Kontraste und Klischees
Mit ihrem Roman „Das Orchideenhaus” hat es Lucinda Riley auf Anhieb in die internationalen Bestsellerlisten geschafft – kein Wunder, denn ihr Roman scheint alles mitzubringen, was ein klassischer Schmöker braucht: Liebe, Leidenschaft, Verrat, dazu eine tragische Familiengeschichte. Überzeugen kann ihr Roman dennoch nicht.
Im Mittelpunkt der Handlung steht die Pianistin Julia Forrester, die nach einem tragischen Unfall Mann und Sohn verloren hat. Zuflucht sucht sie in ihrer englischen Heimat Norfolk. Ihre Kindheit hat sie dort bei ihrem Großvater verbracht, dem Gärtner des herrschaftlichen Anwesens Wharton Park. Als sie dem alten Gemäuer einen Besuch abstattet, trifft sie auf Kit Crawford, der das marode Gemäuer geerbt hat und verkaufen will. Bei den Renovierungsarbeiten an dem alten Haus taucht ein Tagebuch auf, das die Erlebnisse eines namenlosen Kriegsgefangenen im Changi-Gefängnis in Singapur schildert.
Julia beginnt zu recherchieren und bittet schließlich ihre Großmutter um Hilfe, die ihr ein Geheimnis anvertraut, das Julias Sichtweise auf ihre Familie für immer verändert.Lucinda Rileys Roman führt den Leser in zwei Welten, die unterschiedlicher nicht sein könnten: das raue Norfolk und das exotische Bangkok. Da die Britin viele Jahre in Südostasien gelebt hat, wirken ihre Schilderungen authentisch und real. Es gelingt ihr, die Gerüche, Düfte und Farben Thailands anschaulich zu schildern und den Leser auf eine Reise in eine fremde Kultur zu entführen.
Die exotische Kulisse kann dennoch nicht darüber hinwegtrösten, dass Rileys Roman schnell ins Triviale abdriftet und zuweilen regelrecht in Kitsch und Klischees versinkt. Die Dialoge sowie die Sprache der Protagonisten wirken künstlich und überzogen, was an antiquierten Formulierungen liegt, die zeitweise ins Lächerliche abdriften. Hinzu kommt eine Reihe überflüssiger Wendungen und Schicksalsschläge, die so dicht aufeinander folgen, dass sie die Geduld des Lesers strapazieren und den Fluss der Handlung bremsen. Dadurch entsteht zu keiner Zeit Spannung. Das Geschehen geht schleppend voran und ist bereits nach wenigen Seiten vorhersehbar.
Der Roman „Das Orchideenhaus” beweist ein weiteres Mal, dass die Bezeichnung „Bestseller” nicht automatisch für Qualität steht, sondern auch, wie in diesem Fall, das Ergebnis einer intelligenten Vermarktungsstrategie sein kann. Ein optisch ansprechendes Cover, ein mysteriöser Klappentext und massive Werbung in Zeitschriften und Buchhandlungen ließen dieses Buch zu etwas werden, das es nicht ist.
(Text: Julia Hanel)