Wahre Liebe und das Leben
Ein Blick auf 72 Ehejahre
Vor 72 Jahren gab sich am Valentinstag 1944 ein junges Hochzeitspaar das Jawort. âEinen Menschen lieben, heiĂt einzuwilligen, mit ihm alt zu werdenâ, wusste einst Albert Camus und dieses Versprechen halten sie bis heute. âDie Summe unseres Lebens sind die Stunden, in denen wir liebenâ, erkannte einst Willhelm Busch. Heute blicken Anni (90) und Johann Raab (96) in 72 Jahren Ehe auf viele dieser gemeinsamen Stunden zurĂŒck und wissen einiges zu erzĂ€hlen. Vieles ĂŒber die wahre Liebe.
âLiebe ist nicht das was man erwartet zu bekommen, sondern das was man bereit ist zu gebenâ, sagte einst die Schauspielerin Kathrin Hepburn.
Was war zu erwarten im Jahre 1944?
Es tobte der zweite Weltkrieg, die Alliierten landen in der Normandie. Die Feuerzangenbowle kommt in die deutschen Kinos, in Bretton Woods wird die wirtschaftliche Nachkriegsordnung festgelegt.
Eine junge Liebe
Alles begann im Jahre 1938 im bayrischen Ingolstadt. Das Abitur in der Tasche fehlte noch die richtige Begleitung fĂŒr den Kommers um den Abschluss der Schulzeit im wĂŒrdigen Rahmen zu feiern. Aus einfachen Hause stammend fragte Johann bei der Familie von Anni an. Hier sah sich das Paar zum ersten Mal, doch es war zunĂ€chst Annis Schwester, die die Ehre hatte, ihn auf den Abschlussball zu begleiten.
Bald mit dem Beginn des Reichsarbeitsdienstes und dem spĂ€teren Eintritts ins MilitĂ€r hĂ€uften sich die Besuche im Haus der spĂ€teren Braut. Schnell wurde dabei deutlich, dass Johanns Zuneigung seiner Anni galt. Als 1939 der Polenfeldzug begann fuhr Anni, damals 15 Jahre, ihrem spĂ€teren Ehemann mit dem Rad hinterher um ihm noch ein PĂ€ckchen fĂŒr die schwierige Reise mitzugeben.
Es sollte eine schwere Zeit beginnen
In der Schule mussten die SchĂŒler und SchĂŒlerinnen Briefe an unbekannte Soldaten an der Front schreiben. Jedoch wusste Anni, die noch zur Schule ging, dass sie einem ganz bestimmten Soldaten schreiben wollte. Hieraus entwickelte sich eine rege Korrespondenz von und nach Ingolstadt. 1941 folgte darauf die Verlobung. Immer wieder in den Urlauben von den Front wurde die Zuneigung der beiden stĂ€rker. SchlieĂlich frisch aus Stalingrad zurĂŒckgekehrt hielt Johann offiziell um die Hand von Anni an. Am 14. Februar, dem Valentinstag 1944, war der groĂe Tag fĂŒr das junge Paar gekommen.
Eine Hochzeit im Krieg
âEs war so schön wie man es zu der damaligen Zeit konnteâ, erinnert sich Anni. In einer Zeit in der Essen nur auf Lebensmittelmarken zu bekommen waren, leistete jeder so viel er vermochte. Das Brautpaar wurde mit einer Kutsche abgeholt. Zuerst ging es zum Standesamt, dann in die Kirche mit Foto und Chor. AnschlieĂend gab es Schwein und Kalb, das von Annis Eltern, die eine Landwirtschaft besaĂen, schwarz geschlachtet worden war.
Noch ein Jahr sollte der Krieg dauern. In den letzten Kriegstagen gelang es dem frisch gebackenen Ehemann sich ĂŒber die Ostsee nach Schleswig Holstein zu retten. Von hier kehrte er im August 1945 aus der Gefangenschaft nach Ingolstadt zurĂŒck. Eine schwere Zeit lag vor dem jungen Ehepaar, der beide mit gemischten GefĂŒhlen gegenĂŒber standen.
Zum einen herrschte groĂe Trauer ĂŒber den Tod von Annis Bruder der im Krieg gefallen war. Aber es herrschte auch ein Optimismus vor nach vorne zu blicken und sein Auskommen zu sichern in einer Zeit des Mangels und der Not.
Wahre Liebe: in guten Tagen wie in schlechten Tagen
Nun zu dritt blieb dem ehemaligen Oberleutnant nichts anderes ĂŒbrig als sich um den Unterhalt seiner Familie zu kĂŒmmern. ZunĂ€chst half er als Traktorfahrer bei den Schwiegereltern, die die junge Familie auf viele Weise unterstĂŒtze. Ein Jahr spĂ€ter, 1946 schlieĂlich begann das Studium an der gerade wieder eröffneten Technischen Hochschule MĂŒnchen. TĂ€glich pendelte er zwischen Ingolstadt und MĂŒnchen in kargen ZĂŒgen. Die Notwendigkeit seine Familie zu ernĂ€hren, spornten Johann an sein Studium schnell zum Abschluss zu bringen. In nur drei Jahren brachte es der Ingenieur und spĂ€tere Baureferent zum Diplom.
