Als Gründungsmitglieder und Veteranen des englischsprachigen Poetic Voices Evenings an der Frankfurter Goethe-Universität haben sich Sara Heristchi und Julia Wewior kennen gelernt. Die Veranstaltungen geben jungen Nachwuchspoeten eine Plattform, ihre selbstverfassten Gedichte in englischer Sprache vorzutragen.


beide

Neuerdings haben sich Sara und Julia auch in der Frankfurter Kunstszene einen Namen gemacht und ihre englischen Gedichte beim Frankfurter Verein „Kunst im blauen Haus” in Nieder-Ursel präsentiert. Carolin Schmitt traf die beiden Jungpoeten vor ihrem Auftritt und führte ein Interview über das Schreiben zwischen zwei Sprachen.

Hallo ihr zwei. Ich bin schon ganz gespannt auf heute Abend. Das erste Mal außerhalb der Uni – wie geht es euch dabei? 

S: Ich bin schon aufgeregt jetzt kurz bevor es losgeht, aber ich freue mich auch. Schön, dass das Wetter mitspielt und wir im Garten vortragen können.

J: Ich hätte nicht damit gerechnet, dass auch fremde Leute kommen. Ich dachte, naja gut, deine Freunde werden da sein, Peggy (anm.: Dozentin, die Poetic Voices gegründet hat) natürlich. Aber, dass auch Leute hier sind, die ich gar nicht kenne, überrascht mich, positiv natürlich.

Wie seid ihr zum Schreiben gekommen? Wann und warum habt ihr damit angefangen?
S: Ich habe früher immer versucht, Songtexte zu schreiben. Ich habe viel Mariah Carey und Whitney Houston gehört und wollte das auch machen. Dann war ich später am Florida State College in Bradenton und habe dort eine Creative Writing Class besucht. Das war dann das erste Mal ein etwas professionelleres Schreiben. Leider hat mir damals jemand meine Tasche mit all meinen Manuskripten geklaut. Aber das habe ich dann als Neubeginn genutzt und mich von da an auch mehr auf das Schreiben konzentriert. Schreiben ist für mich Therapie. An deutschsprachige Gedichte habe ich mich allerdings erst später herangetraut.

J: Ich weiß noch, in der Grundschule hatte ich ein Gebet geschrieben, dass dem Pfarrer dann so gut gefiel, dass er es im Gottesdienst gelesen hat. Diese positive Resonanz hat mich dazu ermutigt, weiter zu schreiben. Mit 17 hatten wir im Deutschunterricht das Thema „Heimat” und das hat mich sehr beschäftigt, was mich wiederum dazu inspiriert hat zu schreiben, auch als eine Art Therapie. Das erste Mal auf Englisch habe ich dann an der Uni geschrieben, als ich einen Kurs bei Dr. Peggy Preciado besuchtsara habe, welcher dann eben zu dem Poetic Voices Event geführt hat.

Warum gerade auf Englisch?
J: Auf Englisch zu schreiben ist befreiend für mich, da ich mir sicher sein kann, dass einige Personen in meinem familiären Umfeld nicht in der Lage sein werden, es zu verstehen. Das gibt einem mehr Freiheit und hilft, innere Hemmungen zu überwinden. Außerdem entfremdet es das Geschriebene ein wenig, da man selbst ja eben doch kein Muttersprachler ist. Das macht es wiederum
einfacher, es dann später auch vorzulesen. Die haitische Schriftstellerin Edwidge Danticat sagte, die englische Sprache läge sich wie ein Puffer zwischen sie und die traumatischen Ereignisse in ihrer Heimat und dadurch kann sie auch besser darüber schreiben. Das trifft es glaube ich ganz gut.

S: Because I prefer English. I would have never dared to write in German. English is more poetic for me, I can find more words that inspire me or add to my writing.

Sara Heristchi: „Because I prefer English”

 

Wie oder wann schreibt ihr?
S: Ich schreibe, wenn ich das Gefühl habe, schreiben zu müssen. Es gibt sicherlich Situationen oder auch alltägliche Dinge, die als Grundlage dienen, aber meist entwickelt das Gedicht noch beim Schreiben ein Eigenleben. Es geht oft in eine ganz andere Richtung als das, was ich mir eigentlich zu Anfang überlegt hatte. Und ich lasse es auch zu, dass mich das Gedicht dann dort hin bringt.

J: Ich schreibe schon manchmal morgens, gleich nach dem Aufstehen zum Beispiel. Aber eigentlich gibt es da keinen wirklichen schedule. Meist gibt es eine Situation, einen Menschen oder ein anderes Gedicht das mich inspiriert und dann schreibe ich darüber. Aber ich gehöre nicht zu den Menschen, die einfach spontane, großartige Gedichte schreiben; oft überarbeite ich das Geschriebene noch mehrmals. Es ist harte Arbeit und man braucht viel Übung, bis man wirklich mit dem zufrieden ist, was man geschrieben hat.

Gibt es auch Misserfolge oder schwierige Situationen?julia S: Als writer tendierst du immer zur Selbstkritik. Gedichte, die dir vielleicht direkt nach dem Schreiben gut gefallen haben, werden schnell Opfer der eigenen Kritik, manchmal nur Tage später. Das ist sicherlich immer etwas schwierig.

J: Als writer hat man eine erhöhte Selbstwahrnehmung, was dich dann natürlich auch schnell an dir selbst oder deinem Schreibstil zweifeln lässt. Grundsätzlich ist Poetry ja auch nicht jedem zugänglich, sodass man auch durchaus mit Menschen konfrontiert ist, die schlicht und einfach nichts mit deinen Gedichten anfangen können. Aber solange es am Ende immer noch Menschen gibt, die sich bei dir dafür bedanken, dass du völlig narzisstisch nur über dich selbst und deine Probleme schreibst, ist ja alles gut.

Julia Wewior: „Es ist harte Arbeit und man braucht viel Übung!”


Und wie sieht eure Zukunft aus?
S: Ich schreibe gerade an meiner Magisterarbeit. Danach würde ich gerne promovieren. Und natürlich auf jeden Fall auch weiterhin schreiben – am besten auch mal Poetry veröffentlichen oder veröffentlicht sehen.

J: Ich habe meinen Magisterabschluss vor kurzem erhalten und bin im Moment auf Jobsuche. Nach Möglichkeit würde ich sehr gerne an einer Universität arbeiten und dann auch promovieren. Aber der Arbeitsmarkt ist natürlich schwierig. Ich werde auch weiterhin schreiben – ich darf ja auch als Alumni am Poetic Voices Event teilnehmen. Außerdem möchte ich meinen Schreibstil noch weiter verbessern, und das geht am besten durchs weiterschreiben.

Vielen Dank und viel Erfolg weiterhin für euch zwei!

Mehr Infos zu „Kunst im blauen Haus” und zum Poetic Voices Event

(Text und Fotos: Carolin Schmitt)

Autor

Von Carolin

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