrieben: Eine Welt, in der der Mensch eine Einheit mit der Natur bilden kann und es ausgerechnet die Technik ist, die ihn näher an die Spiritualität heran führt.

Eine Welt, die ausgebeutet werden soll, und ein Volk, das von Menschen als unterentwickelt angesehen wird, obwohl es höher entwickelt scheint – hier geht es nicht nur um Umweltschutz und Naturverbundenheit, sondern auch um das populäre Thema David gegen Goliath sowie ein gewisses Sendungsbewusstsein.

Die Zuschauer werden in Avatar geradezu dazu ermutigt, die Seite des schwächeren Volkes der Navii zu ergreifen, das sich gegen Ausbeutung und Vernichtung durch die Menschheit wehren muss. Das amerikanische Militär spielt den Bösewicht und der Kapitalismus droht Pandora zu vernichten.

Fast könnte man James Cameron zuschreiben, er würde Kritik am amerikanischen System äußern. Natürlich nicht direkt, sondern quasi durch die Blume. Projiziert auf einen fremden Planeten, in ferner Zukunft im Kampf gegen ein imaginäres Volk. Vielleicht erhielt Avatar seinen enormen Zuspruch gerade aufgrund der Tatsache, dass viele Menschen jene Kritik an „Goliath” durchaus berechtigt finden.

In„The Dark Knight” ist die Sachlage ähnlich, wenn auch in eine andere Richtung gehend. Der Joker stellt die Antigesellschaft in Form eines Bösewichtes dar. Er ist ein Rebell außerhalb des Systems, den Geld nicht interessiert. Dabei ist Geld in der heutigen Gesellschaft der Mittelpunkt des Lebens – kann man überhaupt gegen eine Gesellschaft kämpfen, ohne dass es dabei um Geld geht?

Dass diese Figur und seine Philosophie in der Erinnerung vieler Zuschauer verankert ist, machte die Frankfurter Allgemeine Zeitung ganz unabsichtlich am selben Tag deutlich: Über einem Bericht zur europäischen Finanzkrise thronte keine Karikatur und kein Eurosymbol, sondern jene Szene aus „The Dark Knight” in der der Joker das erbeutete Geld verbrennt.

Doch „The Dark Knight” kritisiert nicht nur die monetär ausgerichtete Gesellschaft, er wirft auch ein ganz anderes Problem auf: ein korruptes Rechtssystem. Harvey Dent mag das Image eines Saubermannes haben, doch sein Lächeln ist nur für die Öffentlichkeit. Hinter den Kulissen ist der Bezirksstaatsanwalt eifersüchtig, übermütig, kopflos und bereit, alles zu geben, um den Joker zu vernichten. Am Ende wird der gelobte Anwalt schließlich zum nächsten Bösewicht mit dem sehr prägenden Namen „Two face”. Wenngleich die Story vorgegeben ist, so meint man doch, eine leise Kritik Nolan’s am aktuellen juristischen System vernehmen zu können.

Zumindest am Ende geht der Blockbuster dann doch noch recht versöhnlich aus. Die Bevölkerung von Gotham City ist auf zwei Schiffe verteilt, jedes vom Joker gezwungen, das jeweils andere zu vernichten. Doch der Masterplan geht nicht auf. Die Menschen von Gotham City zeigen Menschlichkeit und entscheiden sich gegen den Massenmord. Es gibt also noch Hoffnung für unsere Gesellschaft. Nicht alles läuft auf Zerstörung hinaus. Und vielleicht schaffen wir es am Ende, mit Technik oder ohne, unsere Umwelt und uns selbst doch noch zu retten.

Was bleibt, ist die ausgebliebene Analyse des Kriegsthrillers, der auf einer wahren Begebenheit beruht. Der realitätnächste aller Filme wurde an diesem Abend leider in den Hintergrund gedrängt. Ich hätte mir eine tiefer gehende Analyse der Darstellung des Irak-Krieges in „In the Valley of Elah” gewünscht, aber auch so hat sich der Abend in jedem Fall gelohnt.

(Text: Carolin Schmitt)

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Von Carolin

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