Internationales Olympisches Komitee (IOC) oder auch UEFA und FIFA lassen sich sportliche Superevents einige Millionen Euro kosten. Neue Kommerztempel werden aus dem Boden gestampft, ganze Flughäfen erbaut. Doch wofür das alles, was passiert danach mit den ganzen Bauten?

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Es sind nur wenige 100 Kilometer von Sotschi bis zum Nordkaukasus, wo radikale Islamisten Terroranschläge verüben und eine ganze Region destabilisieren. Wobei Putin sicherlich nicht zur Beständigkeit und Stabilisierung beiträgt. Sotschi – mitten im Krisengebiet, also: Sotschi, das Krisengebiet?

Ein derart riesiges, heterogenes Land wie Russland mag nach Einheit und Stabilität dürsten, doch die Wahrheit scheint anders auszusehen: Russland gleicht einem Vielvölkerstaat, der nicht erst seit dem Fall des eisernen Vorhangs auf einer Selbstfindungssuche ist. Da kämen olympische Spiele doch gerade recht. Man könnte der Welt zeigen, wie einheitlich, friedlich und geschlossen man auftreten kann.Foto: Heinrich Kirchner / jugendfotos.de

Olympia 2014, Fußball-WM 2018 – beides großartige Möglichkeiten für Russland. So zumindest lautet der Plan, doch in der Realität verkommen Superevents wie Olympia und Weltmeisterschaften nach den Spielen meist zu Geisterstädten. Im Sinne der Propaganda werden Milliarden verpulvert. Nachhaltigkeit sieht anders aus.

Unfassbare 37,5 Milliarden Euro sind in die Vorbereitung der Winterspiele geflossen. Kein Wunder, dass von den teuersten Spielen aller Zeiten die Rede ist. 2007 sprach Putin noch von Ausgaben in Höhe von circa zwölf Milliarden. Weit gefehlt, Herr Präsident!

Von München bis Barcelona
Hans Jörg-Stiehler war Mitglied einer Forschungsgruppe der „Internationalen Gesellschaft für Medien und Kommunikationsforschung“, die die Auswirkungen von olympischen Spielen in den Städten von München bis Athen analysierte. In München sieht Stiehler im Gespräch mit dem Handelsblatt beispielsweise positive Auswirkungen: „Sie haben eine ordentliche U-Bahn bekommen, Stadt- und Sportinfrastrukur erhalten und das olympische Dorf mit gescheiter Nachnutzung.“

Auch in Barcelona wurde durch die olympischen Spiele der Wert der Stadt gesteigert: „Die Stadt ist richtig aufgeblüht und profitiert immer noch davon“. Zahlreiche Renovierungen machten sich in Katalonien bemerkbar. Stiehler sieht Olympia ohnehin als Chance, die städtischen Kassen zu plündern und damit ohnehin notwendige Baumaßnahmen zu initiieren.

Metropolen können diese Investitionen meist nicht wirklich stemmen, die Kassen sind doch im Regelfall leer. Da bedarf es dann einer Sondersituation wie Olympia oder Fußball-WM, um größere Ausgaben zu legitimieren. Doch auch dann keimt immer wieder Kritik in der Bevölkerung auf. Insbesondere in Zeiten der Wirtschaftskrise ist der Bürger sensibilisiert für große Zahlen.

Nachhaltiges London 2012
In London hat man 2012 ebenfalls Milliarden in neue Bauten gesteckt, man brüstete sich jedoch von Beginn an damit, die Spielstätten weiterbenutzen zu können. Die olympische Schwimmhalle dient nun als städtisches Schwimmbad, das Velodrom wurde zum Bikepark, in der Handballarena trägt der Basketballklub der Stadt nun seine Heimspiele aus. Möglich wurde all dies, indem die Stadien und Hallen nach dem Baukastenprinzip konstruiert waren. Sie ließen sich demnach ganz simpel verkleinern oder auseinanderbauen.

So können die Investitionen in Milliardenhöhe auch später noch sinnvoll genutzt werden. Anders als beispielsweise in Südafrika, wo nun zahlreiche Mega-Arenen ungenutzt in der Sonne vergammeln. Die Spiele sowie deren Kosten und Folgen scheinen umso kritischer je maroder und zerrütteter das Gastgeberland ist. In Sotschi und auch Brasilien regt sich der Widerstand gegen die Bauwut der Vorsitzenden. Brasilien durfte dies beim Confed-Cup 2013 in voller Wucht erleben.

Zurück zu London. Dort hoffte man vor allem davon darauf, dass die Renovierung und Aufpolierung der Stadt einen positiven Effekt auf den wirtschaftlich schwächelnden Londoner Osten haben würde. Bürgermeister Boris Johnson versprach sich die Schaffung neuer Arbeitsplätze, vor allem auf lange Sicht.

Propaganda und Repression in Russland
Aber eben dies ist die große Frage: Können sich Großevents langfristig positiv auswirken? Die WM 2006 in Deutschland erbrachte dem Land einen unerwarteten internationalen Zuspruch. Man konnte irgendwie die Herzen der anderen Länder gewinnen. Weil man sich wohl offen und sympathisch gezeigt hat. Das hatte so keiner erwartet.

Anders sieht die Sachlage wiederum in Russland aus, wo Protz und Prunk so gar nicht zum gängigen Alltag der gemeinen Landsleute passen. Olympia und WM sieht Putin vor allem als Chance zur Selbstinszenierung, zur Not wird diese mit Militär und Repression durchgedrückt. Dann jedoch kann man von Nachhaltigkeit nicht mehr reden.

(Text: Jerome Kirschbaum, Foto: Heinrich Kirchner / jugendfotos.de)

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Von Jerome

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