1952 kamen die Eheleute nach NĂŒrnberg. Doch Anni erkrankte schwer an der Lunge. Mehr als drei Jahre verbrachte sie in Sanatorien, wo sie vom Chefarzt fĂŒrsorglich wie eine eigene Tochter behandelt wurde. RegelmĂ€Ăig besuchte Johann seine Frau mit dem Rad, spĂ€ter mit dem Auto. In dieser Zeit kĂŒndigte sich auch Zuwachs an, der 1958 das Licht der Welt erblickte
Endlich eine Familie
Im selben Jahr zog die Familie Raab in eine neue Wohnung, in der Johann und Anni Raab bis heute leben. Sie wurden sesshaft und fanden in NĂŒrnberg ihre Heimat. Der Familienvater Johann fand eine feste Anstellung als Baurat bei der Stadt NĂŒrnberg, wo er fĂŒr den Bau von neuen und dem Erhalt alter StraĂen zustĂ€ndig war. âNun hatten wir ein geregeltes Leben. Endlich hatte ich das GefĂŒhl als Familie zusammen zu lebenâ, erinnert er sich rĂŒckblickend.
Nach den entbehrungsreichen AnfĂ€ngen schienen die gröĂten HĂŒrden ĂŒberwunden zu sein. Aber wahre Liebe ĂŒbersteht auch das. âDas Wirtschaftswunder machte sich bemerkbar und man konnte sich wieder etwas leistenâ, erinnert sich Anni an diese Zeit.
Eine der ersten Reisen fĂŒhrte die Familie Raab nach Salzburg, weitere Reisen in die Ewige Stadt oder bis nach Israel und in das alte Ăgypten sollten folgen. Nicht zuletzt fĂŒhrte sie ihr Weg auch bis nach Afrika an die ElfenbeinkĂŒste. Doch auch in nĂ€herer Umgebung waren die beiden sehr viel unterwegs. Als begeisterte Ahnenforscher bereisten sie auf den Spuren ihrer Vorfahren die gesamte Oberpfalz. Hier war stets Teamarbeit gefragt. WĂ€hrend Johann die alten KirchenbĂŒcher der Pfarreien fĂŒr seine Nachforschungen studierte, bestach Anni die Pfarrköchin mit Seifen und ParfĂŒmen um Zugang zu den Archiven zu erhalten. Bis heute hat diese Zusammenarbeit viele interessante Erkenntnisse hervorgebracht und mittlerweile haben auch einige Nachfahren die Familie bereits vergröĂert.
Achterbahn des Lebens
Nach dieser langen Zeit blicken Johan und Anni Raab auf schöne, aber auch schwierige und traurige Momente zurĂŒck. Es gibt immer ein auf und ab. Als Geheimnis fĂŒr ihre lange Ehe verraten sie, dass sie in schlechten Zeiten zueinander gehalten gehaben und gerade in jungen Jahren nach jeder Krise wieder zu einander gefunden haben. âVor dem Altar haben wir uns das Versprechen gegeben zusammen zu bleiben. Was man einander verspricht, das muss man halten. FĂŒr uns war es selbstverstĂ€ndlich, dass man miteinander lebt in guten wie in schlechten Zeitenâ, betonen sie.
Heutzutage scheinen die Ehen kĂŒrzer zu werden und die Scheidungen zuzunehmen. Diese Entwicklungen beobachten beide mit groĂer Skepsis und vielen Zweifeln.
âEine Partnerschaft beruht auf gegenseitiger WertschĂ€tzung. Man muss einander wertschĂ€tzen, auf einander zu gehen, sich gegenseitig respektieren aber auch miteinander an der Ehe arbeitenâ, diesen Ratschlag geben die Eheleute Johann und Anni aus ihrer gemeinsamen Lebenserfahrung gerne an andere Paare weiter.
72 Jahre, ein ganzes Menschenleben, durften Johann und Anni Raab in guten wie in schlechten Tagen miteinander verbringen. Das muss wahre Liebe sein. Dankbar fĂŒr diese lange gemeinsame Zeit bleibt ihnen nur noch zu sagen:
Seit ĂŒber 70 Jahren weit zurĂŒck,
wir hatten immer groĂes GlĂŒck.
DafĂŒr danken wir dem Herrn,
der uns so lange lieà gewÀhrŽn.
(Text: Stephan Raab / Zeichnung: Michaela Raab)
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Kommentare (1)
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Werner Wagner
Sehr guter und informativer Artikel. Ăber solch ein Leben zu berichten ist in unserer heutigen kurzlebigen Zeit unbedingt notwendig.